Popkolumne, Folge 63

„Nazi-Supermenschen sind uns überlegen“: Volkmanns Popwoche im Überblick


In unserer Popkolumne präsentiert Linus Volkmann im Wechsel mit Paula Irmschler die High- und Lowlights der Woche. Welche Künstler*in, welche Platte, welcher Schlumpf lohnt sich (nicht) – und was war sonst noch so los? Parole: „Shut up - and sleep with me“. In der neuen Folge zur KW 17/2020 wird zudem der Künstler Nagel live hinzugeschaltet, er erzählt über sein neues Buch und die Zukunft von Muff Potter. Dazu kein Wort über PEGIDA. Na, dann, melkt die Pferde und glotzt aufs Display: Die neue Popwoche ist da!

LOGBUCH, KALENDERWOCHE 17/2020

Da kann die Open-Air-Zielgruppe lange „Helga!“ brüllen: Für diesen Sommer hat die passionierte Wacken-Gängerin Angela Merkel alle Festivals abgeblasen.

Ich wollte den Betroffenen daher etwas zurückgeben – und meldete mich beim Musikquiz der Festivalcommunity an. Als professioneller Musikjournalist würden die Open-Air-Kids sicher gern von meinem Wissen profitieren #Popjesus. Beim Zoom-Meeting (34 Teilnehmer) dann die Überraschung: Alle anderen sind besser informiert als ich. Sei es über Joey Bada$$, die Schlumpftechno-Version von Kesha oder diesen einen Sänger, wie hieß er noch? Komm‘ nicht auf den Namen, huch schon die nächste Frage, ich glaube, ich muss weinen!

Zum Schluss rufen die Festival-Kids mir noch in mein nasses Digital-Grab hinterher, das nächste Mal würden sie doch lieber mal Nilz Bokelberg mitmachen lassen. Wie schlimm wird Corona bloß noch werden?!

EVIL CORPORATION DER WOCHE: SIMPSONS VS MICKY MAUS 0:1

„Es gibt keine richtigen Gags im Falschen“, so treffend brachte es einst schon Theodor W. Adorno beim Binge-Watching der „Familie Feuerstein“ auf Papier. Daran fühlt man sich nun erinnert, wenn man bei dem neuen Streamingdienst von Disney noch mal jene „Simpsons“-Passagen ansieht, in denen sich „die gelbste Familie der Welt“ (Pro7) über den Micky-Maus-Konzern lustig macht, der mittlerweile ihre Ausstrahlungsrechte hält.

In der Folge „Der unheimliche Vergnügungspark“, der offensichtlich auf Disneyland verweist, wird beispielsweise Walt Disney selbst karikiert und darauf Bezug genommen, dass er eine antisemitische Gesinnung besessen haben soll. Stichwort: „Nazi-Supermenschen sind uns überlegen“.

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Auch im Simpsons-Film von 2007 findet sich ein markanter Diss gegenüber Disney: Bart Simpson sagt mit Micky-Maus-Ohren: „I’m the mascot of an evil corporation“. Tja, Bart nun auch. Denn dieser Film ist heute ebenfalls im Angebot von Disney+.

Screenshot

LISTE DER WOCHE: DIE 20 BESTEN SIMPSONS-FOLGEN

Apropos Evil Corporation, apropos kostenlose Probewoche bei Disney+.

Die Challenge: Wie kann man diese sieben Tage mit den besten Simpsons-Folgen füllen? Als Anregung hier die 20 Folgen, die ich ausgewählt habe. In der Reihenfolge wie sie einer Simpsons-unkundigen Mitguckerin* am besten gefielen. Auch wenn einige Original-Titel irreführend oder total dumm sein sollten, gebe ich hier die deutschen Episoden-Namen an. Viel Spaß beim bloßen Erinnern während des Lesens!

  1. Lisas Sommer
  2. Homer und gewisse Ängste
  3. Der behinderte Homer
  4. Die Reise nach Knoxville
  5. Karriere mit Köpfchen
  6. Homer und New York
  7. Lisa auf dem Eise
  8. Homer der Auserwählte
  9. Homie der Clown
  10. Ein verlockendes Angebot
  11. Lisas Hochzeit
  12. Die Akte Springfield
  13. Homer, der Weltraumheld
  14. Homers merkwürdiger Chili-Trip
  15. Die japanische Horror-Spiel-Show
  16. Homer auf Tournee (Homerpalooza)
  17. Auf Wildwasserfahrt
  18. Homer kommt in Fahrt (Monorail)
  19. Der unheimliche Vergnügungspark
  20. Wer erschoss Mister Burns?

* Für dieses aufwändige Live-Experiment zur Verfügung stellte sich die bildende Künstlerin Katharina Schmidt a.k.a. kwittiseeds

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MINI-INTERVIEW DER WOCHE: Thorsten Nagelschmidt

Den älteren Zuschauern ist er sicher noch bekannt unter seinem Deutschpunkkampfnamen Nagel. Ob auf US-Tour für sein letztes Buch „Der Abfall der Herzen“, auf Reunion-Trip mit Muff Potter, oder zuletzt noch als ZEIT-Journalist bei den Unruhen in Chile – bei Thorsten Nagelschmidt ist irgendwie immer Action. Nächste Woche erscheint sein neuer Roman: „Arbeit“ (Fischer Verlag). Der ist auch eine Hommage an die Geschöpfe der Nacht geworden – vor allem für die, die nicht feiern, sondern schuften.

