Die 33 besten Roadmovies aller Zeiten

von Clemens Fanger 21.03.2014

Platz 33: "Getaway" Der Gauner Doc McCoy (Steve McQueen) kommt frühzeitig aus der Haft frei. Doch dafür schuldet er dem Lokalpolitiker Benyon, der das arrangiert hat, einen Gefallen: Er soll einen Bankraub begehen, damit Benyon die Veruntreuung von öffentlichen Geldern tarnen kann. Doch es geht einiges schief, was darin gipfelt, dass McCoys Frau Carol (Ali MacGraw) Benyon tötet. Das Pärchen riskiert eine waghalsige Flucht — und schießt sich dabei immer wieder brutal den Weg frei. Regisseur Sam Pekinpah behandelt auch hier seine zentralen Themen: Gewalt und Moral. Allerdings bekommt der Film durch McQueen und MacGraw (auch im wahren Leben ein Paar) stellenweise eine unge- wohnt romantische Note.

Die Suche nach Freiheit, Unabhängigkeit und dem großen Abenteuer. Nichts ist spannender (oder lustiger), als unterwegs zu sein. Hier sind die 33 Lieblings-Roadtrips der ME.MOVIES-Redaktion.

Platz 33: „Getaway“ Der Gauner Doc McCoy (Steve McQueen) kommt frühzeitig aus der Haft frei. Doch dafür schuldet er dem Lokalpolitiker Benyon, der das arrangiert hat, einen Gefallen: Er soll einen Bankraub begehen, damit Benyon die Veruntreuung von öffentlichen Geldern tarnen kann. Doch es geht einiges schief, was darin gipfelt, dass McCoys Frau Carol (Ali MacGraw) Benyon tötet. Das Pärchen riskiert eine waghalsige Flucht — und schießt sich dabei immer wieder brutal den Weg frei. Regisseur Sam Pekinpah behandelt auch hier seine zentralen Themen: Gewalt und Moral. Allerdings bekommt der Film durch McQueen und MacGraw (auch im wahren Leben ein Paar) stellenweise eine unge- wohnt romantische Note.

Platz 32: „About Schmidt“ Eine Überlandfahrt als Sinnsuche: Warren Schmidt (Jack Nicholson ohne Manierismen) wird in Rente geschickt und langweilt sich, dann stirbt seine Frau. Seine Tochter will zu Schmidts Missfallen einen Taugenichts heiraten, weshalb er in einem Wohnmobil von Omaha nach Arizona aufbricht. Unterwegs schaut er bei seiner Universität vorbei, sucht Trost bei Campern und wohnt im Haus der chaotischen Familie des Bräutigams. In einem Folklore-Museum erkennt Schmidt sich in den amerikanischen Pionieren, und er schreibt Briefe an Ndugu, ein Patenkind in Tansania, die im Off verlesen werden. Alexander Paynes tragikomische Studie über Einsamkeit und Alter ist auch eine Reise ins Herz der Finsternis.

Platz 27: „Volltreffer“ Der englische Titel ist natürlich stärker als der Deutsche. „The Sure Thing“, die sichere Angelegenheit, das ahnt man da sofort, ist keinesfalls so sicher, vor allem nicht, wenn sie aussieht wie ein Covergirl der Sports Illustrated. Walter Gibson (wunderbar jung: John Cusack) ist auf dem Weg zu diesem „Sure Thing“, und der Weg führt ihn durch halb Amerika, von seinem College an der amerikanischen Ostküste bis nach Kalifornien. Leider ist er nicht alleine unterwegs: Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände findet er sich bald in einer Reisegemeinschaft mit Alison (Daphne Zuniga), die wiederum ihren Freund besuchen möchte. Alison ist wunderschön, aber ähnlich langweilig wie ihr Partner, zumindest auf den ersten Blick. Und so ergibt sich eine spannende Konstellation: Eher unglücklich agierender, aber durchaus sympathischer Tollpatsch auf der Suche nach sexueller Erfüllung reist mit ununterbrochen Augen rollender Jungdame. Wer drei, vier ähnlich gelagerte Filme (oder den 1934 abgedrehten „It Happened One Night“) gesehen hat, weiß was passiert: Abneigung und Abhängigkeit ergeben, addiert man sie, eine seltsame Nähe. Sicher der beste Film aus John Cusacks Frühphase.

