Sex Pistols – The Great Rock-‚N‘ Roll Swindle

Es gibt Leute, die machen -pardon!- aus Scheiße Geld. Herr McLaren ist so ein Typ. Momentanes Tätigkeitsfeld des ex-Sex-Shoppers und ex-Rock-Managers: Leichenfledderei. Ein Jahr nach dem allzufrühen Exitus der Sex Pistols ist er angetreten, deren Fangemeinde noch einmal nach Strich und Faden zu melken: mit einem Pistols-Film und dem dazugehörigen, vorab veröffentlichten Soundtrack. Um dreiste Werbegags nie verlegen, verhökert er das Ganze als Dokumentation einer Hype-Karriere, als Enthüllung eines genialen „Rock’n’Roll Swindle“. Natürlich ist die ganze doppellange Platte selbst ein noch größerer Schwindel: kaum die Hälfte der Songs besteht aus bislang zu Recht unveröffentlichten Pistols-Material – die restliche Laufzeit ist mit orchestralen Coverversionen eigener Titel und Musicalgeseich notdürftig zugepappt.

Jenseits des musikalischen Bankrotts allerdings macht diese Schundscheibe noch mehr betroffen: sie gibt allen Skeptikern Oberwasser, die schon immer zu Unrecht behauptet haben, Punk und Rechtsradikalismus seien oftmals ein und dasselbe Paar Schuhe. Nicht nur, daß das LP-Cover eine einzige Geschmacklosigkeit ist, montiert aus Tierkadavern, exhibitionistischen Posen und Nazisymbolen; der Geist des Hakenkreuzes reicht tief hinein in die Substanz dieser oberflächlich auf Schock frisierten Scheibe. Da stimmt Johnny Rotten in abgeschmacktester Doppeldeutigkeit einen Song an mit dem Titel „Belsen was a gas“. Sein krudes Gestammel über KZs und Judenvernichtung gipfelt in der höhnischen Zeile: „Life is fun – wish you were here“. Gleich anschließend läßt sich Posträuber Ronald Biggs denselben Song noch einmal auf der Zunge zergehen, mit dick aufgetragenem deutschen Akzent („Belsen vos a gassa“).

Über den politischen Geisteszustand von Cook, Jones und Biggs dürfte es ohnehin seit ihrem gemeinsamen „God save Martin Borman“ kaum noch größere Zweifel gegeben haben. Um so erstaunlicher, wie unbekümmert die Ariola als deutscher Vertriebspartner des sich ach so progressiv gebenden englischen Virgin-Labels mit derlei braunen Parolen verfährt. Da liest man – in Frakturschrift auch noch! – auf dem Cover die Übersetzungen der Originaltitel: „Einmal war Belsen vortrefflich“ und „Einmal war Belsen wirklich vortrefflich“.

Man fragt sich bei dieser Platte doch, wieviel Holocaust-Filme noch laufen müssen, bis die Plattenmanager des Hauses Bertelsmann einen Anflug von peinlicher Betroffenheit verspüren. Von ihrer publizistischen Verantwortung ganz zu schweigen: schließlich gibt es hierzulande Gesetze gegen NS-Propaganda und die Billigung von Gewalt. Das alles hat schließlich nichts mehr zu tun mit den Schocksprüchen, mit denen die Punk-Bands zu Beginn der neuen Welle Aufmerksamkeit erheischen wollten (siehe Siouxsie ME 4/79).