Popkolumne, Folge 147

Schön ma die Glotze: Diese Serien guckt Paula Irmschler FÜR DICH!


Unsere Autorin findet: Das Schönste an einer Popkolumne ist, dass man jeden noch so stumpfen Kulturkonsum zur Recherche verklären kann. Wo andere Leute jammern, weil sie so viel „prokrastinieren“, buhu, zieht Paula Irmschler Kulturjournalismus-Monokel und Jogginghose an und legt erst richtig los. Hier die Ergebnisse ihrer Recherchen!

Während Omikron kommt und kommt und kommt (mittlerweile kennt man richtig viele Leute, die ES hatten, oder?) und Leute schon wieder von einem Lockdown fantasieren, der eh nicht kommen wird, warte ich lieber auf Aaliyahs neues Album, versuche, die neueste Nahostkonfliktexpertin (Emma Watson) zu ignorieren, Coldplays Karriereendeankündigung zu verdrängen und über den Tod von Betty White (mit 99!) hinwegzukommen. By the way finde ich 99 ein viel cooleres Alter als 100, ich bin aber auch eine dieser nervigen Synästhetikerinnen. Aber cool war Betty White ja so oder so.

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Danke für alles, BW! Zu deinen Ehren habe ich zuletzt also viel Zeit vor der Mattscheibe verbracht. Das Schönste an einer Popkolumne ist, dass man jeden noch so stumpfen Kulturkonsum zur Recherche verklären kann. Wo andere Leute jammern, weil sie so viel „prokrastinieren“, buhu, ziehe ich mir Kulturjournalismus-Monokel und Jogginghose an und lege erst richtig los. Und daaaamn, hab ich die letzten zwei Wochen recherchiert! Ich hab quasi den ganzen Tag nichts anderes gemacht, als zu arbeiten.

Hier meine Ergebnisse!

6 Serien, die ich selbstlos für euch geguckt habe

1. „And Just Like That“

Allen voran von Bedeutung ist für mich natürlich das Sequel von „Sex and the City“, „And Just Like That“, das ich im Gegensatz zu den meisten (zumindest von mir wahrgenommenen) Stimmen richtig gut finde, ja sogar nahezu perfekt! Schon die erste Folge hat mich komplett umgehauen. Achtung, Spoiler: Sie killen Mr. Big? Wie gut! Nicht nur, weil er ein komischer Typ ist, der sich nun auch im wahren Leben als Schwein rausgestellt hat, sondern weil es komplett Sinn ergibt und die absolut richtige Entscheidung für die Weiterführung der Serie ist.

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Davor, als er noch am Leben ist, gibt es die schöne Szene zwischen Carrie und Big, in der es um Masturbation geht. Big greift zur Lotion mit dem Hinweis darauf, dass er nicht mehr der Jüngste ist. Und auch sonst wird das Thema Alter so thematisiert, wie es in einer Mainstream-Serie selten ist. Mirandas graue Haare sind genau so ein Thema wie Charlottes Botox-Gesicht und Carrie hat ein Hüftleiden. Es gibt mehr sexuelle Vielfalt, nonbinäre Charaktere, trans Charaktere, endlich nichtweiße Charaktere, und es ist alles nicht so woke-konstruiert wie bei so vielen anderen aktuellen Serien, sondern auch das macht alles Sinn und wird gut erzählt und außerdem ist es nun mal New York 2021!

So tappt Miranda in einige rassistische Fettnäpfchen, als sie ihre Schwarze Professorin kennenlernt und kommt dabei wirklich nicht gut weg, Carrie ist Teil eines Podcasts und kommt mit der neuen Sex Positivity nicht gut klar und Charlotte und Harry werden mit ihren Vorurteilen konfrontiert, als sich ihr Kind als trans outet. Kurz: Es ist das Sequel das diese Serie verdient hat, es versöhnt und ich kann den zweiten Kinofilm von 2010 ab sofort für immer verdrängen, er hat nie existiert.

2. „Get Back“ und „McCartney 1,2,3“

Mein Highlight Nummer zwei teilen sich „Get Back“ und „McCartney 1,2,3“ auf Disney+. Über erstere, die Doku von Peter Jackson, in der die Beatles stundenlang beim Proben im Jahre 1969 und beim legendären Dach-Konzert gezeigt werden, wissen sicher alle schon alles, zweitere haben nur die nicht gesehen, die immer noch nicht in Paul McCartney verliebt sind und das kann ja eigentlich nicht sein, also, wenn man vorher „Get Back“ in 4K-Auflösung gesehen hat. Es ist einfach so wholesome und schön, weil Jackson offensichtlich nur die lieben Szenen zusammengeschnitten hat, die die Beatles nur im besten Licht zeigen. Allen voran Paul wirkt wie der liebste, tollste, lustigste, kreativste, schlauste, rücksichtsvollste Mensch… Wie lieb er über John und Yoko redet, wie bezaubernd er mit seiner Stieftochter umgeht, wie schelmisch er grinst, als die Bullen beim Konzert aufs Dach kommen… Hach, ich fiel komplett drauf rein. So sehr, dass ich mir danach eben noch paar Stunden ansah, wie Rick Rubin zu jedem Geräusch das McCartney bei „McCartney 1,2,3“ von sich gibt, „WOW“ sagt. Sonst passiert da nicht viel, aber das reicht ja schon. Jacksons Doku hat man jetzt zum Beispiel auch noch mal zu verdanken, dass Yoko Onos Image als Zerstörerin der Beatles endgültig entsorgt werden kann. Na gut, man hätte ihr und allen Beteiligten auch einfach die letzten Jahrzehnte zuhören können… Liebe Grüße an alle männlichen Beatlesfans, die man je auf einer WG-Party getroffen hat.