Platz 26: „Natural Born Killers“ Es entbehrt nie einer gewissen Ironie, dass einstige Skandalfilme wie Oliver Stones aufgeregte Killerpärchenmär im Abstand einiger Jahre vergleichsweise zahm wirken. Die Reise in das dunkle Herz der amerikanischen Psyche zeigt in ihrer doppelschneidigen Kritik an der nationalen Faszination mit Gewalttätern und deren Selbstinszenierungen im zeitgeschichtlichen Windschatten der Mendez-Brüder, Waco, Rodney King und O.J. Simpson aber auch heute noch ihre satirischen Reißzähne. Als visuell überwältigender Ausflug des Exzesses bleibt Stones hyperbrutaler Roadmovie nicht zuletzt dank Woody Harrelson und Juliette Lewis als moderne „Bonnie & Clyde“-Variante höchst sehenswert

Platz 25: „The Straight Story“ Als Regisseur die eigene Stimme zu finden und dennoch für den Durchschnittskinogänger zugänglich zu bleiben ist wahrlich keine leichte Aufgabe. Bizarro-Könner David Lynch meistert diese Herausforderung hier mit Bravour, wenn er die wahre Geschichte des Rentners Alvin Straight erzählt, der sich auf seinen Rasenmäher schwingt, um eine ungewöhnliche Reise durch Amerikas Hinterland anzutreten. Herzlich und charmant in seiner stillen Poesie, und ohne jemals reduktionistisch mit seinen Figuren umzugehen oder den Verlockungen der Melodramatik zu verfallen, ist „The Straight Story“ zweifelsohne einer der am Tiefsten im traditionellen Wertekosmos der Americana verwurzelten Roadmovies

Platz 23: „‚Y Tu Mama tambien“ Es erwies sich als passend, dass die erste Welle des Neuen Mexikanischen Kinos in die Welten vehikulä- rer Fortbewegung vordrang, in denen das Reisemittel Auto dazu diente, die Spaltung und Entfremdung der modernen mexikanischen Gesellschaft in Bilder zu fassen – in „Amores Perros“ als deformierender Unfall, der die Leben aller Beteiligten zerstört, in Alfonso Cuaróns Film in einer transformierenden Reise, an deren Ende der Tod steht. Das was in amerikanischer Genretradition für Freiheitsdrang steht, wird in Cuaróns Roadmovie zum Abschiedstrip: Ein stimmungsreiches Bye-Bye auf Unbeschwertheit und Jugend, auf Freundschaft und das Leben. Während die selbstbewußte Luisa sich behauptet und den feuchten Jungenstraum ihrer Mitreisenden Tenoch und Julio erfüllt, scheint die folgende Ernüchterung bereits unausweichlich. Denn die in die scharfe Klassenkluft Mexikos eingebettete Reise zum sagenhaft paradiesischen Strand – sexuell transgressives Abenteuer inklusive – erweist sich eben nicht als Sehnsuchtserfüllung, sondern als letzter Höhepunkt vor dem unvermeidlichen Niedergang.

Platz 18: „Blues Brothers“ Es war ein mutiges Projekt, die beiden „Saturday Night Live“-Charaktere der Bluesbrüder Jake (Dan Akroyd) und Elwood (John Belushi) mit einem Budget von 30 Millionen Dollar ausgestattet auf die wilde Jagd durch die Aussenbezirke von Chicago zu schicken. Ein Unterfangen, das sich anfänglichen Flop-Anzeichen zum Trotz zum weltweiten Kulthit entfaltete. Die beiden ikonischen Anzugträger prägten das Filmjahrzehnt der Achtziger wie wenige andere. Die zahllosen Gastauftritte aus Film-, Fernseh- und Musikgeschäft — von Steven Spielberg über John Lee Hooker bis hin zu Twiggy — folgten dem Bauplan von Stanley Kramers Vorzeigehit. Die Lust am vehikulären Wahnsinn endet hier schließlich in einer der zerstörungsreichsten Verfolgungsjagden der Filmgeschichte.

