Taylor Swift „The End Of An Era“: Highlights und Unerwartetes aus Episoden 1 & 2
Taylor Swift erklärt in „The End Of An Era“, was Swifties eigentlich nicht sehen sollten: ihre Sorgen. Die ersten beiden Episoden der Disney+-Doku zeigen, wie sie für Fans stark blieb – trotz Terror und Trauma.
Taylor Swifts Doku-Serie auf Disney+ mit dem Titel „Taylor Swift: The Eras Tour – The End Of An Era“ ist das letzte Puzzlestück einer Konzert-Reihe, die sich in ihrer zweijährigen Laufzeit mit 149 Shows in 51 Ländern zu etwas Größerem als einer reinen Welttournee entwickelte. Sie soll laut eigenen Aussagen der Künstlerin als Schlusskapitel der kommerziell erfolgreichsten Konzerttournee der Welt dienen und einen Einblick hinter den Vorhang gewähren. „The End Of An Era“ ist Swifts Erklärversuch, wie aus einer bloßen Idee ein kulturelles Phänomen werden konnte, dessen Ausmaße keiner erahnen konnte – nicht einmal sie selbst.
Die Künstlerin bietet der Tour in den sechs Folgen – die seit Freitag, 12. Dezember, paarweise bis zum Ende des Jahres 2025 auf der Streamingplattform veröffentlicht werden – das letzte Mal eine Bühne.
Zutaten für das Erfolgsrezept der „The Eras“-Tour
Die ersten beiden Episoden „Willkommen zur Eras Tour“ und „Eras-Magie“ sind emotionsgeladen und bieten 85 Minuten lang intime Szenen in die Denkweise und Taylor Swift als Person – ein Einblick, den der Popstar sonst nur in Form von Songtexten, die sich wie Tagebuch-Einträge lesen, zulässt.
Die Erzählung der Serie beginnt mit einer Rede des Megastars, die sie an ihre Crew in den Katakomben des BC Place Stadiums in Vancouver, Kanada, richtete – 15 Minuten vor der finalen Show. Alle Anwesenden, auch Swift, waren sich der Bedeutung dieses Auftritts bewusst und deshalb den Tränen immer wieder ganz nahe. Ihr Monolog, bei dem sich Tänzer:innen, Bandmitglieder und ihre vier Background-Sängerinnen kreisförmig in den Armen lagen, gewährt eine Preview in die Themen, die die ersten beiden Folgen der Doku dominieren: starke Emotionen, ein starkes Mindset, harte Arbeit und Individualität.
Tektonische Platten und Willenskraft
In ihrer allerletzten Ansprache der Tour richtete sie folgende Worte an ihr Team: „Jeder von uns hat einen Beruf gewählt, von dem einem jeder kategorisch abrät. Man muss die Sache so sehr lieben, damit man es schafft, 85 bis 95 Prozent dieser Ratschläge zu überschreiben.“ Sie verdeutlichte mit ihrer Aussage, dass eine Tour dieser Größenordnung nicht ohne harte Arbeit existiere. Dabei verglich sie jedes Glied der Kette mit tektonischen Platten der Erde, die nicht, wie immer behauptet wird, wie Puzzleteile ineinanderfallen würden, sondern durch Millionen von Entscheidungen, Handlungen und Willenskraft geformt wurden, sodass eine Symbiose stattgefunden habe.
Bei den Leuten, die mit Swift auf der Bühne stehen, wird auf Vielfalt und Individualität gesetzt – damit sich das Publikum darin wiederfinden kann und sich bestärkt fühlt, vielleicht ebenfalls einen so unerreichbar erscheinenden Job wie ihren eines Tages ausüben zu können.
Und damit diese Symbiose passieren konnte, waren zwei volle Jahre Arbeit – unterteilt in unzählige Phasen überall auf der Welt – notwendig, und das gleichzeitig. Was bedeutete: Sporttraining der Künstlerin sechs Monate, bevor die Proben überhaupt starten konnten. Zeitgleich lernten die Tänzer:innen die Tanzschritte mit Choreografin Mandy Moore und Teamkapitänin Amanda Balen, während sich Set-Designer:innen um die Planung und Inszenierung der Bühnenbilder, -effekte und -elemente kümmerten – von den Kostümen mal ganz abgesehen.
Ein reibungsloser Ablauf gelang nur dann, wenn „man eine Entscheidung trifft und von dieser nie mehr abweicht“, verriet Swift während einer Proben-Sequenz. Jeder aus dem Team müsse sein Bestes geben, Abend für Abend – unabhängig davon, was im Privatleben zu dem jeweiligen Zeitpunkt vorgehen mag. Spontane Änderungen der Setlist inklusive, wie bei der kurzfristigen Aufnahme des Duetts „Florida“ mit Florence Welch beim letzten Londoner-Gig – von insgesamt acht Terminen als Überraschung für die Crowd. Florence + The Machine lernte kurz vor dem Auftritt zusammen mit Taylor und der Crew die Schritte für die dreieinhalbminütige Performance.
Der Song ist Teil des „The Tortured Poets Department“-Sets zum gleichnamigen Album, das Swift während der Tour schrieb und während der Tourpause zwischen Asien und Europa mit ihrem Team an einem geheimen Ort einstudierte – ein weiterer Überraschungsmoment. Diese zu kreieren, sei eine der Lieblingsbeschäftigungen der Sängerin, auch wenn sie aufgrund der Geheimhaltung laut eigener Aussagen sehr planungsintensiv seien – wie sie nun in der Doku preisgab.
