Sade


Hamburg, Musikhalle

Kaum wurde sie in Großbritannien zum Überraschungsrenner der Saison, konnte sich Sade schon in der ausverkauften Londoner Royal Festival Hall feiern lassen, Und seit hierzulande kein Sender ohne das tägliche „Smooth Operator“, „Your Love Is King“-Pensum auskommen mag, kann von einem Geheimtip keine Rede mehr sein.

Viel Rummel um eine Sängerin und ihre Band, die auch live beweisen, daß sie ihn ohne Abstriche verdienen. Fast die gesamte LP-Besetzung (inklusive Bläsern und Congas) war auf der dezent gestylten Bühne angetreten.

Ruhig im Mittelpunkt des Interesses: Mit elegant fließenden Armbewegungen unterstreicht die Diva des kühlen Souljazz, was sie locker und souverän singt. Wozu das pseudosinnliche Vokabular einschlägiger Schilderungen (brauner Rücken, Mund wie eine Fleischwunde, Stoßstangenlippen) – jeder weiß, daß das Ex-Modell Sade Adu toll aussieht. Wichtiger noch: Sie hat Charisma, Ausstrahlung, Zauber, kann ihr junges Publikum um den Finger wickeln, ohne auftrumpfen zu müssen.

Lohnt es sich, fast alle Titel der DIAMOND LIFE-LP im Konzert zu hören? Es ist ein ungetrübtes Vergnügen! Die Songs sind einfach unwiderstehlich gut. Da genügt ein Intro mit den charakteristisch trägen Conga-Achteln. um Hochstimmung zu provozieren. Und „Sally“ zum Beispiel, mit gestopfter Trompete und Sade als Erzählerin einer sehr persönlichen Geschichte, gewinnt sogar noch an Dramatik. Selten hat ein angenehm leises Konzert die Wogen so hoch schlagen lassen.

Stuart Matthewman mag kein begnadeter Saxophon-Improvisator sein, aber er weiß mit begrenzten Mitteln zu wuchern.

Nach einem mäßig aufregenden Latin-Funk-Instrurriental tobt das in Sachen Jazz nicht verwöhnte Auditorium. Zwei neuere Songs, fast schon klassische Jazzballaden, bei denen Sade ihr „From a whisperto a scream“-Spektrum voll ausreizt, könnten erste Antwort sein auf eine bange Frage: Was tun die Senkrechtstarter, wenn das „Diamond Life“ definitiv ausgereizt ist?

Noch kann davon keine Rede sein. Nach zwei Zugaben hatten die 2000 Zuschauer in der altehrwürdigen Halle immer noch nicht genug, flehten die Verlängerung herbei und bejubelten eine vom knappen Repertoire diktierte Wiederholung: „Your Love Is King“.