Platz 17: „Eine Total, Total Verrüchte Welt“ Der Film, mit dem Regisseur Stanley Kramer zur Verwunderung vieler Kritiker plötzlich eine ungeahnt lustige Seite herauskehrte: Nach seinen teils schwermütigen Dramen wurde die furiose Screwball-Komödie samt ihrer beispiellosen All-Star-Crew zu einer der großen Überraschungen des Kinojahres 1963. Und lieferte damit gleichzeitig die Vorlage für eine ganze Reihe von ähnlich gelagerten Ensemble-Komödien, in denen sich Stars jeder Coloeur die Klinke in die Hand gaben. Eine wunderbar überdrehte filmische Extravaganz: Kramers energiegeladener Roadmovie ist der Inbegriff einer auf höchster Drehzahl performenden Komödie. Übrigens war schon alleine die brillante vierminütige Titelsequenz von Graphikergenie Saul Bass das Eintrittsgeld wert.

Platz 16: „Alice lebt hier nicht mehr“ Der gefühlte Minderwertigkeitskomplex des amerikanischen Kinos im Gegensatz zu den radikaleren cineastischen Ansätzen aus Europa war seit Ende der Sechziger bereits von Wegbereitern wie „Easy Rider“, „Mean Streets“ und „Badlands“ gelindert worden. Dennoch verstanden viele Kritiker — vollkommen zu Recht — Martin Scorseses tragikomisches Road Movie als eine der brillantesten Antworten auf die europäische Herausforderung. Darin bricht Ellen Burstyn als titelgebende Alice gemeinsam mit ihrem dauerquasselnden Sohn in eine vermeintlich bessere Zukunft Richtung Pazifikküste auf, nur um auf dem Weg dorthin immer wieder von Alltagsproblemen, Geldsorgen und romantischen Verstrickungen ausgebremst zu werden. Humorvoll und in seiner Authenzität entwaffnend — einer von Scorseses frühen Geniestreichen.

Platz 15: „Bonnie & Clyde“ Ende der 60er Jahre steckte das amerikanische Kino in einer tiefen Krise. Es gab keine neuen Erzählformen und keine spannenden Ideen. Das änderte sich mit „Bonnie und Clyde“. Beim Start gefloppt konnte Hauptdarsteller und Produzent Warren Beatty ein Re-Release durchsetzen, das von einer großen Werbekampagne begleitet wurde. Heute gilt das Roadmovie neben der 1967 erschienen „Reifeprüfung“ als maßgeblicher Beitrag des „New Hollywood“. Das Verbrecherpärchen wurde Kult, denn die Stimmung des Films drückte das aus, was viele junge Erwachsene fühlten. Sie wollten aufbegehren gegen althergebrachte Moral- und Wertvorstellungen, wie Bonnie und Clyde sie in der Provinz der Südstaaten erleben. Die Helden lernen sich zufällig kennen, ziehen von Ort zu Ort und begehen einen Raubüberfall nach dem anderen. Es kommt zu brutalen Schießereien, doch eigentlich fühlen die beiden sich nicht als „echte“ Verbrecher. Schließlich kommt es wie es kommen muss: Sie werden verraten und sterben.

