Stilkolumne

„WAP“-Ästhetik: Der Nicki-Minaj-Kim-Kardashian-Kylie-Jenner-Körper


In seiner Kolumne widmet sich Jan Kedves den Körpern von Daniel Craig, Cardi B und Kylie Jenner. Wie beeinflussen Stars unsere Körperideale?

Ach, Körperideale. Auch sie unterliegen ja krassen Moden. Bei Männern war es in den vergangenen Jahren der total hochgemuskelte Daniel-Craig-Body ohne jedes Körperfett. So ein Körper ist nur zu haben, wenn man täglich eine extreme Workout-Routine durchzieht und Kohlenhydrate meidet wie Donald Trump die Steueraufsicht. In „No Time To Die“, Craigs letztem Film als James Bond, wird man die Erträge der Cardio- und Hantel-Plackerei noch einmal begutachten dürfen.

Daniel Craig gedenkt der Bond-Legende Sean Connery

Bei Frauen hingegen liegen Drallheit und Opulenz im Trend, um eine ultratight gecrunchte Körpermitte herum. Auch hier spielen Workout und Diät natürlich zusammen und – nicht immer, aber auch nicht so selten – chirurgische Nachhilfe, Stichwort brazilian butt lift, zu Deutsch: Gewebeaufbau durch Eigenfett oder Silikon. Wir sprechen hier quasi vom Nicki-Minaj-Kim-Kardashian-Kylie-Jenner-Körper, oder dem „WAP“- Körper, wie ihn Cardi B und Megan Thee Stallion im Video zu ihrem Hit des Jahres sehr ermächtigt zelebrieren.

Burna Boy ridikülisiert diesen Körper auf seinem Album TWICE AS TALL, wenn er im Song „Comma“ auf Englisch und in westafrikanischem Pidgin-Englisch singt: „With your fake breast, with the silicone, girl / I dey see comma there / With your booty so big and your leg so slim baby / I dey see comma there“. Das wirft wohl die Frage auf, ob Burna Boy, der ja als große afrikanische Integrationsfigur gefeiert wird und dessen Album im August 2020 fast überall euphorische Kritiken bekam, nicht ziemlich misogyn sein kann. Wenn Frauen ihre wie auch immer belassenen oder bearbeiteten Körper feiern, ist es das eine. Wenn Männer diese Körper heruntermachen, ist das etwas anderes: übergriffig und sexistisch.

Darum sind Docs die Schuhe für jeden Sound

Die amerikanische House-DJ Honey Dijon weist darauf hin, dass die „WAP“-Ästhetik nicht zuletzt auf schwarze und latinoamerikanische Transfrauen zurückgeht. Honey Dijon, selbst trans, schrieb auf Instagram in Reaktion auf das „WAP“-Video und in Erinnerung an ihre Zeit in New Yorker Clubs der Neunzigerjahre: „That body used to get laughed at because it was a trans sex worker body full of silicone for the effect.“ Mit anderen Worten: Neben kultureller Aneignung gibt es auch die körperliche Aneignung. Cis-Frauen, die heute so aussehen wollen wie Kylie Jenner, profitieren davon, dass entsprechende Modellierungstechniken an Transfrauen erprobt wurden. „It’s cute that we inspire the world but we still get beat down“, schreibt Honey Dijon. Allein in der ersten Hälfte des Jahres 2020 wurden in den USA 28 Transmenschen ermordet. Trauriger Rekord.

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