Love My Jazz

Leider fehlt in diesem Buch ein Portrait des Künstlers selbst – es konnte das Phänomen erklären, dass ich kaum je ein Photobuch gesehen habe, in dem dermaßen viele Menschen lachen und sich freuen. Und tatsächlich ergibt eine Überprüfung: Pinos Augen sind ein regelrechtes Gebirge von Lachfalten. Sie sind aber vor allem außergewöhnlich scharf, wenn es darum geht, den Augenblick zu erfassen, der, als Bild festgehalten, einen Menschen, eine Situation, ein Lebensgefühl, eine Musik beispielhaft wiederzugeben vermag. Pino, 1940 in Mailand geboren und als Fotoreporter tätig, ehe er 1980 in die USA umsiedelte und sich auf Jazz, Kunst und Industrial Design spezialisierte, schuf einige der bekanntesten, stilprägendsten Aufnahmen von Jazz-Musikern, und er benützt seine Kamera dabei wie ein Musiker sein Instrument beim Improvisieren-viele seiner Aufnahmen sind scheinbare [oder tatsächliche] Schnappschüsse, doch adelt das künstlerische Genie den zufälligen Moment mit zeitloser Gültigkeit und Schönheit. Da wirkt die „thematische“ Ordnung der Bilder in diesem Band manchmal fast ein bisschen übertrieben, wenn etwa Elvin Jones und Oscar Peterson unter dem Motto „Goldkette mit Anhänger“ gegenübergestellt werden, Mary Lou Williams und Chick Corea das Motiv „Ich spiegle mich im Flügeldeckel“ repräsentieren, Erroll Garner und Niels-Henning Örsted-Pedersen die Augäpfel rollen lassen und Duke Ellington und Dexter Gordon über den Abgrund von 18 Jahren mit dem Finger aufeinander zeigen. Aber da geht eben der Schalk mit Giuseppe Pino durch, und weil der Schalk zum Genie dazugehört, gehört er halt einmal dazu. Die Binsenweisheit, man müsse Jazz nicht nur hören, sondern auch sehen, um ihn zu begreifen, lässt sich mit diesem Buch jedenfalls eindrucksvoll belegen und mit höchstem Genuss befolgen denn zu den großartigen Bildern (die auch mal wieder daran erinnern, dass der Jazz kein ernstes Trockenbrot ist, sondern sprudelnder Quell reiner Lebensfreude] gibt es vier CDs mit klassischen Aufnahmen von Start Getz, Dexter Gordon, Oave Brubeck, Paul Bley, Chet Baker, Miles Davis und und und, sortiert unter den etwas uncoolen, aber funktionierenden Mottos „Swing & Joy“, „C00I& Soft“, „Blues & Classics“ und „Bop & More“.