Platz 14: „Death Proof“ Seltsamerweise ist es ausgerechnet das erzählerisch am wenigsten ausgefranste und fokusierteste Werk aus dem Repertoire von Filmgeek Quentin Tarantino, das seine hochloyale Fanschar am meisten spaltet. Auch wenn Tarantino seiner Vorliebe für unterhaltsame und perfekt ausgewogene Dialoge in der ersten Hälfte des Films etwas zu sehr zelebriert und ins belanglos Sinnfreie abdriften lässt, zeigt er in der zweiten Hälfte doch ein wunderbares Gespür für hochoktane Autoaction. Dass der Film auch für sich genommen ohne die Double Feature-Prämisse mit Robert Rodriguez‘ Komplementärstück „Planet Terror“ funktioniert, unterstreicht nur, wie überraschend gut Tarantinos Muscle Car-Film in der Tradition eines Giallo-Slashers gealtert ist.

Platz 12: „Die schrillen Vier auf Achse“ Chevy Chase ist selbst dann witzig, wenn er einen Werbefilm für Tortillachips dreht. Seine Paraderolle ist indes die des stets etwas dümmlichen Durchschnittsamerikaners Clark W. Griswold. Im ersten der insgesamt vier Griswold-Filme, die in den USA unter dem Stichwort „National Lampoon“ bekannt sind, unternimmt er mit seiner Familie eine Reise in den kalifornischen Vergnügungspark Walley World. Irrfahrten sowie Ärger mit Banditen, Highway-Polizisten und der lieben Verwandtschaft — natürlich geht auf der mehrtägigen Autofahrt durch die USA alles schief, was nur schief gehen kann. Ganz klar also, dass Griswold am Ende völlig hohl dreht. Ein von John Hughes brillant in Szene gesetzter Seitenhieb auf den amerikanischen Familienalltag.

Platz 7: „Little Miss Sunshine“ Die kleine Ausnahmeproduktion hat alles, was ein Roadmovie an Grundzutaten braucht: Fünf Looser ziehen in einem lustigen Gefährt (quietschgelber VW-Bully) los und erfahren auf dem Weg eine Menge über sich selbst und über die Widrigkeiten des Lebens. Grund der Reise ist ein Schönheitswett bewerb, an dem die kleine Olive, die so gar nicht dem herkömmlichen Beauty-Ideal entspricht, unbedingt teilnehmen will. Mit dabei sind ihr Bruder Dwayne, der ein Schweigegelübde abgelegt hat, Olives Onkel, der gerade einen Selbstmordversuch hinter sich hat, ihr streitbarer Großvater, der Olive für die Show trainiert, der Vater (Greg Kinnear), der mit einem Selbsthilfeprogramm für Gewinner ganz groß rauskommen will, sowie die geduldige Mutter (Toni Collette). Als der Großvater unterwegs stirbt, ist das Unternehmen „Miss-Wahl“ plötzlich gefährdet. Nur neun Millionen kostete die Produktion des Films, der unter anderem einen Oscar für das Beste Drehbuch und einen für den Besten Nebendarsteller (Alan Arkin) gewann und zum Publikumsliebling vieler Festivals avancierte.

Platz 6: „Fear and Loathing in Las Vegas“ Expliziter als in Terry Gilliams Adaption von Hunter S. Thompsons drogenbetankter Irrfahrt durch die letzten Regungen gegenkulturellen Aufbegehrens ist die Suche nach der Wurzel des amerikanischen Traums nie thematisiert worden. Dort wo andere Genrekollegen sich hinter Metaphern und Allegorien verschanzen, lässt Gilliam den furiosen Johnny Depp im dauerbedrogten Zustand durch Nevada streifen, die Suche nach dem flüchtigen Mythos als ausdrückliche Mission. Genährt von Thompsons evokativer Sprache und angetrieben von der zunehmend zügellosen Entfesselung sämtlicher persönlicher und kultureller Dämonen, wird „Fear And Loathin“ zum ultimativen Roadtrip. Betonung auf Trip.

