Josef Winklers Kolumne: Warum Meinungsfreiheit bleibt – und Antifa auch
In Zeiten der Behämmerung muss man auch Selbstverständlichkeiten mal wieder klarstellen.
Hand aufs Herz: Wie wurscht ist Ihnen die Super-Bowl-Halftimeshow? Also mir persönlich sehr. Den Luxus leiste ich mir – mit etwas schlechtem Gewissen, weil diesem Megawahnsinnsevent natürlich in unserer Ära der globalsocialmedialen Totalverhämmerung eine immense popkulturelle Bedeutung zukommt, voll spannend! Nur diesmal wird’s wohl ZU spannend.
Verkürzt geschildert: Nachdem das faschistische (Projektphase) Trump-Regime letztens die in großen Teilen aus people of color zusammengesetzten US-Footballteams faktisch gezwungen hat, kniend Gedenkminuten für den ermordeten rassistischen „Influencer“ Charlie Kirk abzuhalten, hat die NFL jetzt – wohl, um einen Rest Würde zu behalten – den „absoluten Megastar“ (ähm … mir ist grad der Hit nicht geläufig) und „Anti-Trump“ („Spiegel“) Bad Bunny aus Puerto Rico engagiert.
Die Trumpisten reagierten gewohnt maßlos und kündigten u.a. an, parallel eine „alternative“ Halbzeitshow auszurichten, bei der dann u.a. rassereiner „Worship“-Pop zu hören sein soll – Sie wissen schon, das ist die Musik, wo sogar der Herr himself in all seiner Langmut sagt: „Leute: I died for somebody’s sins, aber nicht für diese Scheißmusik!“ Wir wissen ja von Frank Zappa, dass The Good Lord deutsch spricht, wenn’s heftig wird.
„Meinungsfreiheit lässt sich nicht erschießen – RIP“
Charlie Kirk wurde erschossen von einem seit früher Kindheit mit „christlich“-rechter Ideologie indoktrinierten und an der Waffe ausgebildeten Bubi aus einer „MAGA-Familie“ – also genau jener Klientel, die Demagogen wie er seit Jahren systematisch in einen Irrsinn aus Hass und Verblendung hineinpeitschen. Als politischer Akteur hierzulande könnte man da mahnende, mäßigende Worte finden, dieser gesellschaftliche Krebs dürfe sich nicht auch bei uns ausbreiten.
Genau. Oder aber man ist von seinem eigenen kulturkämpferischen Furor schon so high, dass man sich die Propaganda des täglich über Leichen gehenden Trump-Regimes aneignet und den Hassprediger Kirk zum Märtyrer der Redefreiheit hochjazzt. „Meinungsfreiheit lässt sich nicht erschießen – RIP“, hat die Junge Union kondoliert, und abgesehen davon, dass das meiste von dem, was Charlie Kirk verbreitet hat, menschenverachtende Hetze und Lüge war – was auch jener prominente deutsche Publizist wissen müsste, der Kirk als „Idealist“ und „klugen Vertreter des einfachen Mannes von der Straße“ würdigte –, ist dieser hochpoetische Satz auch semantisch Dummes.
Nein, McFly, Meinungsfreiheit ist ein abstrakter Begriff und lässt sich in der Tat nicht erschießen. Wie übrigens z.B. auch Blödigkeit, Bosheit, Bigotterie, Hass, Opportunismus – gegen die ist wohl kein Kraut gewachsen. Aber ein anderes Abstraktum bzw. die Haltung dahinter steht jetzt in den USA unter Terrorismusverdacht, und auch hier bei uns gibt es Bestrebungen, Antifa, also Antifaschismus zu verteufeln – ausgerechnet. Da sollte man stutzig werden und es vielleicht mal wieder (oder erstmals?) laut aussprechen resp. posten: Ja, ich bin Antifa! Was denn sonst?
Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 12/2025.


