Wunderkinds Debüt :: I Killed My Mother

Kool Film

Die perfekt inszenierte Hassliebe. Hier sitzen die Charaktere, die Szenerien, die ganze wunderbar hysterische Welt.

„Koriander gibt dem Rührei einen internationalen Touch“, findet Huberts Mutter. Mit solchen Aussagen – sowie ihrem Faible für Kitsch, ihren modischen Geschmacklosigkeiten und ihrer unerträglichen Radiosender-Wahl im Auto – bringt die alleinerziehende Chantal ihren Sohn zur Weißglut. Der überhebliche 17-Jährige, mitten in der Pubertät und nach eigener Auffassung verkanntes Genie, kann sich keine schlimmere Mutter vorstellen. Und so erklärt er sie an seiner Schule kurzerhand für tot. Wer mag, kann sich das daraus resultierende Geschrei auf der DVD auch auf Französisch anhören – klingt irgendwie eleganter. Die bittersüße Komödie mit jeder Menge Drama ist halb autobiografisch: Xavier Dolan, Regisseur, Hauptdarsteller, Produzent, Drehbuchautor und Art Director, porträtiert in seinem Debütfilm eine komplizierte Mutter-Sohn-Beziehung und die Tücken des Erwachsenwerdens. Der 22-jährige Frankokanadier wird längst als Wunderkind gehypt. Die Low-Budget-Produktion räumte 2009 in einer Nebenreihe der Filmfestspiele in Cannes drei Preise ab und wurde als kanadischer Oscar-Beitrag ausgewählt. Die Hysterie ist berechtigt, denn mit seinem Erstlingswerk gelingt dem Jungtalent eine witzige und kluge Coming-Of-Age-Geschichte, die ganz nebenbei von einem Coming Out erzählt. Völlig unprätentiös und ohne Pathos thematisiert Dolan seine Homosexualität. Scheinbar intuitiv macht der Schulabbrecher alles richtig: Er zeichnet glaubwürdige Charaktere, überzeugt mit einem Händchen für Szenerien und weiß Slow-Motion-Effekte geschickt einzusetzen. Die DVD hätte vielleicht etwas opulenter ausfallen dürfen (Extras: Trailershow und Wendecover). Fest steht: Xavier Dolan kann was. Und während in deutschen Kinos vor Kurzem sein zweites Werk „Heartbeats“ anlief, dreht das Multitalent schon seinen nächsten Film. Renzo Wellinger