Platz 5: „Easy Rider“ Wie soll man die Bedeutung der großen Zäsur namens „Easy Rider“ bewerten? Als Herausforderung und letztendlichen Katalysator, der dem althergebrachten Studiosystem Hollywoods neue Impulse gab? Als retrospektive Bestandsaufnahme des gegenkulturellen Optimismus, dessen dunkle Unterströmung bereits darauf hinweist, dass sich die Welle der Bewegung bald brechen sollte? Als Tocquevillesche Rundreise durch die soziale Landschaft Amerikas? Egal welchen Aspekt des Klassikers man herausgreift, die Reise der beiden Biker Wyatt (Peter Fonda) und Billy (Dennis Hopper) ist stilistisch und inhaltlich ein Meilenstein, mit dessen Wirkungsgeschichte es wenige andere Filme aufnehmen können.

Platz 3: „Buffalo 66“ Es gab tatsächlich eine Zeit, in der Vincent Gallo noch nicht seinen Status als narzisstisches Enfant Terrible zelebierte und mit radikalen Aussagen zu schockieren suchte, sondern sich statt – dessen auf seine Arbeit konzentrierte. Während er mit seinem so expliziten wie mäandernden Roadmovie „Brown Bunny“ über das Ziel hinausschoß, so fügen sich die beinahe baugleichen Teile aus sehr persönlichem Drehbuch, Regie und Darstellerleistung in „Buff alo ´66“ zu einem wunderbar stimmigen Ganzen. Gallos Figur des depressiven und mit dämonischem Charisma versehenen Kleinkriminellen Billy, der Teenagerin Layla (Christina Ricci) kidnappt, um sie seinen Eltern als frisch angetraute Gattin unterzujubeln, ist zu gleichen Teilen komisch wie tragisch. Die Odyssee durch das triste winterliche Buffalo zeigt sich als faszinierende Reise in die verletzliche Psyche eines Aussenseiters, den Gallo – hier muss man seine Hybris unterstützen – in schauspielerischer Ausnahmeleistung zum Leben erweckt.

Platz 2: „My Private Idaho“ losophiert ein bisschen – und fällt um. Er träumt von seiner Mutter, fantastische Landschaft en ziehen vorbei. Die Straße, sagt er, sehe aus „wie ein abgefucktes Gesicht“. Während man noch darüber nachdenkt, was das bedeuten könnte – ein harter Schnitt , und in der nächsten Szene bekommt Mike (River Phoenix) ein paar Scheine in den Schritt geworfen, nachdem er einen Freier beglückt hat. Da ist er schon zurück in Seatt le, bei seinen Stricher- und Stadtstreicher-Kumpeln. Er leidet unter Narkolepsie und wird immer wieder in den ungünstigsten Situationen vom Tiefschlaf übermannt. Mit seinem Freund Scott (Keanu Reeves), einem reichen Politikersohn, der nur auf Zeit aus dem braven Leben ausgestiegen ist, reist er nach Portland, dann wieder nach Idaho, schließlich mit dem Geld eines Freiers nach Italien, wo sie vergeblich Mikes verschollene Mutter suchen. Mike ist nicht besonders heimlich in Scott verliebt, doch das Happy End fällt – nach vielen Abenteuern, viel Drama, vielen bizarren Begegnungen – aus. Während der wunderschöne Reeves etwas hölzern wirkt (die Sexszenen bestehen nur aus Standbildern, weil ihm alles andere angeblich zu heikel war), hätte es nur diesen Film gebraucht, um River Phoenix unsterblich zu machen: Alle Verzweiflung der Welt spiegelt sich in seinem Gesicht, aber auch kindlichste Freude, heiliger Zorn. Es tut fast weh, ihm zuzusehen bei diesem sensationellen Schauspiel. Zwei Jahre später starb er an einer Überdosis Heroin, auf einem Bürgersteig in Hollywood, mit 23 Jahren. Doch die Poesie von „My Private Idaho“ liegt gar nicht in den drastischen Momenten, sondern in den ruhigen, zärtlichen Atemzügen dazwischen. Und in der Vielfalt der Mittel: Die harten, fast Cut-up-artigen Schnitte und die surrealen Landschaften stehen im faszinierenden Kontrast zu den oft theatralischen Dialogszenen, die tatsächlich auf Shakespeares „Heinrich IV.“ basieren. Eine Tragödie schien allerdings zunächst das Projekt selbst zu werden: Gus van Sant schrieb das Drehbuch schon in den 70er-Jahren, verwarf es jedoch immer wieder. 1988 bot er das überarbeitete Script diversen großen Studios an, die alle ablehnten: zu kontrovers! Erst nachdem van Sant mit „Drugstore Cowboy“ ein Achtungserfolg gelang, wollte man seinen Film. Aber bitte etwas gemäßigter. Van Sant ließ sich nicht darauf ein und drehte lieber mit einem kleinen Budget. Ein Glück. Mehr als 20 Jahre später ist „My Private Idaho“ immer noch ein filmisches Abenteuer, berührend und verstörend. Und natürlich weiß man am Ende nicht genau, wo die Straße hinführen wird.

