Scott Walker

The Childhood Of A Leader OST

4AD/Beggars/Indigo

Sonic Fiction: wohl kalkulierte Zumutungen für Orchester und Drohnen.

SGT. PEPPER’S… erhob diesen Moment vor dem fiktiven Konzert zur Kunst – erst hörten wir das Publikum, dann die Orchestermitglieder, die ihre Instrumente stimmten. Bei Scott Walker wird kein Konzertabend geboten, aber er hat seinem Soundtrack ein Stück mit dem Titel „Orchestral Tuning“ vorangestellt, dieser ist nur 20 Sekunden lang und schenkt den Aufnahmen eine Ordnung. Darauf folgt das „Opening“: ein Mikro-Drama für ein 62-köpfiges Orchester, das zum „Finale“ 15 Stücke später unter stumpfem Industrial-Gebummer in jene Regionen fährt, die Walker so eindrucksvoll markiert hat – kalte Klangräume der Verzweiflung.

Was hätte der Künstler nach der Zusammenarbeit mit Sunn O))) zur (lieb gewonnenen) Irritation des Publikums aufbieten sollen, einen weiteren musikalischen Gewaltakt, mit dem er sich aus seiner Eremitage meldet? Für ein neues Soloalbum „nur“ vier Jahre nach BISH BOSCH war es zu früh. So steht der Soundtrack für „The Childhood Of A Leader“, Regiedebüt des Schauspielers Brady Corbet, jetzt wie ein Zwischenstück im Raum, von dem man nicht genau weiß, was es gerade über Walkers Pläne und Entwicklungen verrät.

Im Zweifelsfall wenig, seine erste Soundtrackarbeit seit POLA X (1999) nimmt erprobte Elemente aus seinem Schaffen mit: die Zeitlupen-Synthie-Drohnen-Sounds („Dream Sequence“) etwa und den orchestrierten Geräuschparcours, auf dem man nur Walkers zum Kunstheulen mutierten Bariton vermisst („On The Way To The Meeting“). Vielleicht bot der Film, der das Aufkommen des Faschismus im 20. Jahrhundert entlang einer Kurzgeschichte von Sartre erzählt, auch das herausfordernd schwere Feld, auf dem Scott Walker seine Sonic Fiction aktuell erproben konnte – seine Zumutungen im Nirgendwo zwischen U und E.