Serien-Kritik

„Lovecraft Country“ bei Sky: Willkommen in der Hall of Fame des Horrors


Die neue Serie „Lovecraft Country“ führt in die rassistische Welt des Amerikas der 50er-Jahre und liefert ein Splatter-Spektakel mit Monsterjagden, Geisterbeschwörungen und Zombie-Attacken. Wir haben die erste Staffel auf Sky geschaut – lest hier unsere Kritik zum Horror, der u.a. von „Get Out“-Macher Jordan Peele stammt.

Hier treffen gleich zwei absolute Horror-Szenarien aufeinander: Das eine ist fiktional, das andere leider immer noch Realität. Wie auch in der gleichnamigen Romanvorlage von Matt Ruff geht es in der neuen von HBO produzierten und in Deutschland auf Sky laufenden Serie „Lovecraft Country“ zum einen um totbringende Monster, aber zum anderen auch um Rassismus. Und beide Themen finden ihren Ursprung in den Gruselgeschichten von H.P. Lovecraft. Dieser schrieb Anfang des 20. Jahrhunderts eine Menge über mythologische Wesen und machte dabei ausschließlich weiße Männer zu seinen Helden. Seine Bücher hatten Einfluss auf die damalige Kultur und schürten so auch rassistische Vorurteile. In der Welt von Matt Ruff ist Lovecrafts Gedankengut nun Realität und Teil der uns bekannten amerikanischen Geschichte geworden. Die Serie überführt das Buch von 2016 nun in einnehmende Bilder, kluge Diskussionen und Splatter-Momente, die selbst diejenigen schocken können, die schon denken, alles gesehen zu haben.

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Jede Menge Polizeigewalt und Lovecraft-Monster

Zum Inhalt: Atticus „Tic“ Freeman (Jonathan Majors) ist von seinem Kriegseinsatz zurückgekehrt. Schon im Bus wird die Rassentrennung jener Zeit deutlich. Tic sitzt als Schwarzer Mann hinten, das letzte Stück der Reise muss er sogar zu Fuß gehen. In seiner Heimatstadt begrüßt ihn dagegen die Black Community voller Energie. Es wird getanzt, gelacht, gesungen. Doch so friedvoll bleibt es nicht.

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Tic hat einen Brief seines vermissten Vaters (Michael K. Williams) gefunden und zusammen macht er sich mit seinem Onkel George (Courtney B.Vance) sowie seiner Jugendfreundin Letitia „Leti“ Lewis (Jurnee Smollett) auf die Suche nach ihm. Die Spur führt das Trio in den aus Lovecrafts Büchern bekannten Ort Arkham. Während die Fahrt dorthin aus einer Aneinanderreihung von Polizeigewalt und Diskriminierung besteht, warten am Zielort noch ganz andere Wesen und Monster auf sie. Spätestens ab diesem Punkt nimmt die Story rasant Fahrt auf und man möchte an liebsten keine Pause zwischen den zehn Folgen vergehen lassen. Denn Fantastisches soll hier plötzlich ganz in Echt passieren: Als Fan der Lovecraft-Bücher ist Tic nämlich dem ein oder anderen Ungeheuer schon auf Papier begegnet.

Horror-Attacken ohne Atempause

Die Serie erinnert im besten Sinne in dem einen Moment an „Jurassic Park“, an Horrorfilme wie The Cabin in the Woods und Produktionen im Stile von American Horror Story und „Stranger Things“ (das Intro-Design würde wohl ohne die Netflix-Serie anders aussehen). Im nächsten Moment kommen Erinnerungen an Sciene-Fiction-Thriller wie „Predator“ auf. So manch eine Hommage ist deutlich zu erkennen und wird vor allem Genrefans Freude bereiten. Hier werden einem geheime Orden, Ouija-Bretter, Menschen, die aus dem Boden kriechen, Gestaltenwandler*innen und Opferzeremonien geboten. „Lovecraft Country“ wirkt damit wie ein Best Of der Hall of Fame des Horrors – und genau darin liegt auch der Spaß der Serie.

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Durch das stetige Nacheinander an neuen Herausforderungen, Rätseln und Angriffen jeglicher Art, gerät die Story nie ins Straucheln. Dafür wird viel zu viel gerannt, aufs Gas getreten und geflohen. Dementsprechend schwierig fällt es aber die Protagonist*innen ernsthaft kennenzulernen. Wirklich vielschichtige Charaktere haben in der rasanten Geschichte schlicht keinen richtigen Platz gefunden. Dafür werden aber immer wieder künstlerische Filmmomente – wie eingespielte politische Reden oder Zeitzeugenaussagen aus dem Off – geboten, sowie auch ein starker Soundtrack mit Tracks von Nina Simone, B.B. King, Brockhampton und Jorja Smith. Besonders wirkungsvoll auch der Gospel mitten bei einer Dämonenaustreibung. Hier geht es zum Soundtrack auf Spotify.

Rassismus im Alltags-Gewand

 

Die Serien-Schöpfer Misha Green und („Get Out“-Regisseur und -Autor) Jordan Peele lassen in „Lovecraft Country“ ihre surrealsten und fantastischsten Horror-Ideen Wirklichkeit werden. Dafür arbeiteten sie mit großen Visual-Effects-Studios und ordentlich Make-up-Spezialeffekten. Man sieht der Serie in jeder Minute an, wie viel Freude die beiden beim Kreieren und Umsetzen hatten – diese Faszination für Details sorgt so auch beim Zuschauen für eine erhöhte Aufmerksamkeit.

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Aber neben all dem Horror stellt die Serie eben auch stets den Rassismuskrieg in Amerika in den Vordergrund. Die Auseinandersetzung mit dem Thema erscheint nach den jüngsten Protestaktionen nach dem Tod von George Floyd aufgrund von Polizeigewalt relevanter denn je. Denn wie auch in Lovecrafts Story-Vorlagen ist der Rassismus tief in der US-amerikanischen Gesellschaft verwurzelt. „Lovecraft Country“ zeigt den Schrecken also im Doppelpack – anhand von übernatürlichen Monstern und White-People-Gruselgeschichten, die immer noch bittere Realität sind. Die Symbolik der Serie funktioniert erschreckend gut.

Staffel 1 von „Lovecraft Country“ ist am 17. August bei Sky gestartet. Sie umfasst zehn Folgen, die jeweils 53–68 Minuten lang sind und im wöchentlichen Rhythmus erscheinen. Eine zweite Staffel ist noch nicht bestätigt.

HBO
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