Stephen Bishob


Früher bot Stephen Bishop seine Dienste als Songwriter am schwarzen Brett einer Musikalienhandlung an. Als sogenannter Lohnschreiber lieferte er schließlich seine Lieder an einen Musikverlag. Hätte sich Art Garfunkel nicht entschlossen, zwei von Bish’s Songs für seine LP „Breakaway“ aufzunehmen…. wer weiß, ob Stephen dann so schnell mit einem As wie Eric Clapton im Studio gelandet wäre, um seine erste LP „Careless“ aufzunehmen. Das war 1976. Zwei Jahre und ein weiteres Album später traf Christian Stukenberg den Amerikaner jetzt in London bei den Aufzeichnungen zur a sitzt einer, der seinen Erfolg genießt. In vollen Zügen. Auch die kleinen Annehmlichkeiten, die dem frischgebackenen Star zu Teil werden: zum siebten Mal läßt er sich von Susan, der BBC-Hausfriseuse, die Locken anders föhnen. Mal will er sein Haar an den Seiten mehr anliegend, dann wieder locker, wie vom Winde verweht… Zwischendurch antwortet er auf meine Fragen. Ich bin nach London gekommen, um Stephen Bishop, Singer/Songwriter zu interviewen. Außerdem wollte ich ihn, dem der Ruf vorauseilt, eine ernstzunehmende Konkurrenz für Paul Simon, Art Garfunkel und James Taylor zu sein, live in der „Leo-Sayer-Show“ hören.

Der Föhn rauscht kräftig, während Stephen spricht. Wie fühlt man sich denn so, wenn man jahrelang Hits für andere Leute, für Barbara Streisand, Helen Reddy, die Four Tops, Art Garfunkel, geschrieben hat und nun selber im Rampenlicht steht? „Eigentlich kann man sich dann als Star fühlen, nicht wahr, aber ich glaub‘ nicht, daß ich wirklich einer bin oder werde. Ich bin zu faul für den Job. Wenn jemand was von mir will, ist mein erster Impuls, nein zu sagen. Ausgenommen vielleicht, es ist ein nettes Girl mit ’nem konkreten Anliegen. Ich bin ganz einfach zu normal, a regulär bum (schwer zu übersetzen), „einer der gern vorm TV hockt, mit netten Leuten essen und ins Kino geht.“

Ganz in weiß

Für harte Tournee-Arbeit und zielbewußte Imagepflege also ungeeignet, dieser Bishop?

Stephen ist eher bescheiden, was seinen noch jungen Erfolg angeht. Ganz anders seine höchstens 30 Lenze zählende Managerin, Trudy Green. Die stürmt in die Garderobe und ruft triumphierend: „ABC-Amerika erhält dauernd neue Bestellungen für dein Album, Stephen!“ Die sales-figures schnellen nach oben. Der zweite Anlauf beschleunigt sich immer mehr. Bishops erstes Album, „Careless“, vor eineinhalb Jahren veröffentlicht, war bereits bis Platz 34 der US-Charts vorgestoßen, die ausgekoppelte Single „On And On“ hatte sogar Platz 11 erreicht. Doch „Bish“ ist schon dabei, diese Starterfolge noch zu übertreffen.

Ein paar Treppen aufwärts liegt Studio 1. Die Atmosphäre ist beklemmend steril. Ein Regieassistent übt gerade auf- und abschwellenden Applaus mit dem Publikum. Leicht angestrengt machen die Leute mit. Sie haben schon viermal Leo Sayers „Long Tall Glasses“ mit Ballet-Einlage über sich ergehen lassen. Stephen wartet, das Orchester probiert schnell noch die Einsätze zu „Looking For The Right One“, dem Single-Titel von der neuen „Bish“-LP (siehe ME 11/78).

„Here s today’s guest, my friend Stephen Bishop,“ ruft der kleine Leo, und Kamerawagen und Scheinwerfer schwenken auf den Gitarristen, dem der Regisseur als erstes die Klampfe entwindet. Etwas unsicher, weil er jetzt nicht mehr weiß, wo er die Hände lassen soll, steht Bish vorm Mikro. „Sein weißer Anzug wirkt doch ziemlich übertrieben“, denke ich. „Much too pop-star-ish,“ bemerkt spitz eme junge Dame mit offenbar gleichartigen Modevorstellungen. Bish macht zwei Versuche,dann ist das Lied im Kasten, allerdings nur noch ein Verschnitt der LP-Fassung. Zwar stimmt die Besetzung des BBCeigenen Studio-Orchesters mit der originalen Begleitung einigermaßen überein, aber die Burschen spielen teilnahmslos und gleichgültig ihre Noten runter, wie eine Hofbräuhaus-Blaskapelle, die sich gegen BeDZahlung von einem bierseligen Gast dirigieren läßt. Stephen versucht zum Ausgleich noch ein bißchen mehr Schmelz in die Stimme zu legen. Zwecklos, der Song bleibt eine wiederbelebte Leiche. Verbeugung, Dankeschön, Abgang.

