Mutter

Text und Musik

Clouds Hill/Rough Trade

Luftiger denn je, gut wie immer: Mitdenkende, mitfühlende Rockmusik der Berliner Veteranen.

Ich schäme mich Gedanken zu haben die andere Menschen in ihrer Würde verletzen. (Nur echt ohne Kommas.) Man sollte diesen Satz aufsagen, wenn man morgens die sozialen Netzwerke oder die U-Bahn betritt. Es macht einen zu einem besseren Menschen. Und glücklich. Das so betitelte Album erschien 1989, Dirk von Lowtzow war gerade 18 geworden, Jochen Distelmeyer stand kurz davor, Blumfeld zu gründen. Mutter ist also die Mutter.

Mama geht es blendend: TEXT UND MUSIK erscheint auf dem Label Clouds Hill, wurde im dazugehörigen Hamburger Studio aufgenommen, was ein gutes Zeichen ist, denn die Zeit, in der Mutter alles selbst erledigen mussten, scheint erst einmal vorbei. Vielleicht deshalb diese neue Leichtigkeit: Die Band von Sänger Max Müller hat das Metallische fast abgelegt. Viele Songs haben Luft, und die tut ihnen gut. Plötzlich klingen die Berliner stellenweise wie eine andere Band, die kaum jemand kennt, die aber unglaublich gute Musik gespielt hat: Busch aus Bonn. Die waren zwar deutlich mehr Indiepop, aber zum Beispiel „Land der freien Waffen“ (was für ein Titel!) hat einen ähnlichen Fluss.

Müller singt dazu klare Sätze über die aktuelle Situation der Andersdenkenden in diesem Land. Aber er entwirft auch einige brillante Charakterstudien, wie die über eine Frau aus Spandau, die „Ihr kleines Herz“ sonderbar verrückt  schlagen hört. Kurz danach stöhnt sie in den Armen eines Mannes laut auf – und Mutter spielen dazu einen Discobeat. Perfekte Momente sind es, die dieser beschissenen Welt den Arsch retten.