Hier den Trailor der Doku-Serie anschauen:
Terror und Showgirl-Attitüde
Aber auch bei der besten Planung können Dinge geschehen, die man nicht vorhersehen kann und über die man keine Kontrolle hat – nicht einmal als Taylor Swift. Neben all den schönen, glitzernden Momenten, die die Tour ausmachten, sprach die 36-Jährige erstmals über zwei der dunkelsten Kapitel der „The Eras“-Tour. Die Rede ist von einer Messer-Attacke sowie Terrorgefahr im Europaabschnitt der Welttournee. Diese Szenen kamen besonders unerwartet – weil die Künstlerin über die beiden Vorfälle bisher vehementes Stillschweigen betrieb – sie sind aber für das Verständnis von Swifts Mindset ausschlaggebend.
Zum Verständnis: Im Juli 2024 ermordete ein Mann drei kleine Mädchen, die bei einer Tanzstunde in Southport, England zu ihrer Musik probten. Zudem mussten drei Konzerte in Wien wegen eines geplanten Sprengstoff-Attentats aus Sicherheitsgründen abgesagt werden. Diese Ereignisse zum Ende der Tournee erhöhten den Druck auf alle Beteiligten ins Unermessliche. Kurzzeitig war nicht einmal klar, wie es um die Folgeauftritte stand. Diese fanden zum Glück der Swifties statt, allerdings unter hohen Sicherheitsvorkehrungen.
In Aufnahmen in ihrem Hotelzimmer in London – dem ersten Tour-Stopp nach Southport und Wien – brach die Sängerin mehrfach in Tränen aus, als sie versuchte, die Taten in Worte zu fassen. In den weiteren Einstellungen wird klar, wie sehr die Showgirl-Attitüde schon zum damaligen Zeitpunkt in Swifts Gedanken verankert war. Nicht verwunderlich, denn sie macht diesen Job bereits seit zwei Jahrzehnten. Aber auf solche schockierenden Ereignisse kann sich keiner vorbereiten.
Vor jedem der acht Auftritte im Wembley Stadion nahm sich die Songwriterin Zeit, Verletzte sowie Angehörige der Opfer des Messer-Angriffs zu treffen und ihnen beizustehen – diese Szenen wurden nicht von der Kamera begleitet. Sie nahm sich für diesen Balance-Akt vor, alle Emotionen im Vorhinein aus ihrem System zu bekommen, damit sie für die Familien und später auch für die Fans im Stadion stark sein konnte, die sich auf ein Popkonzert freuten, bei dem sie all ihre Probleme für die Dauer der Show vergessen konnten, so ihre Aussage in der Doku. Swifts oberste Priorität: Keine:r solle sich um sie sorgen – egal in welcher aussichtslosen Situation sie sich befände. Feststeht wohl für sie: Die einzige Kontrolle, die man in solchen Momenten besitzt, ist, wie man mit der sich aufgetanen Situation umgeht. Swift entschied sich für den Showgirl-Ansatz: „The Show Must Go On“.
Der Mensch hinter der Marke
Bei einer kurzen Probe mit „Surprise Guest“ und langjährigem Freund Ed Sheeran für den ersten London-Auftritt kann man der Künstlerin ansehen, welche Spuren die Gewalttat und Terrordrohung sowie die Angst vor weiteren dieser Ereignisse bei dem Superstar hinterlassen haben. Neben der unsichtbaren psychischen Komponente kam eine physische, sichtbare Reaktion hinzu: zitternde Hände, sodass sie ihr Gitarrenspiel unterbrechen musste. Ihr einziger Gedanke, den sie sich über den Verlauf der ersten Episode immer wieder vor Augen führte, war: „Du musst diese Show überstehen und dich wieder an die Freude erinnern, die du bei einem Auftritt erfährst“, so erklärte sie es auch dem Künstler während einer kurzen Proben-Pause.
Nach dem überstandenen Auftritt wiederholte die Künstlerin mantra-artig euphorisch, aber dennoch sich selbst mutzusprechend: „Wir sind zurück“, als sie in blau-glitzerndem Body und silbernen Stiefeln die Bühne Richtung Auto verließ und stellte ihrem Tour-Manager Robert Allen, bevor sie ins Auto stieg, um im Hotel von dem ausgeschütteten Adrenalin runterzukommen, die alles entscheidende Frage: „Ist etwas vorgefallen, wovon ich nichts weiß?“ Allen verneinte die Frage – bei der darauffolgenden Umarmung entspannte sich Swifts Körper das erste Mal seit dreieinhalb Stunden.
Dieser Moment in der Doku zeigt, wie ungnädig das Showbusiness sein kann und wie viel Konzentration, Professionalität und Selbstbeherrschung es Performer:innen abverlangt, eine Show hinzulegen, die leicht und mühelos für die Zuschauer:innen aussieht – unabhängig davon, was gerade in der Person vorgeht. Trotz dessen das Taylor Swift Profi in ihrem Feld ist und ihre Emotionen innerhalb weniger Sekunden wie eine Art Schalter – zum Dienste ihrer Marke und Persona für eine nahezu perfekte Show – ausstellen kann, lässt die Öffentlichkeit gerne mal vergessen, dass sie in erster Linie ein Mensch wie jeder andere ist, den Sorgen und Ängste herumtreiben.






