The Stooges – Fun House

Acht Stunden Musik von einer einzigen Albumsession auf sechs CDs – keiner anderen Band wurde bislang so eine Ehre zuteil. Da kann noch nicht einmal der mittlerweile völlig, wenn auch luxuriös ausgeplünderte Miles Davis mithalten. Bislang waren solche Mammutproduktionen – wie in diesem Falle mit mehr als 20 verschiedenen Takes jedes einzelnen Titels, x-mal falsch gespielten Intros, überflüssigem Studiogelaber, musikalischen Grundsatzdiskussionen, minutenlangem Schweigen der Bandmitglieder sowie raren Single-Mono Mixen („Down On The Street’7,,1 Feel Alright“) nur unter der Hand, als Bootleg (zum Beispiel die THEIR SATANIC MAJESTIES REQUEST-Sessions der Rolling Stones) erhältlich. Das in Los Angeles beheimatete Reissue-Label Rhino legt nun seit Herbst 1999 in limitierter Stückzahl (im Falle der Stooges 3000) Glanzstücke der Rockhistorie neu auf, die allerdings nur exklusiv über das Internet zu beziehen sind (www.rhinohandmade.com). Eher konservativ orientierte Gemüter werden noch nicht einmal den Namen der Detroiter Formation kennen, geschweige denn mit diesem archaischen Stück Wildheit irgend etwas anzufangen wissen. FUN HOUSE war ein grandioser Longplayer-eingespielt im Mai 1970 in Los Angeles – auf dem kein einziger der sieben Ur-Tracks („Down On The Street“, „Loose“, „TV Eye“,“Dirt“,“1970″,“Fun House“,“LA. Blues“) auch nur im geringsten Schwächelt. Aufgeklärte Zeitgenossen wissen natürlich längst, dass sich nach dem im gleichen Jahr erschienenen, 36 Minuten langem zweiten Werk der Stooges, auf dem auch Free-Jazz-Saxofonist Steven Mackay mitwirkte, die Musikwelt von Grund auf verändern sollte. Fassbar wurde dieser Umbruch erst ab 1975/1976, als sich in New York und London ein neuer, etwas plakativ nach einem Fanzine benannter Musikstil durchzusetzen begann: Punk. Doch eine Frage muss erlaubt sein, ohne die Existenzberechtigung dieses opulenten 6-CD-Projekts mit seinem bahnbrechenden Inhalt ernsthaft anzweifeln zu wollen: Wer, bitteschön, ist denn bereit, 142 Tracks am Stück durchzuhören?