Walking in my Shoes: Sneakers für Arm und vor allem Reich


Turnschuhe für knapp 900 und Karohemden für knapp 600 Euro. Mittlerweile gehört es auch für die gehobene Kundschaft zum guten Ton, sich ein bisschen volksnah zu kleiden. Eine Bestandsaufnahme von Jan Schmechtig.

Nennen wir es doch mal beim Namen: Turnschuhe. Da helfen auch Anglizismen nichts. Sneaker oder Street Credibility ändern nichts daran, dass mittlerweile fast jeder in Turnschuhen rumrennt. Am Anfang wurden die Modelle einfach immer individueller, bunter, cooler, teurer und prägten irgendwann das Stadtbild. Als nächstes holte man sich Designer großer Luxuslabels wie Ricardo Tisci (Givenchy, für NIKE) oder avantgardistischer Marken (Comme des Garcons PLAY, für Chucks), um der breiten Masse Zugang zum Luxus über Streetwearprodukte zu verschaffen.

Das endete dann jüngst in durchfallbraunen High Tops (sorry Ricardo), sodass der nächste logische Schritt der Einzug des Turnschuhs in die Luxusmode war. Chanel zeigte in seiner Couture Show vom Sommer 2014 Turnschuhe an den Models, zu Kleidern, welche weit über 20.000 Euro kosten. Ein Stück Straße für die verwöhnten Kundinnen. Der Designer nutzt die Straße, um Trends in Luxus umzuwandeln und der oder die Kundin findet es toll, sich ein bisschen rougher und volksnah zu kleiden.

Was die Designer dabei mittlerweile oftmals vergessen ist, dass nur weil man irgendein Luxuslabel oder Namen dahinter stellt, dies nicht automatisch coole Schuhe bedeutet. So mögen die Sneaker von Chanel momentan an keiner gut verdienenden Kundin, die zu dick für die Mode ist, fehlen. Wären sie aber eben nicht von dem französischen Traditionshaus, würden sich die Schuhe wohl selbst auf dem Flohmarkt im Berliner Mauerpark nicht verkaufen. Man muss den Labels Respekt dafür zollen, wie gut das alles funktioniert. Oder vielleicht sollte man uns dafür Respekt zollen, dass wir auf der Straße so innovativ sind und dafür sorgen, dass sogar die obere Schicht uns nachmacht? Oder machen wir mittlerweile die obere Schicht nach? Oder machen wir uns alle was vor?

Eins ist klar. Solange es Käufer für 600 Euro teure Karohemden gibt und die Kunden es cool finden, mit ihrem teuren Streetstyle zu sagen: „Schaut mal, so anders als ihr bin ich gar nicht, nur eben viel reicher“ werden Straße und Luxus wohl weiter zusammenwachsen. Aber nur auf textiler Ebene. Zusammen abhängen muss man ja nun nicht gleich. 

Jan Schmechtig bloggt unter Horstson.de über Männermode und Musik – und in loser Regelmäßigkeit auf musikexpress.de.