Mandarinenträume – Electronic Escapes From The Deutsche Demokratische Republik 1981-1989 :: Sampler und Compilations

Elektronische Musik und die dazugehörige drogeninfizierte Clubkultur als Synonym für die klarste Form von Eskapismus im Pop ist ja ein alter Hut – zumindest im Westen Deutschlands. Im Zusammenhang mit dem eingezäunten Operettenstaat DDR hingegen bekommt das Wort Eskapismus eine ganz andere Bedeutung: vermeintlich futuristische Musik als Flucht in die unendlichen Weiten des Weltalls und in eine bessere Zukunft.

In den 80ern veröffentlichte das Amiga-Label des „VEB Deutsche Schallplatten Berlin DDR“ zwei Händevoll mit elektronischer Musik aus sozialistischer Herstellung. Eine Auswahl davon gibt es auf dieser Compilation zu hören, für deren Songauswahl „Groove“-Redakteur Florian Sievers zuständig war. Neben dem Monsterhit „Planetenwind“ von Pond mit seinen Synthifanfaren gibt es hier allerlei Gewaber und Geblubber, Ahnungen von Cosmic- und Italodisco, Miami-Vice-Soundtrack-artiges und psychedelisch-krautiges Gejamme.

Neben einigem Schatten hat es hier auch viel Licht, vor allem in Form der Musik von Reinhard Lakomy, der durch seine Hörspiele für Kinder bekannt ist. Sein über elfminütiges „Es wächst das Gras nicht über alles“ eröffnet diese Compilation, ein epischer Track, der wie kein anderer für die Übersetzung der westlichen elektronischen Musik der 70er (früher Vangelis, Klaus Schulze, Progrock) in die Kultur des real existiert habenden Sozialismus der 80er steht. Melancholische Melodien werden von einem unruhig pluckernden Rhythmus begleitet wie beim frühen Jean Michel Jarre, bevor es endet mit einem lyrischen Gitarrensolo, das auch von Edgar Froese stammen könnte.

Apropos: wer das Wort „Mandarinenträume“ ins Englische übersetzt, bekommt eine Ahnung davon, wie diese Musik klingt.

VÖ: 15.1.

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