Scharfe Schwestern


Das doppelte Lottchen in einer Band: Die Zwillinge Kelley und Ex-Pixies Kim Deal spielen gegen Rock-Konventionen an

Die Luft im 15-Mann-Tourbus der Breeders ist zum Schneiden. Während sich Drummer Jim MacPherson und Bassistin Josephine Wiggs gemütlich auf ihren Sitzen räkeln, bläst Kim Deal eine weitere Rauchwolke ihrer Marlboro durch das geöffnete Busfenster in den Himmel des Bundesstaats Ohio. Die frühere Bassistin der Pixies ist in Philosophier-Laune: „Als es losging mit den Breeders, wollte unsere Plattenfirma eine amtliche Alternative-Girl-Band. Eine Band, die auf gar keinen Fall Make Up trägt“, grinst die 32jährige, während sie sich in aller Ruhe die Fingernägel dunkelblau lackiert. „Der ganze Image-Blödsinn hat sich sogar auf meine Mutter übertragen“ , führt sie weiter aus. „Neulich hatte ich mich gerade für eine Party zurecht gemacht und sie sagte doch glatt zu mir: ,Hey, wo sind denn deine Doc Martens-Schuhe? – und du hast dir ja deine Haare gekämmt!.“ Kelly, ihre Gitarre spielende Zwillingsschwester, kennt die Verhältnisse und wirft lachend ein: „Unsere Mom hat ja jetzt auch der Bock’n’Boll-Virus erwischt. Genau wie Daddy.“ Die Heimatgefühle kommen nicht von ungefähr, der Bus rollt unbeirrbar auf Dayton zu, jene Stadt, in der die Deal-Schwestern ihre Jungend verbracht haben. Drei ausverkaufte Konzerte warten dort auf das Quartett. Wer weiß schon, was sonst noch auf sie zukommt.

„Nach einer Tour Bichtung Heimat zu fahren ist einfach immer wieder schön“, bemerkt Kelley mit einem Blick auf den schnarchenden Drummer. Ihre Schwester pflichtet bei:

„Schließlich habe ich kein einziges frisches T-Shirt mehr im Koffer.“ Doch die Erinnerung an Dayton ist besonders für Kim wie ein Buch voller Widersprüche. Die Stadt symbolisiert für die von den amerikanischen Medien erkorene Übermutter des Alternative-Rocks ihre fast schon in Vergessenheit geratene bürgerliche Seite. Kim Deal – die Sportskanone in der Familie (sie schaffte früher locker 100 Liegestütze), die Musterschülerin am College, die adrette Cheerleaderin beim Football, und schießlich die ausgebildete Laborantin in einem medizinischen Institut.

Die Reagenzgläser vertauschte sie jedoch schnell mit dem Griffbrett einer Akustik-Gitarre: „Kelley und ich gründeten ein Country-Bock-Duo. Wir spielten in Steak-Häusern und Truckstops überall in Kansas. Es hat Spaß gemacht vor diesen Jungs zu spielen. Trucker und Biker sind oft netter und friedlicher als viele Bockmusiker“ , sagt die Bassistin, während sie sich eine weitere Zigarette anzündet. Über andere Themen aus ihrer Vergangenheit will sie dagegen partout nicht reden. Besonders die Erinnerung an die spektakuläre Auflösung der Kult-Band The Pixies durch ein kühles Fax von Frank Black an sämtliche Bandmitglieder schmerzt Kim heute noch. Die Pixies und Frank Black fallen deshalb genauso in den „no comjnenf‘-Tabubereich wie die Throwing Muses von Tanya Donelly, der ehemaligen Breeders-Mitstreiterin, die gerade mit ihrer neuen Band Belly Karriere macht. „Aber dafür kann ich dir verraten, wie wir auf den Titel unserer Single .Cannonball‘ und auf das Motto unseres Albums .The Last Splash‘ gekommen sind“, schlägt sie als alternatives Thema vor. „Meine Schwester Kelley las gerade eine Biografie des französischen Marquis de Sade, und ich machte mich darüber lustig. Ich sagte zu ihr: ,Wenn ich schon zur Hölle fahren muß, dann zumindest mit einer ‚ Bombe unter dem Hintern. Das macht dann wenigstes ordentlich Splash‘.“