Boom Box: YouTube-Ansagen vs. Megamonstermixes


Im Deutschrap-Internet scheiden sich die Geister: Die einen beschimpfen sich via YouTube, die anderen umarmen sich auf Massenremixen.

Alben? Viel zu lang. Singles? Kauft eh keiner. Der deutsche HipHop hat ein neues Lieblingsformat, und mit Musik hat das nur am Rande zu tun. Es handelt sich um Videobotschaften, im Branchenjargon: Ansagen.

Einst als billiges Promowerkzeug erdacht, hat sich mittlerweile eine eigene Industrie um diese kuriosen YouTube-Artefakte entwickelt. Kein Tag vergeht, ohne dass ein Rapper irgendetwas enthüllt oder klarstellt. Glaubt man den Blogs, besteht die Szene quasi ausschließlich aus „Nutten“, „Zinkern“ und anderen ehrfernen, unstabilen, gottlosen Hunden. Wer gar nicht erst geschmäht wird, ist defaultmäßig schwul, zumindest aber ein Student. Die Sensationsreporter von rapupdate.de sind zu beträchtlichem Wohlstand gelangt mit dieser Form der Aufmerksamkeitsökonomie („Mit ,DIESEM H***NSOHN‘ hat Shindy nun ein großes Problem!?“).

Etwas kurz kommt bei all dem die Musik. Gleichsam als Gegenbewegung hat sich parallel das Format des „Megamonstermixes“ etabliert. So nannte Casper 2011 eine Version von „Auf und davon“, auf der sich neue Wortbeiträge von zehn befreundeten Künstlern fanden. Max Herre zelebrierte 2012 seine Rap-Renaissance mit MoTrip, Megaloh, Afrob und Samy Deluxe („Rap ist“). Celo & Abdi versammelten auf „Parallelen“ nicht weniger als 33 (!) Kollegen. Und auch „Chabos wissen wer der Babo ist“ bekam seinen achtminütigen Allstar- Remix – ein Massenfreestyle bei einem Konzert in Stuttgart markierte ein Stück Deutschrap-Geschichte.

Cro, Hafti, Eko und tausend andere auf einer Bühne? Einst undenkbar. Nun hat einer nachgelegt, der immer schon Welten zu vereinen wusste. Auf „Dr. Cooper“ sind u. a. Aphroe von RAG, der Hamburger Nate57 und der wenig bekannte Umse zu hören. An den Gastgeber Megaloh reicht zwar nur MoTrip heran. Dafür gibt’s auf einem separaten Remix die erste Strophe der Stieber Twins seit 14 (!) Jahren. Ganz ohne 16er-Gangbang ausnahmsweise.

Diese Kolumne ist in der Mai-Ausgabe 2014 des Musikexpress erschienen.