Midnight Oil :: Blue Sky Mining (CBS)

Die Erwartungen waren zwangsläufig hoch: Was konnte nach dem exzellenten Vorgänger DIESEL AND DUST noch kommen? Eine konsequente Weiterentwicklung oder lediglich ein schaler Zweitaufguß des erfolgreichen Konzepts? BLUE SKY MINING, das siebte Album des australischen Quintetts, bleibt zwar bei den bewährten bisherigen Zutaten, verfeinert sie aber noch auf allen Ebenen. So wird die Platte spätestens nach dem dritten Anhören auch den höchsten Erwartungen gerecht.

Denn Warne Livesey, der die zehn Songs zusammen mit der Band produzierte, investierte noch mehr Ideen in die Instrumentierung und in den Sound als bei DIESEL AND DUST, ohne dabei die gerade, klare Mainstream-Linie zu verlassen und ohne die harten Ecken und Kanten des Gruppen-Sounds völlig abzuschleifen. Wohl wahr, daß Glatzkopf Peter Garrett in der Ballade „One Country“ ungewohnt sanfte Töne anschlägt, daß Klavier und Synthesizer zusätzlich für ein weiches Klangpolster sorgen, daß sich romantische Background-Vocals zusammen mit süffigen Streichern zu einem patriotischen Finale steigern. Aber alle diese Elemente gab es – zumindest ansatzweise – auch schon auf DIESEL AND DUST. Und neben der Lagerfeuer-Romantik von Songs wie „Antarctica“, „0ne Country“ und „Mountains Of Burma“ steht weiterhin die harte, treibende Kraft, die man an Midnight Oil seit Jahren so schätzt: „King Of The Mountain“ und „Forgotten Years“ sind die schönsten Beispiele für die ungeminderte Vitalität der Band; die erste Single „Blue Sky Mine“ vermittelt mit ihrem vielschichtigen Arrangement zwischen den beiden Polen, zwischen Gefühl und Härte. – Keine Kompromisse kennen die Australier nach wie vor in ihren Texten, in denen sie gegen den Raubbau an der Umwelt ins Feld ziehen. „Blue Sky Mine“ beispielsweise berichtet von den gesundheitlichen Spätfolgen des Bergbaus; „One Country“ warnt allgemein vor der Zerstörung der australischen Umwelt.

So zeigt sich das ganz spezielle Können von Midnight Oil auf BLUE SKY MINING brillanter als je zuvor: Die fünf Musiker kleiden politisches Bewußtsein in harte Rock-Sounds und verzieren das Ganze mit eingängigen, melodischen Gesangslinien. Und Peter Garrett wird als Sänger immer besser.

LIEBE ZUM LAND

Sänger Peter Garren über das Konzept von Midnight Oil:

„Mehr als je zuvor versuchen wir auf BLUE SKY MINING, unsere echte liebe zum Land auszudrücken, in dem wir aufwuchsen. Und unsere Verehrung für die spirituellen und natürlichen Charakterzüge Australiens, die man nur aufgreift, wenn man wie wir ausgiebig durch den fünften Kontinent gereist ist: die riesigen Entfernungen, die trockene Hitze, der rote Dreck, die faszinierenden Gebirgsketten. Und mitten drin die 40 000 Jahre alte Kultur der Aborigines, der Ureinwohner.“

„Als Band mußt du heutzutage ein bißchen mehr bringen, als nur über deine Fantasien zu schreiben. Schlagworte wie Freiheit, Rebellion und Nihilismus, mit denen Elvis Presley, die Rolling Stones und die Sex Pistols sich manifestierten, sind nicht mehr relevant. Wir leben in einer höchst komplexen Gesellschaft, die Gefahr läuft, sich selbst vom Antlitz dieser Erde auszuradieren – da bleibt keine Zeit mehr für Nihilismus.“

„Die Pistols und The Clash starteten im 100 Club, die Stones und The Who im Marquee – alle hatten sie einen bestimmten Club, von wo aus ihre Karriere begann. Aber in England handelt es sich dabei immer um die gleichen drei oder vier berühmten Namen, um eine Handvoll Gigs. Jede australische Band hingegen kommt aus einem eigenen, speziellen Pub, wo sie sich entwickelt hat. Jeder Musiker erinnert sich an dieses Pub, und das bedeutet viel mehr als bloß eine sentimentale Erinnerung.“

„Wir planen nicht alle unsere Schritte im voraus und verfolgen keine festgelegte Erfolgsstrategie. Man muß immer nur die Songs schreiben, die man im Kopf hat. Wenn sie dir später noch gefallen, mußt du sie aufnehmen, auch wenn sie eigentlich gar nicht zu dem passen, was du vorher getan hast. Du mußt deinen Instinkten vertrauen. So funktioniert Midnight Oil.“

KEINE KOMPROMISSE

„Von Anfang an beschlossen wir, nie Kompromisse zu schließen. Die Plattenfirmen mußten uns schließlich so nehmen, wie wir sind.“ Unter diesem Motto formierte sich Midnight Oil 1976 in einem Pub in Sydney. Die Band tingelte gut zwei Jahre lang durch die Kneipenszene, bevor 1978 das erste Album MIDNIGHT OIL erschien. Es vermittelte lediglich ein schwaches Bild von der Live-Power des Quintetts, in der sich Punk-Thrash und melodischer Gitarrenrock mischten. Auch das zweite Album HEAD INJURIES klang dünn und schwachbrüstig.

Trotz der legendären Live-Shows von Midnight Oil und ihrer vielgepriesenen politischen Songlyrik verkauften sich auch Album Nummer drei – PLACE WITHOUT A POSTCARD und eine EP mit dem Titel BIRD NOISES nur mäßig.

Die Wende kam schließlich Ende 1982 mit 10, 9, 8,7, 6, 5,4, 3, 2, 1, dem vierten Album, das als erstes weltweit veröffentlicht wurde. Produziert von Nick Launay, der vorher mit Public Image Limited gearbeitet hatte, vermittelte diese LP endlich einen adäquaten Eindruck von der Live-Energie der Band, in der neben dem 190 Zentimeter großen, glatzköpfigen Sänger Peter Garren der Schlagzeuger Bob Hirst, der Bassist Peter Gifford und die beiden Gitarristen Martin Rotsey und James Moginie den Ton angeben.

Das ökologische und politische Engagement der fünf führte dazu, daß sich Peter Garrett 1984 als Kandidat der Nuclear Disarmament Party für die Senatswahlen nominieren ließ. Er verfehlte die nötige Stimmenzahl nur knapp. Nach dem nicht ganz so erfolgreichen Album RED SAILS IN THE SUNSET (1984) legte Midnight Oil eine längere kreative Pause ein. Anfang 1988 erschien dann das Album DIESEL AND DUST, das der Gruppe mit „Beds Are Burning“ einen internationalen Hit und bleibende Anerkennung bescherte.