Erste allgemeine Verunsicherung


Das Zillertal liegt 120 km südlich von München und verdankt seinen Reichtum dem florierenden Ski-Tourismus. Mitten in diese schöne Bergwelt verschlug es diesmal die Erste Allgemeine Verunsicherung, die zwar schon gut zehn Jahre auf Achse ist, doch erst seit „Ba-Ba-Banküberfall“ die größeren Hallen buchen kann.

Start frei mit „Geld oder Leben“, das sich auch als Leitmotiv ihrer letzten LP glänzend bewährt hat. Ein Lied über die pauschale Käuflichkeit in unserer Zeit. Um die These zu erhärten, demonstriert Frontmann Klaus Eberhartinger —- eine Art steirischer Groucho Marx —- am anwesenden Publikum, was der Mensch für Geld alles bereit ist zu tun: Die ausgesetzte Belohnung von 5000 Schilling für den lautesten Furz aus dem Auditorium („natürlich oral und bitte geruchsfrei!“) steckt er aber als Bußgeld für die soeben erwiesene strafbare Handlung in Form einer Bestechung gleich wieder ein.

Nach „Heiße Nächte in Palermo“, wo „Sodom und Kamorra“ herrschen und abgewirtschaftete Mafiosi „0 Kohle Mio“ schmachten, wechselt die Szenerie auf das Schlachtfeld der 80er Jahre, dem Fußballplatz. Hier werden wir Zeuge eines Interviews mit dem letzten Überlebenden des Spiels „SC Stupid Wien gegen Mörder Bremen“, der von knallharter Konfrontation bei gleichzeitiger Pflege des Promille-Niveaus schwärmt. Eine Würdigung in Liedform folgt auf den Fuß: „Meine Herrn — härter wer(d)n!“ heißt die Losung für den „Heavy Metal-Peppi“ und Gitarrist und Mastermind Tom Spitzer darf hier endlich seiner heimlichen Leidenschaft mit ein paar Schweine-Riffs frönen. A propos Schwein: Die bahnbrechende Philosophie des „Schweine-Funks“ (vom vorletzten Album A LA CARTE) kommt gleich hintennach: „Die Wurst ist rund, der Zwieback eckig, dem Einen geht’s gut, dem Andern dreckig‘.“ Zur geistigen Aufarbeitung bittet die Bund in die Pause.

Schon Karl D-Marx meinte: „Es wird das Proletariat, ohne Kohle rabiat!“ Und so kann’s schon mal passieren, daß ein Vertreter der Arbeiterklasse ein Geldinstitut zum Zwecke eines Raubes betritt. Was nun kommt, bedarf keiner näheren Erläuterung mehr.

Der nächste Schauplatz ist die Wüste Gobi, nicht zu vergleichen mit der „wWüsten Gabi“, wo schon „Ali Rhabarba und die 40 Betäuber“ auf ihren Einsatz warten. Mit der nächsten Maschine zurück, erleben wir das „Müsli-Massaker vom Roggenhof‘, wo Heribert Humus und Volker Vollkom in die Luft fliegen, da irgend jemand am Bio-Klo einen Joint entflammte und gefährliche Gärgase detonierten.

Doch nicht genug des Wahnwitzes. Nun wird die Glotze eingeschaltet, wo Ede Pimmelmann in seiner Sendung „Nacktenleiche XY unbehöst“ Sexualverbrechern Aufklärung verspricht. Die österreichische Außenstelle bringt dann eine Rede des Bundespräsidenten Dr. Rudolf Kirchschläger, der von „Don Glykole oder dem Mann von La Panscha“ erzählt, aber grobe Verleumdungskampagnen der deutschen Bilderbogen-Presse aufs Schärfste verurteilt. Wiener Schnitzel sind weder radioaktiv, noch haben Lipizzaner AIDS! Außerdem: „Wer im Glashaus sitzt und sein eigenes Ministerium vor lauter Spionen nicht sieht, sollte wenigstens zu uns auf Urlaub kommen!“ Ein Satz, der auch bei den zahlreichen deutschen Touristen im brechend vollen Europahaus zustimmenden Beifall findet.

Eine Reprise vom Opener „Geld oder Leben“ schließt den Kreis. Doch niemand wünscht sich wirklich, daß dieses Programm nun schon ein Ende findet. Und so ertrampelt man sich vier Zugaben, die in früheren Shows der Verunsicherung zu den Höhepunkten zählten.

Zum Beispiel Erik Breits immer wieder sensationelle Andre Heller-Parodie („Ich bin gekommen, um Ihnen das kostbarste zu schenken, was ich besitze: mich und meinen begnadeten Körper!“) Wenn es überhaupt einen ernsthaften Ansatz zur Kritik gibt, dann die Tatsache, daß die politische Angriffslust früherer Programme — und hier hauptsächlich die scharfen Attacken gegen den aufkeimenden Neo-Faschismus — einer leichter zugängigen „Unterhaltungs-pur“-Mentalität weichen mußten. Doch nach einem Jahrzehnt schlecht bezahlten Daseins als Subversiv-Rock ’n‘ Roller muß man der Verunsicherung den kommerziellen Erfolg einfach gönnen, auch wenn dieser den einen oder anderen Kompromiß nach sich zieht. Auch Lachen ist schließlich gesund …