Die heißesten Newcomer 2015: Future Brown – Tanz auf vier Kontinenten


Ein Produzentenkollekiv aus New York, L.A. und Kuwait befeuert mit seinem Hybrid-HipHop das Klischee sich auflösender Grenzen neu.

Die ganze wundervolle Ambivalenz dieser Band steckt schon in ihrem Namen. Future Brown, das könnte das nächste Soul-Wunderkind sein, eine Art neuzeitlicher D’Angelo, der seinen Marvin Gaye ebenso studiert hat wie seinen J Dilla. Gleichzeitig gäbe Future Brown einen formidablen kulturtheoretischen Kampfbegriff ab, eine Utopie sich auflösender Rassen- und Geschlechtergrenzen in einer post-post-industriellen Zukunft. In Wahrheit hat der Name aber mit Magic Mushrooms und jener versponnenen Kalauer-Fantasie zu tun, die sich in solchen Situationen eben einstellt. Dennoch: Man tut dem Quartett kein Unrecht, lokalisiert man es auf halber Strecke zwischen den beiden erstgenannten Polen.

Asma Maroof, Daniel Pineda, Jamie Imanian-Friedman und Fatima Al Qadiri sind Future Brown. Maroof und Pineda stammen aus Los Angeles und bilden gemeinsam das Duo Nguzunguzu. Imanian-Friedman ist auch unter dem Namen J-Cush bekannt und betreibt in New York das exzellente Label Lit City Trax. Die Kuwaiterin Al Qadiri schließlich übersetzte 2014 mit ihrem Debütalbum ASIATISCH Visionen eines virtuellen Fernost in basslastige Beats voll unterkühlter Erotik. Sie alle haben bereits in verschiedenen Konstellationen zusammengearbeitet; im Frühjahr 2014 erfolgte schließlich die große Zusammenführung durch den befreundeten DJ und Labelmacher Charles Damga.

Ein Vertrag mit dem ewigen Edel-Indie Warp Records war schnell im Sack, das erste Album soll bereits im Februar kommen. Darauf zu hören sind etwa Sängerin Kelela und Rapper Tink, die 2015 mit R’n’B in etwa das anstellen könnten, was The Weeknd und Frank Ocean 2011 erledigten. Während die Mitglieder des Kollektivs solo meist ohne Rap und Gesang auskommen, ist Future-Brown-Musik explizit für Vocalists gedacht. Ihre Beats sind gebaut auf den Ruinen von Südstaaten-Rap, Dancehall und ursprünglich hyperlokalen Clubmusiken wie Footwork oder Afrobeat.

Aber sie sind eher abstrakte, radikal androgynisierte Appropriationen als lehrbuchmäßige Restaurationen: lose, vielfältig deutbare Vorstellungen einer zeit- und körperlosen Idee von Pop. Genres und Geschlecht spielen dabei tatsächlich keine Rolle, nicht einmal als Feindbild, an dem man sich abarbeiten könnte. In diesem Sinn sind Future Brown auf die natürlichste denkbare Weise Zukunft: In der Welt, die anderen die Gegenwart ist, haben sie nie gelebt.

Ein bisschen wie: eine Avantgarde-Streetwear-Show auf dem iPhone zu streamen

Gar nicht wie: Chris Brown (okay, ein ganz kleines bisschen vielleicht)

Dieser und alle weiteren Artikel über die Newcomer dieses Jahres sind in der Februar-Ausgabe des Musikexpress erschienen.