War’s das schon? Schade. Aber immerhin haben wir über eine halbe Stunde miteinander geplaudert. Wie war das eigentlich, als Stephen, kaum 18jährig, vor acht Jahren nach Los Angeles kam, in die Stadt, in; der noch immer Stars für die Schallplatte und den Film gemacht werden? „Mit vierzehn stand für mich fest, daß ich meine Brötchen mit Stückeschreiben verdienen wollte“, erzählt er. „Nach dem Collegeabschluß ging ich von San Diego nach L.A. Klinkenputzen. Von einer Schallplattenfirma zur anderen. Zwischendurch jobbte ich, als Parkwächter z.B. Oder verkaufte Lithographien von unbekannten jungen Künstlern auf der Straße. Ich war auch unbekannt. Kein Verlag interessierte sich für meine Songs. Waren wohl auch zu merkwürdig, meine Lieder. Bei „Wallachs Music City“ (ein Riesenladen für Instrumente, Verstärker etc., inzwischen geschlossen. Die Red.) hing ein Zettel von mir am Brett, auf dem ich meine Dienste als Songwriter anbot. Da kamen wirklich schräge Vögel an, die sich was komponierren lassen wollten. Einmal, das war so um 1971, kam ein Ex-Nazi zu mir. Der war voll umgeschwenkt, organisierte jetzt love-ins und love&peace, und war völlig abgefahren. Der hatte einen Text gegen den Vietnamkrieg verfaßt: „Goodbye, generals, goodbye, your time has come at last…. Ich schrieb ihm die Musik dafür, für 50 Dollar. Ich glaube, er hat’s dann nach Washington, an Richard Nixon geschickt.“

Patenonkel Art

Stephen arbeitete dann eme Weile als festangestellter Komponist für einen Musikverlag, die Morris Publishing Company. Kontakt zu den biggies der L.A.-Szene bekam er schließlich über Leah, die Ehefrau von Russ Kunkel, einem gefragten Sessionmusiker. Leah hatte ein Demo-Tape von Stephen mit zu einer Party von Art Garfunkel genommen. Das war 1975. Garfunkel nahm gerade sein Solo-Album „Breakaway“ auf. Zwei Kompositionen von Bish gefielen ihm so gut, daß er sie mit ins Repertoire nahm: „Looking For The Right One“ und „Same Old Tears On A New Background“, das war’s. „Art brachte mich mit Eric Clapton, Chaka Khan und Natalie Cole zusammen.“ Stephen ging ins Studio, um seine erste LP „Careless“ einzuspielen.

Kein Zufall ist es, daß Stephen Bishops Karriere unter der Patenschaft von Art Garfunkel begann. Die Stimmung seiner Lieder ist der Musik von Simon & Garfunkel eng verwandt. Auch Bishop erzählt gern kleine Geschichten – wie Szenen aus einem Drehbuch. In gleicher Manier wie Paul Simon bei „59th Street Bridge Song“ die Erlebnisse eines Liebespaares beim Sonntagsausflug in New York schildert, beschreibt Stephen in „Fool At Heart“ einen Jungen, der in einer Bar Liebeslieder vorträgt: „….and he’s singing of love real sweet, but he’s much too young to know what it means. It makes me smile, I wonder how he’ll feel, when he sings those songs for real….

Zuweilen bricht bei Stephen Bishop eine Liebe zu schwülstigen Arrangements durch. Ein bis zu fünfzig Köpfe zählendes Orchester fabriziert gelegentlich Klangmonumente, die an Filmmusik der vierziger Jahre erinnern. Auch das hat seinen Grund: Stephen träumt gerne von jenen Jahren, in denen die Traumfabrik Hollywood noch naiv-sentimentale Illusionen verkaufte. Er liebt Filme wie „It’s A Wonderful World“ oder „Stairway to Heaven“ mit Stars wie Joan Crawford, Jane Russell, Fred Astaire oder Ginger Rodgers. Unsere Zeit dagegen nennt er die „zynischen siebziger Jahre.“ Punk und New Wave sind ihm ein Greuel.

Während er das sagt, erinnert er mich ein bißchen an Moses, der sein Volk sicher durch die Flutwellen des Roten Meeres führt. Und ich muß auch daran denken, wie Cecil B. de Mille das mit Trick 17 in einer Bibelverfilmung in Szene gesetzt hat. Tatsächlich, mit seinem Gespür für wirkungsvoll inszenierte Romantik, mit seiner Schwäche für die bunten Seifenblasenträume Hollywoods, gleicht Stephen Bishop einem Film-Mogul, der angesichts der rührenden Szenen auf der Leinwand selbst das Taschentuch hervorholen muß, während die Dollars leise in der Kasse klingeln….