Nagel, Dein Roman hat von der zeitlichen Verdichtung was von der Serie „24“ – was ist für dich die Idee dahinter?

Thorsten Nagelschmidt: Der Roman spielt in einer Freitagnacht Ende März, wenn die Nacht genauso lang ist wie der Tag. 12 Stunden zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang, und das dann eben nicht aus dem Innern des Ausgehbetriebs, sondern aus Perspektive derjenigen, die nachts unterwegs sind, um zu arbeiten – nicht weil sie ins Rampenlicht wollen oder sich selbst verwirklichen. Ein Kapitel im Buch heißt »Zwölf Stunden sind kein Tag«, das ist natürlich ein Verweis auf die Fernsehserie »Acht Stunden sind kein Tag« von Fassbinder aus den Siebzigern. Feuerwehrleute und Sanitäter in Berlin fahren halt wirklich Zwölfstundennachtschichten, was mir komplett wahnsinnig erscheint, wenn man sich einerseits mal deren Verantwortung und die Bezahlung andererseits anschaut.

Du hast für dieses Buch viel im Jobmilieu der Nacht recherchiert?

Ich habe Dutzende von Menschen mit sehr unterschiedlichen Backgrounds interviewt, oft stundenlang und viele mehrmals. Außerdem habe ich natürlich viel gelesen und manche Tätigkeiten selbst ausgeführt, zum Beispiel einen Monat lang Nachtschichten in einem ziemlich abgefuckten Hostel gekloppt oder an diversen Clubtüren gestanden. Hatte für mich also durchaus etwas Wallraffiges an sich, einmal wurde ich auch enttarnt.

Die große Lesetour zu „Arbeit“ kann erstmal nicht stattfinden. Wie sehr nervt Dich das und kannst Du der Situation auch etwas Positives abgewinnen?

Nervt mich kolossal und ich kann dem überhaupt nichts Positives abgewinnen. Vor allem fällt mir gerade täglich auf, was für ein soziales Wesen ich bin. Ich will unter Menschen sein, will Austausch, Action, Bands sehen, etwas erleben, mit anderen. Digital ist besser? Dass ich nicht lache.

[Zum Buch-VÖ-Tag am 29.04. wird zumindest eine Lesung aus dem Festsaal Kreuzberg im Live-Stream stattfinden]

Muff Potter hauen mit „Was willst du“ den ersten neuen Song seit elf Jahren raus

Es kam vor wenigen Wochen überraschend ein neuer Muff-Potter-Song raus. Wie kam es dazu und wird es also vielleicht doch eine Comeback-Platte geben?

Wir haben uns im Dezember eine Woche lang zusammen eingeschlossen und an neuer Musik gearbeitet. Für April war eine zweite Session geplant, die musste wegen der aktuellen Situation aber ausfallen. Also kam die Idee auf, einen der Songs fertig zu machen, aufzunehmen und sofort zu veröffentlichen. Unter normalen Umständen hätten wir da 1000-mal hin- und her überlegt, nun musste alles ganz schnell gehen. Insofern hatte Corona vielleicht doch was Gutes: Wir wissen jetzt, dass wir noch neue Musik miteinander machen können, und ein neues Muff-Potter-Album ist zumindest nicht unwahrscheinlicher geworden.

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ALBUM DER WOCHE: SHIRLEY HOLMES

Shirley Holmes aus Berlin veröffentlichen diese Woche ihre neue Platte „Die Krone der Erschöpfung“. Aufgekratzter Punkrock mit Schirm, Charme und Dosenbier. In ihrem aktuellen Video beziehen sie gleich auch noch die herrschenden Virus-Umstände sowie viele illustre Gäste mit ein – neben Corona also unter anderen noch dabei: Sookee, Angelika Express, die Supererbin, Bernadette La Hengst sowie Kerstin und Sandra Grether.

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MEME DER WOCHE

Guilty oder Pleasure? (90s-Edition Pt.4)

Die Sache ist ganz einfach: Ein verhaltensauffälliger Act aus dem Trash-Kanon der 90er wird noch mal abgecheckt. Geil or fail? Urteilt selbst!

FOLGE VIER:
Sin With Sebastian

HERKUNFT: Neustadt an der Weinstraße
DISKOGRAPHIE: Ein Album und paar Zerquetschte
ERFOLGE: Die Single „Shut Up (And Sleep With Me)” erreichte in Deutschland Gold-Status.
TRIVIA: Er nahm den Gaydisco-Klassiker für Boomer „Er gehört zu mir“ neu auf. In einer englischen Version im Duett mit der Original-Interpretin Marianne Rosenberg – unter dem Titel „He belongs to me“.

PRO
Ein queeres One-Hit-Wonder, das in quietschbunter Ästhetik schwules Begehren und schwule Sexualität sichtbar machte. Emanzipatorischer Euro-Trash, der einen zusätzlich auch noch sehnsuchtsvoll an die Bonbon-Welt der frühen VIVA-Jahre zurückdenken lässt.

CONTRA
Pop wie ein explodierter Zirkusclown – verglichen mit diesem musikalischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit wirken Right Said Fred ja noch wie richtige Intellektuelle. „Shut Up (And Sleep With Me)“ ist Ermüdung im Zeitraffer: Beim ersten Refrain summt man noch mit, spätestens beim dritten allerdings möchte man sich selbst ohnmächtig schlagen.

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Sexting, Mavi Phoenix und abgesagte Festivals: Paulas Popwoche im Überblick

Was bisher geschah? Hier alle Popkolumnentexte im Überblick.

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