„Westworld“-Kritik: Datenkrake im Blutbad


Die zweite Staffel „Westworld“ startet mit Bergen von Leichen. Und einigen klaren Hinweisen, wohin die Reise für einige Figuren gehen wird – endlich! Vorsicht: Der Artikel enthält Spoiler.

2016 startete HBO nach „Game of Thrones“ die nächste Megaserie, die nach ähnlichem Rezept funktionieren sollte: Ausgestattet mit gigantischem Budget sollen Blut und Sex Zuschauer anlocken, eine packende Story diese dann halten. Der Plan funktionierte nur halbwegs, weil „Westworld“ besoffen von eigener Ambition ein Mystery-Verwirrspiel auf die Spitze trieb, das seinesgleichen suchte. Ein Labyrinth sollte in einem Western-Vergnügungspark voller Roboter, den „Hosts“, gefunden werden – am Ende stand die Entwicklung des freien Willens der Maschinen, der Tod des Park-Schöpfers (Anthony Hopkins) und ein Berg von Leichen in der Anlage, in der die Roboter gewartet und programmiert wurden.

Frauen an die Macht

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Nun startet „Westworld“ mit „Journey into Night“ in die zweite Staffel. Und nutzt die über lange Zeit gereiften Figuren der ersten Staffel, um den Plot zügig in nachvollziehbare und spannende Richtungen zu lenken. Doch erst einmal ein Blutbad. Pardon: mehrere Blutbäder.

Bernard (Jeffrey Wright) steht verdutzt an einem Strand und wird von einer Gruppe Sicherheitsleute aufgegriffen, die auf der Insel, auf der Westworld angesiedelt wurde, Hosts zusammensammelt und exekutiert. Es werden Köpfe weggeschossen, ein Wissenschaftler greift beherzt in Hirnmasse um Daten auszuwerten. Die Szene muss in der Zukunft spielen, denn danach sehen wir wieder Bernard, der gemeinsam mit Charlotte (Tessa Thompson) aus dem Massaker flieht, mit dem die erste Staffel endete. Sie geraten in einen Hinterhalt, alle ihre menschlichen Mitstreiter werden von Hosts ermordet, die den „keine Menschen töten“-Mechanismus endgültig über Bord geworfen haben.

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Parallel dazu schreitet Maeve (Thandie Newton) durch die Wartungsstation, wunderschön in Abendkleid und mit Maschinengewehr. Die Roboterdame erwachte in Staffel 1 ebenfalls, hat sich mit maximaler Intelligenz ausstatten lassen und sucht nun nach ihrer Tochter (?), die sie irgendwo im Park vermutet. Auch in Maeves Szenen wird unglaublich viel gestorben, dazu demütigt sie ihre menschliche Geisel, die sich vor ihr komplett entkleiden muss. Frauen an die Macht ist das Motto der ersten Folge, in der Dolores (Evan Rachel Wood), ehemals engelsgleiche Damsel in Distress durch die Steppe reitet und jeden Menschen tötet, der ihr über den Weg läuft. Ihr neues Ziel: Rache, auch außerhalb des Vergnügungsparks.

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Eine halbe Stunde dauert das Morden und Rächen. Zeit um nachzudenken, für wen man in „Westworld“ eigentlich Sympathien hegen soll. Wahrscheinlich für Bernard, die ärmste Sau der Serie. In Staffel 1 fand er heraus, dass er selbst ein Host ist und vom Park-Schöpfer Ford zur rechten Hand gemacht wurde. Nun sieht er seine Artverwandten in Massen sterben und muss seine eigene Identität, insofern es jemals seine eigene war, verbergen. Zum Beispiel im bedeutungsvollsten Moment der Episode, in der er herausfindet, was für das Unternehmen Delos, das den ganzen „Spaß“ Westworld finanziert hat, die wahren Motive sind. Der Konzern sammelt Daten. Und zwar nicht nur von den Robotern, sondern auch von den Menschen, die sich an ihnen auslassen. Erfahrungen werden gespeichert, DNA feinsäuberlich archiviert.

Eine große Datenkrake steht hinter den Geschehnissen der Serie, „Westworld“ wird damit erschreckend aktuell. Wäre Hopkins‘ Figur nicht tot und in der Realität angesiedelt, müsste sie sich wahrscheinlich irgendwann genauso vorm US-Kongress verantworten wie zuletzt Mark Zuckerberg.

In „Westworld“ bleiben die Motive für diese Sammelwut bisher nur Andeutung und eines der vielen Rätsel, das es in der der zweiten Staffel zu erkunden gibt. Ein weiteres: Wie kommt ein bengalischer Tiger in den Wilden Westen? Mehrfach werden weitere Parks im Staffelauftakt angedeutet, laut Trailer geht es für die Zuschauer in eine Japan-Variante namens Shogun World. Die Fronten sind zum Start der zweiten Staffel klarer, die Ziele und Missionen der Figuren ebenfalls – damit haben die Macher (darunter der Bruder von Christopher Nolan) einen der größten Fehler der ersten Staffel bereits ausgebügelt. Jetzt darf sich die Show nur nicht wieder verrennen…