Platz 1: „True Romance“ Die Tatsache, dass Quentin Tarantino das Drehbuch zu Tony Scott s leichtfüßiger und den Kitsch zelebrierenden Romantikodyssee lieferte, wird vor dem Hintergrund seines späteren Schaffens offensichtlich: Markenzeichen wie exzessive Gewalteruptionen, die Liebe zum zweit- und drittklassigen Trash, die einprägsamen Dialoge und ebenso prägnanten Charaktere sickern als Tarantino‘sche Spurenelemente aus jeder Pore des Films. Schon der Held erscheint als beinahe autobiographische Blaupause: Filmgeek und Comicheft-Verkäufer Clarence (Christian Slater) lernt die etwas naive Straßenschwalbe Alabama (Patricia Arquette) kennen – gemeinsam führen sich die beiden in einem heruntergekommen Grindhouse-Kino ein Karate-Triple Feature zu Gemüte. Dem Querverweis des Filmtitels folgend, der die schwülstigen Groschenromane und Comics einer vergangenen Ära zitiert, verlieben sich beide unsterblich ineinander, lassen das triste Detroit als Sinnblid eines verfallenden Amerikas hinter sich und brett ern der goldenen Verheißung namens Los Angeles entgegen. Doch der Weg in die gemeinsame Zukunft wird zum harten Test – dafür sorgen ein dreadlockiger Zuhälter (Gary Oldman), ein unerbittlicher Mafia-Boss (Christopher Walken), ein sadistischer Killer (James Gandolfi ni), ein koksnasiger Filmproduzent (Saul Rubinek) und eine spirituelle Elvis-Vision (Val Kilmer). Mehr als einmal blitzt die Fadenscheinigkeit der vermeintlich großen Liebe im Licht der eskalierenden Ereignisse auf, bevor es zum fi nalen, bleihaltigen Showdown kommt, auf den selbst John Woo als Meister der blutigen Gangsteropern stolz wäre. Das hoffnungsfrohe Verspechen unvorhersehbarer Lebenserfahrungen, in der Tradition des klassischen Bildungsromans seit jeher ein Eckpfeiler des Roadmovies, wird in „True Romance“ auf den Kopf gestellt. Denn ein Heranreifen des Protagonisten im Zuge seiner Erlebnisse ist nie zentrales Thema – er löst seine Probleme lieber mit Gewalt. Es geht um das Überleben jener kindlich verbohrten Fantasien, mit denen Clarence und Alabama zu Beginn des Films ihre Reise antreten: Romantisch verklärte Liebe, der Traum vom schnellem Geld, das Gefühl der Unverletzbarkeit. Der hintersinnige Verweis auf Terrence Malicks „Badlands“ in Form von Alabamas Voice-Over-Monologen oder der schmissigen Filmmusik von Hans Zimmer, die das „Gassenhauer“-Motiv des Klassikers zitiert, wirken dabei wie trotzige Reaktionen auf die Konventionen des Genres.

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