Listening Guide

Sleep Token: Eine neue Art, den Schmerz zu lindern (Listening Guide)


Kennt ihr Sleep Token? Wir stellen den britischen Act anhand der wichtigsten Tracks einmal genauer vor.

Seit Beginn des Jahres erobert Sleep Token die Metal-Szene wie im Sturm. Bereits seit 2016 macht das anonyme Kollektiv Musik, doch erst mit „The Summoning“ gelang ihnen im Februar ein größerer Durchbruch. Neben einem überraschend vielseitigen Sound ist jedoch auch das enigmatische Bühnenauftreten der vierköpfigen Gruppe Teil des Reizes. So tragen sie allesamt Masken, die mit dem Bandlogo versehen sind, und bedecken sichtbare Hautstellen mit schwarzer — oder gelegentlich roter — Farbe. Auch Namen hinterlassen sie nicht. Bekannt sind sie nur unter Pseudonymen: Frontmann „Vessel“, „II“ an den Drums, „III“ am Bass und „IV“ an der Gitarre.

Doch obwohl man die Musik und das Kult-ähnliche Auftreten durchaus auch oberflächlich genießen kann, lohnt sich ein tieferer Blick in Sleep Tokens Diskographie, denn jeder Song verbirgt eine Geschichte von tiefgreifender Emotion. So führt Vessel die Zuhörenden durch (s)eine Geschichte der Liebe, des Schmerzes und der Heilung — alles im Dienste der Gottheit „Sleep“.

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Interpretation ist alles

Doch was genau ist die Geschichte? In Vessels eigenen Worten: „Vessel begegnete Sleep in einem Traum, in dem ihm Ruhm und Pracht versprochen wurde, wenn er ihm nur folgt. […] Unsere Verse sind ein Zeichen, das die Vielzahl von Emotionen, die sich in unserem Unterbewusstsein winden, vergrößern und verkörpern soll. Klanglich ist unsere Stimme in der Resonanz zwischen den Noten und deinen Gefühlen verwurzelt. Nimm unsere Hand.“

Aber alles ist das dennoch nicht. Das Konzept hinter der Band basiert auf Interpretation — und kann somit zu einer unfassbar persönlichen Erfahrung werden.

Einige Dinge sind klar: Vessel erlebte in der Vergangenheit schwierige Zeiten, eine missbräuchliche Beziehung und daraufhin auch schwierige, psychische Zustände und findet sich nun in einer ähnlich verheerenden Beziehung mit seiner Gottheit wieder. Die Lieder sind jedoch mehrdeutig. Ob sie von einer ehemaligen Geliebten oder doch von Sleep handeln, basiert darauf, wie man die Texte interpretiert. Auch kann es wirken, als würde Sleep durch Vessel mit dem Zuhörenden sprechen.

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Eine Einladung zum Heilen

Die Geschichte wird zu dem, was man daraus macht. Doch zentral ist eigentlich nur dies: Vessel lädt dazu ein, den eigenen Schmerz auf ihn zu projizieren und durch ihn zu heilen.

Wie es in them Musikvideo für „Fall For Me“ heißt: „Die Wahrheit ist, dass ich es will, leben zu wollen. Und das willst du auch. […] Ich möchte verstehen, was es heißt, loszulassen. Also lass‘ mich für den Moment als lebendes Drama deines Schmerzes dienen. Wenn wir untertauchen sollen, dann lass‘ uns gemeinsam untertauchen.“

Nehmt also die Hand von Vessel und lasst euch von ihm durch einen Prozess der Heilung und des Loslassens führen.

Lesehinweis: Aufgrund des Konzeptes der Band, ist es unvermeidlich, dass persönliche Interpretationen der Autorin in den folgenden Text mit einfließen.

Weitere Warnung: Der folgende Text thematisiert Suizid, Selbstverletzung, körperlichen und emotionalen Missbrauch.

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1. „Fall For Me“

Voller Verlangen und Unsicherheit ist „Fall For Me“ eine Bitte, geliebt zu werden. Die Liebe, um die Vessel fleht, soll die Härten des Lebens überwinden, während er versucht, seine Vergangenheit loszulassen. Auch offenbart er seine inneren Unsicherheiten und seine unbeständige Selbstwahrnehmung.

Lyrics: „In a city of ice there are burning cathedrals / Turning the skies into glass / And through echoing futures, and the buckling sutures / That hold shut the wounds of the past / So won’t you fall for me? / Won’t you fall for me? / Through a fractured existence / Won’t you fall for me?“

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2. „Granite“

Einer der Tracks, der die Natur einer komplizierten, toxischen Beziehung nicht hinter Metaphern versteckt. Auch ist eine gewisse Wut im Text verborgen. Vessel beschreibt Situationen, die emotional und körperlich belastend klingen — doch stellt sich selbst nicht als der Gute dar. Stattdessen gibt er einen gewissen Grad der Mitschuld zu.

