Moonage Daydream

„The Life and Times of Ziggy Stardust – Bowie als und (ein bißchen) über seine klassische Kunstfigur.

Das Rollenspiel war in der „klassischen“ Ära der Rockmusik nicht eben hoch angesehen: Erdig, echt, ehrlich hatte er zu sein, der Star, und wenn er diamantbeh angen, strahlend und vollgedröhnt hinauffuhr in den Pop-Himmel, dann doch immer als er selbst – Lennon war Lennon, Joplin war Joplin, Hendrix, Morrison, Dylan … selbst Marc Bolan hatte, als er den Glamrock „erfand“, in Sachen Identitätsschwurbel kaum mehr als einen Künstlernamen, ein bißchen Make-up und femininoide Posen aufzubieten. Sein Freund und Geistesgenosse David Bowie erkannte die Beschränkungen, die ihm die Pop welt von 1971 setzte, wohl auch deshalb, weil sie ihn wie kaum jemanden sonst bremsten: Sein Traum vom überirdischen Superstar, der kometenhaft aus dem Nichts explodierte und alles überstrahlte, scheiterte jahrelang an Holzbühnen, Biertresen, klapprigen Bussen, verschrammten Akustikgitarren, Jeans, ungewaschenen Matten und weltumgreifender Ignoranz für Glanz und Schein. Also erfand er sich seinen Star selbst und stellte ihn dar- so überzeugend, daß aus Ziggy Stardust David Bowie wurde und umgekehrt und am 3. Juli 1973 nicht nur das Publikum im Londoner Hammersmith Odeon glaubte, da habe sich nicht die Kunstfigur für immer von der Bühne verabschiedet, sondern Bowie selbst. Schön, das alles – die Zeit, die Farben, die Gesichter, die Posen – mal wiederzusehen, noch dazu in so geballter Form. Leider hat auch das riesige Archiv des Glam-Hausphotographen Mick Rock seine Grenzen: Ein nicht geringerTeil der Bilder ist höchstens von dokumentarischem Wert, einige nahe an der Grenze zur Denunziation. Schade auch, daß sich die Ausführungen von Bowie größtenteils auf launige Kommentare zu den Bildern beschränken – man erfährt wenig über die Hintergründe und Zusammenhänge, die Geschichte bleibt fragmentarisch und höchstens oberflächlich zugänglich, zumal die Übersetzung so unter aller Sau ist, daß manche Sätze erst dann ungefähr verständlich werden, wenn man sie versuchsweise ins Englische zurückübersetzt. Daß Ziggy auch mal „Ziggi“ heißt (S. 38) stört da schon gar nicht mehr. Hübsches Buch, aber schade drum.

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