Popkolumne, Folge 105

Fix me: Paulas Popwoche im Überblick


Paula Irmschler über Dolly Parton, Daft Punk, Five Souls, die Power der K-Pop-Fans und die Billie-Eilish-Doku.

Als ich hier letztens wie so ein erwachsener Mensch mit bloßen Händen eine Lampenfassung anbrachte, wo die Kabel so reingefriemelt werden müssen in die Lüsterklemme, wurde mir klar, auch ich resigniere mittlerweile wohl irgendwo. Teilweise hat man doch längst aufgegeben … Neue Regelungen werden mehr oder weniger hingenommen, der Kopf wird schon noch geschüttelt, vielleicht wird auch ein bissiger Kommentar ins Netz geschrieben, aber wenn man sich überlegt, dass durch Lockerungen, die jetzt wieder anstehen, alles wahrscheinlich bald wieder noch schlimmer wird, ist das so traurig und schlimm, dass Resignation natürlich der einfachste Weg ist. Okay, dann werden wir eben alle einsam sterben. Doch, halt, stopp! Das geht natürlich nicht. Kämpfen, Leute, kämpfen! Wir haben ja jetzt auch die eh wunderbare Jella Haase an Bord. Kapitalismus, Corona, wir kriegen euch noch klein!!! GElüsterklemmen gibt es nämlich nicht.

Auch an Bord: Dolly Parton

„I’m old enough to get it, I’m smart enough to get it” – wie cool kann man sein? Dolly Parton lässt sich öffentlichkeitswirksam impfen und nennt Coronarelativierer einfach mal „cowards“ und mahnt: „Don’t be such a chicken squat!“ Und als wär das nicht schon genug Ansage, singt sie eine kleine Neuinterpretation von „Jolene“, jetzt „Vaccine“. Feinstes Material für eure Familien-Whatsapp-Gruppe!

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Tschö, Daft Punk

Eigentlich ist es schon wieder ein alter Schuh, dass sich Daft Punk getrennt haben, es war Anfang vergangener Woche. Und überhaupt: Es gab sie doch eh schon lange nicht mehr, hat sie in den vergangenen Jahren mal jemand zu Gesicht bekommen? Haha. Wegen der Helme … Ich hab mich jedenfalls gefragt, warum man sich im Jahre 2021 überhaupt noch als Band trennen muss. Lasst es halt einfach bleiben. Dann macht eben erstmal nichts zusammen, who cares? Wir sind doch lange nicht mehr in diesem Plattenindustrie-Mindset, das eine Platte pro Jahr vorgab. Aber warum diese endgültigen Absagen? Haltet euch das Hintertürchen offen und lasst uns unsere zart keimenden Hoffnungen, dass da irgendwann nochmal was kommt. Ich finds albern, genau wie jede Trennung. Und dann wird wieder mit unseren Gefühlen gespielt, ich sehe schon die Comeback-Touren und am Ende wird man nach vielen Jahren wieder fitgeschminkt und bringt eine 20-Jahre-Jubiläum-„Daylight“-Single raus. Wir kennen doch das Spiel! Apropos Spiel: Wie einfach und genial Daft Punk beim Samplen vorgegangen sind, hat hier mal jemand dargestellt, ich find’s so geil:

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Talkformat der Woche: Five Souls

Was hab ich mich auf die Sendung gefreut, nachdem sie in den sozialen Medien angekündigt wurde. Fünf coole Personen unterhalten sich über relatable Themen und es sind nicht die nervigen Laberheinis, die man aus allen anderen Formaten kennt? I’m in! Und dann war es endlich so weit: Die Pilotfolge war auf YouTube, Thema: „Schwiegereltern – Fluch oder Segen für die Beziehung“, gleich gefolgt von einer weiteren Folge „Freundschaft mit der oder dem Ex: Easy oder Illusion?“ und ich wurde nicht enttäuscht. Das Konzept: Die Hosts Hadnet Tesfai, Tasha Kimberly und Thelma Buabeng laden immer zwei zusätzliche Gäste ein und dann wird ganz normal gelabert, was einem zum Thema einfällt, ohne das berühmte Blatt vorm Mund, dazu gibt es Fragespiele. Einziges Manko: Mir ist es etwas zu schnell und vor allem zu schnell vorbei, aber man kann sich die Folgen ja auch aufheben und dann bingewatchen. Ab sofort gibt es jeden Donnerstag um 17 Uhr bei YouTube eine Folge.

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Vorsicht vor K-Pop-Fans

Ihr wisst, dass hier ein großer Coldplay-Fan schreibt, aber Macker wie Bayern-3-Moderator Matthias Matuschik beschämen unsere Community. Der ist unlängst live on air ausgetitscht, weil BTS „Fix You“ gecovert haben. Es ist diese peinliche Boomer-Mentalität, dass junger Pop nicht authentischen alten Rock covern darf, aber, Typ, chill: Es geht um Coldplay. Aber nicht nur das, Matuschik hat sich in eine rassistische Tirade reingesteigert, in der er Parallelen von BTS zum Coronavirus zog (weil irgendwas mit Asien). Das ist unter anderem deswegen so gefährlich, weil seit der Coronapandemie asiatisch gelesene Menschen noch häufiger rassistisch attackiert werden, teilweise sogar körperlich. Unter #ichbinkeinvirus sammeln seit nunmehr einem Jahr Betroffene von dieser Gewalt ihre Erlebnisse.

