Konzertbericht

Schmyt live in Potsdam: „Wenn man’s fühlt, ist es wurscht, was man singt“


Bei Dauerregen schafft Schmyt eine melancholische Stimmung, die er aber immer wieder mit Plauderlaune zu brechen weiß.

Dunkelgraue Wolken bedecken am Dienstag (29. August) den Himmel über Potsdam. Später am Abend werden sie noch ausbrechen. Zu kaum einen anderen würde dieses düstere und melancholische Wetter besser passen als zu dem selbst betitelten „traurigen Jungen“ Schmyt, der sich Potsdam ausgesucht hat, um dort im Waschhaus vor 3.800 Menschen Open Air aufzutreten. Wir waren dabei.

Stimmungsaufhellender Support

Regenponchos, Baseball Caps und Kapuzenpullover verstecken die bunt glitzernden Gesichter der Fans, die wohl gedanklich noch im Festival-Sommer verweilen. Die Schmyt-Anhänger:innen scheinen ihre Stimmung nicht vom Wetter abhängig zu machen. Das zeigt sich bereits als der Support-Act WizTheMc die Bühne betritt. Der Rapper und Sänger bildet einen drastischen, aber perfekt ausgleichenden Kontrast zu der bevorstehenden Show. WizTheMc nimmt die Bühne ganz für sich ein und schafft augenblicklich eine aufhellende Stimmung. Dabei schwingen die Fransen seiner Lederhose energisch im Takt. Während er Songs wie „For A Minute“ und „All My Friends Are Stoned“ performt, lässt er die Menschen in der Crowd vergessen, dass sie nicht nur für ihn da sind. Ein guter Einstand für einen noch besseren Höhepunkt des Abends …

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Schmerzvolle Zeilen in stimmungsvoller Atmosphäre

Spätestens als blaues Licht das Bühnenbild weiter erhellt, das aus einer schwarz-weißen Augen-Skizze besteht, wird das Publikum an den Star der Stunde erinnert. Und schon stimmt Schmyt seinen ersten Song des Abends an, „Liebe verloren“. Der Sänger steht eng am Mikro, seine blonden Wuschelhaare fallen ihm tief ins Gesicht und verdecken die hellblauen Augen. Die Stimme unterscheidet sich bei seiner intensiven Performance kaum von den Studioaufnahmen. Die Melancholie des Liedes reißt die Menschen umgehend in ihren Bann und die schmerzvollen Zeilen wie „Ich glaub, ich hab heute Morgen meine Liebe verlor’n / So wie Pappbecher auf Partys, wie eine Wette um gar nichts“ werden von vielen in den Nachthimmel geschrien – ob sie den Herzschmerz nun aktuell selbst fühlen oder nicht.

Neben den Balladen, gibt es im Laufe des Konzerts aber auch jede Menge Songs zum Wild-Drauflos-Tanzen – auch wenn das bei seinen Gigs ein rares Gut ist, wie Schmyt selbst vorwarnt. Damit meint er etwa das Stück „Medusa“ seines aktuellen Albums UNIVERSUM REGELT, das Feature mit Cro „Alles anders (weniger im Arsch)“ und auch den Song „100 Euro“ seiner ersten EP GIFT, der für den Abend überraschenderweise mit der The-Weeknd-Single „Blinding Lights“ geremixt wurde. Die 80er-Jahre-Sounds bringen die Menge zum XL-Springen. Dabei wechseln die Bühnenlichter von Grün auf Rot auf Blau …

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Schmyt in Plauderlaune

Zwischen seinen Songs ist Schmyt in Plauderlaune. Ab und zu erzählt er in seiner tiefen Sprechstimme Anekdoten über die Entstehung verschiedener Lieder. So inspirierte ihn zu seinem Song „Abendkleider und Nadelstreifen“ die zufällige Beobachtung eines außerordentlich gelangweilten Paares in dem italienischen Ristorante Fontana in Berlin Zehlendorf. Mit der Zeile „Am selben Tisch, aber ein’n Planeten weit weg“, beschreibt der Sänger die leere und leidenschaftslose Stimmung der beiden Besucher:innen. Die scherzhafte Art legt Schmyt das ganze Konzert über nicht ab. Mal feiert er seinen pfälzischen Techniker Andi, der ihm eine schützende Plastikhandtasche für sein Effektgeräte gebastelt hat, mit Harmonizer-Shoutout. Mal macht sich der Sänger – dem oft vorgehalten wird seine Texte zu undeutlich zu singen – über sein eigenes Nuscheln bei den Schlusszeilen von „Buddy Holly“ lustig: „Ich weiß selbst nicht mehr, was ich da sage. Aber wenn man es fühlt, ist es doch wurscht, was man singt!“

Bevor allerdings zu viel sorglose Stimmung aufkommen kann, holt Schmyt seine Zuschauer:innen zurück in seine charakteristische Melancholie. „Wir machen keine Scherze mehr, wir sind tieftraurig“, legt der Sänger ironisch fest und spielt dabei auf das Thema an, das sich durch so viele seiner Tracks zieht – das Leid. Die ersten Töne von „Mach kaputt“ erklingen, ein Feature das er 2022 mit dem deutschen Rapper OG Keemo veröffentlichte. Der Regen prasselt nun in Strömen vom Himmel und kreiert eine beinahe epische Weltuntergangsstimmung. Die Haare der Zuschauer:innen schmiegen sich klatschnass um deren Gesichtszüge, das Make-up ist verschmiert. Alle schreien den Text mit: „Letzte Kippe, erstes Licht / Träume platzen, Zeug zerbricht / Mach kaputt, behalte nichts / Papa wäre stolz auf mich“. Das eigentliche Finale muss natürlich ein weiteres intensiv emotionales Lied darstellen: „Ich wünschte, du wärst verloren“ – der erste Song auf Schmyts 2022er Album UNIVERSUM REGELT. Dann verschwindet der Musiker hinter der Bühne. Aber nur für kurze Zeit.

Dauerregen = jetzt auch egal

Beim rhythmischen Klatschen spritzt das Wasser zwischen den Händen der Menschenmengen. Der Sänger kann natürlich nicht anders als der triefend nassen Crowd ein Encore zu schenken. Mit dem RIN-Feature „Gift“ und dem Song „Keiner von den Quarterbacks“ trifft Schmyt nochmal ins Schwarze. Seine letzte Zeile für den Abend ist: „Ich bin morgen nicht mehr hier“. Stimmt. Schmyt verabschiedet sich erst einmal von allen Bühnen, um neue Musik zu schaffen. Und die Fans? Die machen sich auf den Heimweg – vielleicht mit einer Lungenentzündung, aber dennoch mit quasi-überschwappenden Herzen.

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