Pretenders


Herzlich ist nicht das Wort, das man normalerweise mit einem Pretenders-Gig assoziiert – desinteressiert, distanziert, das trifft es eher. Aber herzlich war es tatsächlich: Chrissie Hynde spielend, posierend, schwätzend, tanzend, über sich selbst lachend, nicht zynisch, nicht abgetörnt. sondern herzlich! Von der üblichen Distanz zum Publikum keine Spur.

Ich habe Pretenders-Gigs gesehen, die den Worten Lethargie und Desinteresse eine neue Bedeutung gaben: aber dieser war anders. Ist es Chrissies mütterliche Blüte oder der Überlebenswille der Band – jedenfalls klangen sie überzeugender, selbstsicherer, besser als je zuvor.

Die Harmonie und Stabilität der neuen Band erlaubt es Chrissie. ausdrucksvoller als gewöhnlich zu klingen. Anstatt der oftmals limitierten Stimme – von aggressiv bis abgetörnt – klingt sie zärtlich, wo Zärtlichkeit verlangt wird („Kid“, „Stop Your Sobbing“, „Show me“): dreckig, wo Schleim und Schmutz gefordert ist: kühn und keck und überheblich wie immer (es gibt niemanden, der „fuck off“ so singen kann wie Chrissie), aber ohne den pubertären Brutalo-Touch.

Und natürlich ist da immer noch dieser Schmerz in der Stimme. Man höre etwa „Thin Line Between Love And Hate“. das zwar mit Malcolm Forsters und Robbie Mclntoshs kräftigen Harmonien beginnt, doch dann in schmerzerfüllten Soul gleitet, den man immer weit hinten in ihren Stimmbändern vermutete.

Der Sound ist makellos – laut, scharf und knallend, mit Klecksern von den Keyboards sowie leichtem Echo auf Chrissies Stimme, das ihr manchmal einen ätherischen Joni Mitchell-Charakter verleiht. Die neuen Jungs blicken cool, Chambers hat schließlich doch noch gelernt, wie ein Profi Schlagzeug zu spielen, schließlich Chrissie, wie gewöhnlich in einem Herren-Jacket und Lederhose.

Der einzige Unterschied besteht darin, daß sie dieses Mal – posierend, mit Malcolm tanzend, am Bühnenrand auf die Knie fallend, zwischen den Songs mit ihrem Publikum parlierend und ihre Gitarre wie im Triumph über den Kopf hochreißend – zum ersten Mal entspannt und überzeugend den Rockstar spielt.