Das Gute ist, dass die Welt sich weitergedreht hat und solche Typen ihre Egomätzchen nicht mehr unwidersprochen in die Welt ballern können. Und man darf halt niemals mehr die Rechnung ohne die unfassbare Power der K-Pop-Fans machen. Die haben prompt und mit einem Shitstorm reagiert. Und es ist nicht das erste Mal, dass sie sich als die progressivste Gang der Stadt herausstellen: So haben sie zum Beispiel im Zuge von „Black Lives Matter“ im vergangenen Jahr den #alllivesmatter-Hashtag gekapert, um Rassisten zu vertreiben. Und ebenfalls im letzten Sommer registrierten sie sich zuhauf für eine Wahlkampfveranstaltung von Trump in Oklahoma, nur um dann nicht hinzugehen und Trump leere Plätze zu präsentieren.

Die Podcasterin Thea Suh hat in ihrem Podcast „DonnaSori“ das ganze Thema um Matuschik und BTS noch mal ausführlicher besprochen.

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Und übrigens: Coldplay mögen die BTS-Version von „Fix You“, also schleich dich, alter Bayernmann.

Buch der Woche: „Ministerium der Träume“

Dass Hengameh Yaghoobifarahs Romandebüt hervorragend wird, war eh klar, dass es mich aber so umhauen würde, hat mich trotzdem überrascht. Es hat mich in seinen Bann gezogen, yes. Wenn ich nicht daran weiterlesen konnte, wegen Spaziergängen zum Beispiel, bin ich zeitweilig auf das ebenfalls bereits erschienene Hörbuch ausgewichen, um nichts zu verpassen. Ganz als ob die Figuren in „Ministerium der Träume“ weiterleben und weitertüteln würden, auch wenn ich nicht hinguckte. Die Figuren, das sind vor allem Nasrin, ihre Schwester Nushin und Nichte Parvin und deren Beziehungen zueinander, nachdem Nushin bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Nasrin ist eine Türsteherin um die 40, queer, links, musikbegeistert, die vor vielen Jahren mit ihrer Schwester Nushin von Lübeck nach Berlin gezogen ist, um ein freieres Leben zu führen. Jetzt treibt sie um, weshalb ihre Schwester gestorben ist und sie bewegt sich zwischen Erinnerungen und Theorien durch die Gegend und durch Menschen. Yaghoobifarahs Sprache ist poetisch und trotzdem normal, die Geschichte irgendwas zwischen Poproman und Krimi. Ich liebe dieses Buch, lest auch ihr dieses Buch.

Doku der Woche: „The World’s A Little Blurry“

Es mag viele jetzt schockieren, aber ich liebe Billie Eilish. Als ich mir vorletzte Nacht endlich die Doku ansah, hat es mich komplett weggebeamt. Wie toll kann man sein? In dem Alter? Und überhaupt? Dabei lässt einen „The World’s A Little Blurry“ glücklicherweise nicht vergessen, dass Eilish noch ein Teenager ist. Sie macht Musik mit ihrem Bruder im Kinderzimmer, ist albern, schlecht gelaunt, unsicher, unglücklich verliebt, hat Zukunftsängste. Aber nicht alles sind „nur Teenieprobleme“: Eilish thematisiert genauso ihre Depression, ihr Tourette und wie der Druck zunimmt mit steigendem Bekanntheitsgrad. Ein bisschen komisch ist es schon, in welch intimen Momenten die Kamera draufgehalten wurde, teilweise von ihrer Mutter, dann auch von externen Leuten. Eilish beschrieb es in einem Interview selbst als „invasive“, aber sie wollte es wohl so und ist mit dem Ergebnis zufrieden, also will ich nicht die paternalistische Mutter raushängen lassen.

10 Fakten über Billie Eilish

Apropos Mutter. Während Eilishs Vater ständig was im Hintergrund zu basteln scheint, begleitet ihre Mutter sie bei allem. Und nachdem wir jetzt bei „Framing Britney Spears“ sehen konnten/werden, was alles schiefgehen kann, wenn eine sehr junge Frau weltweit populär ist, kann man bei „The World’s A Little Blurry“ sehen, wie es anders gehen kann und gleichzeitig Fehler wiederholt werden.

Es gibt diese Szene, in der Eilishs Mutter sie nach einem Konzert einem riesigen Pulk von „wichtigen“ Menschen aussetzt, nachdem Eilish mehrfach betont hat, sie könne das gerade nicht und völlig aufgelöst scheint. Das Krasse: Eilish sagt danach, dass das eine Scheißaktion war und die Mutter sieht es ein. Diese Durchsetzungskraft, die sie, damals 17-Jährige, hat, ist natürlich nicht jeder Person möglich, sei es, weil sie nicht das Selbstbewusstsein haben, ängstlicher sind oder das Umfeld beschissener ist. Aber Eilish hat auch ihren wunderbaren Bruder Finneas, der wirklich eine sehr gute Bruderpartie zu sein scheint und sie sehr unterstützt. Aber das berührendste ist wohl die Beziehung zu Justin Bieber. Bieber, der selbst mit sehr viel Shit in jungen Jahren klarkommen musste, scheint ernsthaft bemüht, Eilish zur Seite zu stehen und kontaktiert sie. Und dann gibt es diese Szene, in der sich die beiden zum ersten Mal begegnen, im Graben eines Ariana-Grande-Konzerts beim Coachella. Als Billie da in Justins Armen liegt, einfach nur weint und er sie immer fester drückt, ist irgendwie alles klar.

Bumms, Cactus, Nichols: Linus Volkmanns Popwoche im Überblick

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