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In diesem Artikel hat sich die Autorin Kimmy Yam ausführlich mit den rassistischen und misogynen Narrativen beschäftigt, die so lange an Yoko Ono gehaftet haben.

3. „Hawkeye“

Hawkeye! Ich liebe Hawkeye, den Bogenheini von den Avengers (gespielt von Jeremy Renner). Ich weiß nicht so ganz, warum, aber so ist es nun mal. Er ist so ein lieber Familienpapi, der auch nur das sein will und wie oft sieht man das? Eben. In der Serie, die nun ihm gewidmet ist, gibt es noch eine weitere Protagonistin: Die 22-jährige Kate Bishop (Hailee Steinfeld) ist auch Hawkeye-Fan und eifert ihm nach, nachdem sie gesehen hat, wie er mit den Avengers die Welt gerettet hat, während ihr Vater draufgegangen ist und jetzt will sie eben mit Pfeil und Bogen ihre Mutter beschützen. Kennt man!

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Dann passiert viel Verschiedenes, was man beim ersten Sehen von allen Marvel-Sachen immer nicht so ganz versteht, und das führt die beiden zusammen, so dass der alte Hawkeye und Kate Bishop zusammen kämpfen müssen, während Hawkeye eigentlich nur an Weihnachten zu Hause bei seiner Familie sein will. Die klassische Geschichte vom Vater, der es versucht, aber doch ganz anders, weil er es offensichtlich wirklich will.

Irgendwann taucht noch die neue Black Widow Yelena auf, die eh meine neue Lieblingsfigur aus dem Marvelkosmos ist (siehe auch der fantastische „Black Widow“-Film aus dem vergangenen Jahr), und dann wird alles noch geiler. Was ich unter anderem so super finde, ist, dass im Gegensatz zu der „alten Zeit“ die 22-Jährige absolut null als love-interest des älteren männlichen Protagonisten in Frage kommt, sondern er sie im Gegenteil anfangs als Kind wahrnimmt, sie dann immer ernster nimmt und trotzdem klar ist, wer wo im Leben steht. So wie es immer sein sollte, meiner Meinung nach. Liebe Grüße wieder an die WG-Party-Typen von oben!

4. Diese 3 deutschen Serien

Und nun noch ein kleiner Blick nach Deutschland, unserem Land mit der seltsamen Kultur! Die drei deutschen Serien, die ich gesehen habe, sind „Andere Eltern“, „Die Discounter“ und „Eldorado KaDeWe“. Die erste (Joyn/Prime) wurde mir empfohlen von einem Freund, der dachte, es würde mich interessieren „wegen Köln“. Stimmt auch. Eine Gruppe von werdenden Eltern will in Köln Nippes einen eigenen Kindergarten aufmachen und alles wird ganz furchtbar, weil Elternsein offenbar ständiger Kriegszustand bedeutet. Und es ist genau so, wie ich mir Nippes-Eltern immer vorgestellt habe, als ich selbst noch dort gewohnt hab. Yuppieöko-Gentrifizierer, die den Stadtteil für mich irgendwann nicht mehr bezahlbar gemacht haben mit ihren komischen Läden mit Dingen, die niemand braucht. Aber ich dachte, ich darf das nicht aussprechen, ich weiß ja zu wenig über diese Leute. „Andere Eltern“ ist jetzt die Genugtuung, dass ich immer Recht hatte.

Nummer zwei („Die Discounter“, Prime) ist so eine Serie, wie ich sie früher schätzte. Ich stelle mir vor, dass man sie am Wochenende nachts auf RTL sieht, wenn man mit Döner nach Hause kommt, irgendwann jede Folge schon mal ansatzweise gesehen hat, ein TV-Evergreen, der immer geht. Man muss nicht die ganze Zeit aufpassen, sie läuft halt so und ab und an guckt man hin und giggelt. Ein bisschen „Stromberg“, ein bisschen „Ritas Welt“, passt.

Und dann gab es natürlich noch „Eldorado KaDeWe“, die Serie von Julia von Heinz („Und morgen die ganze Welt“) über das geschichtsträchtige Kaufhaus in Berlin und on top eine Geschichte aus der lesbischen Szene der 20er. Ich fands sehr gut besetzt, habe endlich mal lesbischen Sex dargestellt gesehen, der nicht nur feenzart ist wie so oft, habe gelernt, dass in den 20ern Berlin über 70 Prozent der Menschen Frauen waren und habe manche Szenen unerträglich, aber authentisch (Gewalt an Frauen) gefunden.

Im Interview mit dem Deutschlandfunk hat Julia von Heinz unter anderem erzählt, dass es aufgrund des Fokus auf lesbische Liebe nicht einfach war, ihre Serie zu promoten:

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Im Briefkasten waren gestern Abend Coronaleugner-Flyer, die Scheiße ist also wirklich immer nur drei Stockwerke entfernt. Deshalb bleib ich lieber drin und glotze weiter (kleiner Spaß, ich muss ins Büro). Beim nächsten Mal geht es trotzdem um geile Filme!

Abgebrochen, ausgetickt und angepinkelt: Die 12 größten Skandale des Popjahres 2021

Was bisher geschah? Hier alle Popkolumnentexte im Überblick.

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