Lyrics: „When you sit there / Acting like you know me / Acting like you only brought me here to get below me / Never mind the death threats / Parting at the door / We’d rather be six feet under than be lonely“

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3. „Are You Really Okay?“

„Are You Really Okay?“ ist ein ergreifendes Plädoyer gegen Selbstmord. Er beschreibt das Verlangen der Person, die er liebt, vor der Dunkelheit ihrer Psyche zu schützen und ihr zu helfen, ohne zu wissen, wie er dies erreichen kann. Doch der Text in der zweiten Person könnte fast so wirken, als würde Vessel mit dem Zuhörer:innen sprechen.

Lyrics: You woke me up one night / Dripping crimson on the carpet / I saw it in your eyes / Cutting deeper than the scars could run / And don’t you know / I can see it in you even now? / And don’t you know? / I want to help you but I don’t know how

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4. „The Love You Want“

Ein Track über unerwiderte Liebe. Vessel beschreibt eine Person, die sich stets in neue Beziehungen begibt, die er für ungut hält. Ob es sich um eine Freundschaft oder eine Ex dreht, ist unklar. Vessel ist jedoch überzeugt, dass er derjenige ist, der die Liebe hat, die diese Person wirklich verlangt. Zu einem gewissen Grad ist dieser Song aufdringlich und anmaßend, doch zeigt er wie tief Vessels Gefühle für die Person, die er liebt, gehen.

Lyrics: „Seems your heart is locked up / And I still get the combination wrong / Or are you simply waiting to save your lovefor someone I am not? / Too many swallowed keys / Will make you bleed internally someday, oh / Maybe, you believe that in the end / You will be better off that way?“

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5. „Atlantic“

„Atlantic“ ist ein metapherngeladener Song über einen Suizidversuch. Es ist der erste Track auf THIS PLACE WILL BECOME YOUR TOMB – ein Album, welches sich künstlerisch an den Tiefen des Meeres bedient. So handelt „Atlantic“ zwar von Selbstverletzung, beschreibt diese jedoch mit Worten, die Bezug auf den Ozean nehmen.

Lyrics: „I woke up surrounded, eyes like frozen planets / Just orbiting the vacuum I am / They talk me through the damage, consequence / And how it’s a pain they know they don’t understand“

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6. „Jericho“

Dieser Track wird von einigen als Beginn der Geschichte um Vessel und seine Gottheit angesehen. Mit Zeilen wie „Until I awake I dine on old encounters“, kann es wirken, als würde Sleep in „Jericho“ nach einem neuen Wirt suchen, während er sich an vergangene Zeiten erinnert.

Lyrics: „There’s something in the way you lay / Enough to make the dead switch graves / You take your leave / You taste like new flesh“

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7. „The Offering“

„The Offering“ ist vermutlich einer der wenigen Tracks, in denen man leicht hineininterpretieren kann, dass er von Sleep handelt. Vessel fragt ein nicht spezifiertes „du“, einen Bissen — einen Teil — von ihm zu nehmen. Die Gabe, die im Titel erwähnt wird, ist er selbst.

Lyrics: „This is a giving, an offering / In your favour, a sacrifice in your name / But I know you’ve got a taste / So just take a bite of me“

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8. „Higher“

Auch „Higher“ erlaubt die Interpretation, dass der Song von Sleep handelt. Es wirkt fast, als würde Sleep durch Vessel sprechen, und ihn bedrohen. Die Liebe, die er seiner Gottheit gibt, wird von ebendieser gegen ihn verwendet, doch entziehen beide der Wut und dem Kampf, in dem sie sich wiederfinden, eine gewisse Euphorie, die dazu führt, dass sie stets zueinander zurückkehren.

Lyrics: „’Cause I look for scarlet / And you look for ultraviolet /And we are exhausted by all this pretending / We just can’t resist the violence / And you need a melody / I only need the silence / But each time we battle / The blood and the fury takes / Us a little higher“

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9. „The Apparition“

„The Apparition“ handelt von Vessels Versuchen, seine Vergangenheit loszulassen. Diese kehrt jedoch stets wie eine Erscheinung zurück und hinterlässt in ihm Gefühle der Verwirrtheit und Unsicherheit.

