The Singles

So mit das Schönste an „Neighborhood #2 (Laika)“ [Rough Trade/Sanctuary/Rough Trade] von Arcade Fire ist das Format. Die Single kommt als 3-lnch-CD im hübschen Faltcover. Der Ziehharmonika-Titelsong wird ganz groß, wenn man ihm nur lange genug Zeit läßt. Und die (non-album) B-Seite „My Buddy“ ist der Wahnsinn. Diese sort-of-Coverversion eines Songs des Alvino ReyOrchestraistein Hawaii-Gitarren-Schlonz-30er-Jahre-Tanzorchester-Dingens mit Vocoderstimme. Das klingt wie „Ananas Symphonie“ von Kraftwerk, nur ganz anders.

Conor Oberst hat das richtige getan. Den besten Song des Bright-Eyes-Folk-Albums I’M WIDE AWAKE, IT’S MORNING als Single ausgekoppelt. „First Day Of My Life“ (Saddle Creek/Indigo) ist ein tragisches, bittersüßes Liebeslied, das uns daran erinnert, wieso wir Musik hören. Weil wir das Bittere, die Tragik lieber aus zweiter Hand erfahren, als selber zu erleben. Die Single hat noch mehr: den wütenden Politsong „When The President Talks To God“ mit einem – Überraschung – manisch-aufgedrehten Conor Oberst. Und „True Blue“, einen der besten Songs der letzten Jahre, bei dem Oberst mit dem Wörtchen „blue“ atemberaubende Textkapriolen schlägt.

Remixe von Rock’n’Roll-Liedern gehen gar nicht, was? Auf „Crunchy“ (Mute/Virgin) von der Blues Explosion, einem rumpelnden, groovenden Drecksriffrocker, ist noch „Mars Arizona“ im „DFA Remix“ mit drauf. Der alte Blues-Not-Blues-Weirdo Jon Spencer in a Discopunk frenzy courtesy of James Murphy & Tim Goldsworthy. Und wie das geht. Daß da noch ein Remix von Solex und zwei von TMJ (of !!!!-fame) mit drauf sind, haben wir gar nicht bemerkt.

Was für eine Kombination. Burnt Friedman & Jaki Liebezeit Featuring David Sytvian haben mit „Out in The Sticks“ (Nonplace/Groove Attack] ein unverschämt relaxtes, grooviges Mikro-Dub-Ambient-Stück hingekriegt. Liebezeits Minimal-Groove muß man hören, der hat sich sowas von gewaschen. Auf „The Librarian“, einem der beiden B-Seiten-Songs, darf David Sylvian dann singen wie ein in Würde gealterter Crooner. Toll.

Jetzt einen charmanten Übergang zu Green Day zu finden, ist verdammt schwer. Deshalb lassen wir das. Mit dem Übergang. Irgendwie sind die doch nicht die Spaßpunk-Vollidioten, für die sie von vielen seriösen Musikliebhabern gehalten werden. Da ist mehr dran bei Green Day. Echt. Und „Holiday“ (Reprise/Warner) ist ein eingängiger Pop-Punk-Schlager, der auch noch nach dem dritten Ramazzotti mit Zitrone schmeckt. Die Single kommt mit zwei unveröffentlichten Live-Tracks („Holiday“, „Boulevard Of Broken Dreams“).

Vielleicht ist das ja super. So überhaupt gar nicht wehtuender, leicht verhuschter Schlagerpop mit Judith-Holofernesker Sängerin in nur noch ein bißchen niedlicher. „Tausendfach“ (Modernsoul/MinistryOf Sound/ Edel) von Klee geht hier rein und da wieder raus, ohne auch nur den Hauch eines Spurenelements einer Emotion zurückzulassen. Vielleicht ist das ja auch Absicht. Aber „Red nicht von Straßen“, geschrieben von und gesungen mit Tom Liwa, geht dann doch in Ordnung. Theoretisch.

Nehmen wir die Veröffentlichung der Single „California“ (Rough Trade/Sanctuary/Rough Trade) wieder einmal zum sehr willkommenen Anlaß, um die Nachricht zu verbreiten, daß das Low-Album THE GREAT DESTROYER eines der besten dieses Jahres ist, an dessen Ende sich freilich niemand mehr daran erinnern wird, weil es so früh im selben erschienen ist. Kapiert? A-Seite; das relativ sonnenscheinige, catchy „California“. B-Seite; eine wunderbare, akustische Alternativ-Version des Albumtracks „Cue The Strings“ plus das Video zu „Death Of A Salesman“.

Maximo Park, The Futureheads, Kaiser Chiefs oder The Others. Wer ist denn nun „besser“? Bloc Party natürlich. Nein, nein, Maximo Park sind toll, und „Grafitti“ [Warp/Rough Trade] ist ein Wirbelsturm von einem Gitarren-vs.-Orgel-vs.-manischer-Gesang-Indie-Rocker, der alles wegfegt. Auf der B-Seite: das etwas „versöhnlichere“, aber nicht unhittigere „Trial And Error“. das es nur hier gibt. Und bitte nicht vergessen, CD 2 auch noch zu kaufen. Da ist das Demo von „Apply Some Pressure“ drauf.

Man könnte eine Besprechung von „Blinded By The Lights“ [679 Recordings/Warner] von The Streets mit einer theoretischen Betrachtung über das „Phänomen“ Mike Skinner beginnen, darüber fabulieren, daß The Streets HipHop für Indie-Rocker ist. Man kann aber auch den Miesepeter drinlassen und anerkennen, daß „Blinded By The Lights“ ein Hit ist – und vor allem – daß auf dieser Single auch noch „Geblendet vom Licht“ drauf ist, die „Sido feat. Shizoe Version“. Und dabei fliegt dir – bildlich gesprochen- glatt der Vogel raus. Sido mit dem charmanten Rhyme-Flow auf einer Streets-Single. Was geht denn da?

Menschen, die Coldplay so richtig dufte finden und auch dem Charme von Keane nur schwer widerstehen können (auf Wunsch des Lesers keine despektierlichen, pauschal bestimmte handwerkliche BerufsgruppInnen diskriminierende Vergleiche, diesmal), der kommt an Without Gravity aus Island einfach nicht vorbei. Keinesfalls. „Beautiful Son“ (One Little Indian/Rough Trade) ist Kuschelpop reinsten Geysir-Wassers. Akustische Gitarren, die sich nicht die Mühe machen, indie sein zu wollen, billige Fake-Streicher, ein Sänger mit einem Kloß im Hals und einem Gesang, derwahlweise an Anastacia oder an Tracy Chapman oder an die Four-Non-Blondes-Tante erinnert und ein Slide-Gitarrensolo, bei dem du eine Gänsehaut (in gruselig) bekommst. Beim nächsten Mal erklären wir dann die Mehrfachbedeutung, die das schöne deutsche Wort „Feuerteich“ im Coburger Land besitzt.