Pretenders – Pretenders

Es ist nicht einfach, ein so hochgelobtes Debutalbum noch objektiv zu beurteilen. Ich gestehe, meine Einstellung zu der PRETENDERS-LP ändert sich oft stündlich – was grundsätzlich schon mal eine gewisse Qualität voraussetzt. Auch stört mich zum Beispiel der Vorwurf, die Band habe ihre drei Singles „Stop Your Sobbing“, „Kid“ und „Brass In Pocket“ plus zweier B-Seiten aufs Album gepackt, nicht sonderlich. Da könnte ich eine ganze Liste anderer Newcomer-Erstlinge mit gleichem Repertoire-Prinzip aufzählen. Auch stört mich nicht das Stilgemisch aus 20 Jahren Rockmusik, von Hard Rock bis Teenager-Geigenhimmel. Nein, was mich wirklich nachdenklich macht, ist das kaum angreifbare Mittelmaß, die reibungslose Kommerzialität einer Band, die, im Gegensatz etwa zu The Knack, fast als Kult-Gruppe gehandelt wird. Also entweder oder Farbe bekennen! Und wie so manche Platte, die in letzter Zeit meine Ohren erreichte, scheint auch die Pretenders-LP und die Begeisterung dafür wie eine Überreaktion auf die radikale, komplizierte, abenteuerliche New Wave-Bewegung. So, als würden die Leute sagen: na gottseidank, die Lage normalisiert sich wieder. Dies nur zur Standortbestimmung. Was die Essenz der LP angeht, so gibt es neben den drei erwähnten Singles und der einen B-Seite, „The Wait“, noch drei unter den verbliebenen acht Stücken, die ich wirklich gelungen finde – was ja für ein Debut-Album kein schlechter Schnitt ist, es allerdings auch nicht zu einem Meilenstein befördert. Vor allem, weil dies ausschließlich der Verdienst von Sängerin Chrissie Hynde und ihrer direkten Erotik, auch in den Texten, ist. Die Band, finde ich, ähnlich wie bei Nina Hagen, Patti Smith u.a., nicht gerade originell oder versiert. Die wenigsten Probleme, mitzuhalten, haben sie bei dem reinen Rock’n’Roll-Aufmacher „Precious“. Aber schon „Up The Neck“ und „Private Life“ wäxen ohne Chrissies Stimme Langweiler. Völlig für die Katz „Phone Call“, auf dem man alle Chancen verspielt, indem man Chrissies Gesang mit Velvet Underground-ähnlichem Sprechchören zukleistert. Die stärkste Wirkung haben die Pretenders auf mich in einem Club, wenn man dazu tanzen kann. Nicht mehr und nicht weniger sollte man in sie hineinorakeln.