Lyrics: „Why are you never real? / Whenever you appear / You leave me with that grace / I am trembling with fear / But I know that you will disappear / Just as I awake / Whisper in my ear“

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10. „The Night Does Not Belong To God“

„The Night Does Not Belong To God“ ist der erste Track auf Sleep Tokens Debütalbum SUNDOWNING. Somit öffnet er die Trilogie, die dieses Jahr mit TAKE ME BACK TO EDEN abgeschlossen wurde. Es ist schwierig, diesen Song zu interpretieren, doch scheint er von einer Liebe zu handeln, die nur dann real ist, sobald die Sonne untergeht. So bittet Vessel darum, dass er wenigstens die Nacht mit dem unbekannten „du“ verbringen mag, bevor er sie wieder verliert.

Lyrics: „The whites of your eyes / Turn black in the lowlight  / In turning divine / We tangle endlessly / Like lovers entwined / I know for the last time / You will not be mine / So give me the night, the night, the night“

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11. „DYWTYLM“

Der Titel steht als Akronym für „Do You Wish That You Loved Me“. Es ist leicht zu interpretieren, dass die Frage an eine Geliebte gestellt wird, doch wirkt der Track beim genauen Zuhören eher wie ein Song über Selbstliebe. Vessel stellt sich selbst die Frage, ob er sich wünscht, dass er sich selbst lieben würde, oder ob er besessen von seinem Elend ist.

Lyrics: „And my reflection just won’t smile back at me like I know it should / And I would turn into a stranger in an instant if I could / And there is something eating me alive, I don’t know what it is / Maybe not that you conceal your feelings, they just don’t exist“

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12. „Ascensionism“

Wie alle Songs der Diskographie, kann „Ascensionism“ viele Bedeutungen haben. Zum einen kann es von Vessels tatsächlichem Aufstieg als Sleeps Wirt handeln, doch scheint es vor allem um dunkle Begierden zu gehen, mit denen der Sänger selbst zu kämpfen hat. Erneut ist die Liebe, die er beschreibt, nicht gesund, doch scheint er angetan von einigen Aspekten der toxischen Dynamik zwischen ihm und seiner Partnerin.

Lyrics: And I know what you want from me / You want the same as me / My redemption, eternal ascension / Setting me free / So I’ll take what I want then leave

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13. „Missing Limbs“

„Missing Limbs“ ist womöglich der ruhigste Song der Diskographie. Vessel gibt erneut Mitschuld zu, an den Fehlern, die in der Beziehung vorgefallen sind, während er anerkennt, dass seine Geliebte ebenfalls an schwierigen Zeiten gelitten hat. Lediglich von einer akustischen Gitarre begleitet, fühlt sich dieser Track ehrlich und reuevoll an.

Lyrics: „Just let me know / If nowadays, the outer rounds of heaven don’t / Keep up on the charm offensive anymore / Failing to remind you what you’re living for / And I’d give anything to borrow your indifference / I’d drink you in / To temper your belief in all my promises / To swallow my desire and choke on it“

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14. „Take Me Back To Eden“

Der Titelsong von Sleep Tokens 2023er Album handelt von dem Verlangen, in die frühen Phasen einer Beziehung zurückzukehren – zu einer Zeit, als noch nichts Negatives zwischen dem Paar vorgefallen ist. Er möchte zurück in das Paradies, das eine neue Liebe mit sich bringt. Doch zeigt er in der Bridge auch seine Bereitschaft loszulassen und das, was ihn plagt, zu überwinden.

Lyrics: „I guess it goes to show, does it not? / That we’ve no idea what we’ve got until we lose it / And no amount of love will keep it around / If we don’t choose it / And I don’t know what’s got its teeth in me / But I’m about to bite back in anger / No amount of self-sought fury / Will bring back the glory of innocence“

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15. „Euclid“

„Euclid“ ist der finale Track auf TAKE ME BACK TO EDEN und schließt als solcher die Trilogie ab, die 2019 mit SUNDOWNING begann. Voller Nostalgie und Restliebe für seine ehemalige Geliebte, erinnert sich Vessel an die besseren Zeiten, die sie gemeinsam hatten. Er scheint an einem Punkt des emotionalen Ausgleichs angekommen zu sein, an welchem er die Schmerzen zwar wahrnehmen kann, er jedoch nicht länger an ihnen festhält. Es ist kein Song des Vergebens, auch wenn er sich wünscht, dass sie sich nie so fühlen muss wie er sich fühlte. Es ist lediglich die Akzeptanz dessen, was passiert ist. Er hat losgelassen und kann nun fortgehen.

Lyrics: „Just running forward, a life like wires / As I see the past on an empty ceiling / I play along with the lies and anyway / But hope to God you don’t know this feeling / Yet in reverse, you were all my symmetry / A parallel I would lay my life on / So if your wings won’t find you Heaven / I will bring it down like an ancient bygone“

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