Whitesnake


Genau zehn Jahre sind vergangen, seit ein unbekannter Boutique-Verkäufer namens David Coverdale das Erbe von Deep Purple-Sänger Ian Gillan antrat. Kaum einer gab ihm eine Chance. Doch die Spötter und Lästermäuler verstummten schnell: Coverdale erkämpfte sich nicht nur einen Stammplatz im Purple-Team, sondern zog nach deren Ende zielstrebig sein eigenes Baby groß. Resolut engagierte und feuerte er Musiker, boxte sich durch und machte aus der kleinen Schlange ein ausgewachsenes Reptil. Mit seinem musikalischen Gift, „snake rattle ’n‘ roll“ genannt, gehört Whitesnake inzwischen zu den gefragtesten Live-Acts. Aber auch das neue Album SLIDE IT IN soll es in sich haben behauptet jedenfalls Andreas Kraatz, der Coverdale & Co.

beiden Aufnahmen im Studio besuchte.

Was aus David Coverdale geworden wäre, wenn er nicht den Job bei Deep Purple erhalten hätte „P. Schwer zu sagen: Vielleicht ein Dressman mit Stimme und Amateurkapelle – oder aber ein Sänger ohne Heimat wie sein Vorgänger lan Gillan, der seine Zelte zuletzt beim HM-Seniorenverein Black Sabbath aufgeschlagen hat.

Statt dessen bekam Coverdale mit Deep Purple seine große Chance, stieg über Nacht in den Rock-Olymp auf und gründete bereits 1978. zwei Jahre nach dem Purple-Ende und einem kurzen Solo-Ausflug, seine eigene Band Whitesnake.

So konsequent der frühere Boutique-Verkäufer. Sex- und Schlangen-Liebhaber sein ehrgeiziges Ziel verfolgt, so entschieden grenzt er sich von seinen Ex-Kollegen ab: „Ich will keine Konkurrenz zu den anderen Ex-Mitgliedern von Deep Purple. Ich will auch nicht an Ritchie Blackmores Erfolg gemessen werden.“

Worum es ihm wirklich geht, beschreibt er so: „Ich bin ein Rock n‘ Roll-Sänger, der einfach nur weitermachen will.“

Erst nach einem verhaltenen Start, einer eher bescheidenen Premiere und zögernden Erfolgen in eigener Regie entwickelte sich Coverdales Baby zu jener ausgewachsenen Schlange, die den lästigen Streit ums gemeinsame Purple-Erbe schon längst für sich entschieden hat – trotz Ian Gillan oder Ritchie Blackmores Rainbow. „Snake rattle ’n‘ roll“, so der Name des musikalischen Gifts, ist ein bewährtes Mittel, mit dem man die Konkurrenz in Schach hält und – wenn nötig – auch betäubt.

Inzwischen zieht Whitesnake ungehindert seine Kreise, so in England, auf dem Kontinent und in Japan (nur die Staaten fehlen noch, doch das soll sich mit dem neuen Vertragspartner Geffen Records schnell ändern), tauchen regelmäßig in den Charts auf und lassen sich von kurzlebigen Trends nicht aus dem musikalischen Konzept bringen. Selbst die Sprößlinge der neuen Heavy-Metal-Generation können Whitesnakes Aktionen nicht ernsthaft stören. Coverdales Rechnung, mit altgedienten Musikern und einer variationsreichen Stimme.

Die Band zu etablieren, ist aufgegangen. In der langen Tradition des harten britischen Blues-Rocks haben Bands wie Led Zeppelin, Free und Bad Company in Whitesnake einen würdigen Nachfolger und modernen Vertreter gefunden.

Anfang Oktober ließ sich David Coverdale, DC, wie ihn die Engländer respektvoll nennen, in die berühmten Karten blicken. Mitten in den Aufnahmen zur neuen LP SLIDE IT IN gab er in den Münchner Musicland Studios bereitwillig Auskunft und erwies sich dabei als kritischer Interviewpartner.

Als vor Wochen die Single „Guilty Of Love“ erschien, hielten sich hartnäckige Gerüchte über Probleme im Whitesnake-Camp. Es hieß, David habe dem renommierten Produzenten Eddie Kramer schon nach wenigen Versuchen vor die Tür gesetzt.

„Geffen Records empfahlen Eddie Kramer“, erklärt David. „Sie wollten, daß ich es mit einem Neuen versuche, was ich ja durchaus verstehen kann. Ich handelte also einen sehr fairen Vertrag mit Kramers Manager aus. doch schon in der ersten Woche im Studio versuchte er. den Vertrag zu ändern und noch bessere Bedingungen rauszuschlagen. Da bin ich ausgerastet. Ich bin selbst nach New York geflogen, um die Angelegenheit zu klären. Es sollte eine Geste sein, um ihnen deutlich zu zeigen, daß ich kein dummer Junge bin. Zudem war er nicht in der Lage, meine Stimme aufzunehmen, meine Stimme hat nun mal viel Druck.

Am Ende haben Mel Galley, Benedict Fenner, der Toningenieur des Studios, und ich die Single selbst gemixt, während Kramer nach New York zurückflog.“

Anstelle von Kramer übernahm Martin Birch, Davids langjähriger „Freund“ und der wohl bekannteste Hard n‘ Heavy-Spezialist, das Studioheft in die Hand und begann unverzüglich mit der Arbeit am neuen Album.

Birchs Name, das Markenzeichen eines versierten und erfolgreichen Produzenten schlechthin, zieht sich wie ein roter Faden durch Coverdales zehnjährige Karriere. Angefangen bei Deep Purple über Whitesnakes erstes Album ist er bis heute‘ der Top-Kandidat, der favourite man an den Reglern, der mit Umsicht und großem technischem Verständnis für den jeweils richtigen Sound sorgt.

„Ich Hebe die Arbeit mit Martin Birch, das hat nichts damit zu tun, daß wir gute Freunde sind. Er ist der Beste für mich. Wir diskutieren zusammen im Studio und kommen anschließend mit starkem Material heraus. Wenn ich beispielsweise in den Kontrollraum gehe, um mir meinen Gesang anzuhören, weiß ich, daß er mich nicht mit Bullshit behelligt.“

Man mag dies Bekenntnis für übertrieben halten und darin nicht mehr sehen als eine florierende Geschäftsehe oder eine freundschaftliche Geste. Wirft man jedoch einen Blick auf Coverdales Werdegang, wird man schnell erkennen, wie wichtig und entscheidend die enge Zusammenarbeit von Bandleader und Prodzent für Whitesnake ist.

Der Reihe nach. Als David Coverdale im September 1973 bei Deep Purple einsteigt, kennt kaum einer seinen Namen, geschweige denn seine Stimme, die von nun an lan Gillans gewaltiges Organ gleichwertig ersetzen soll. Zwar hat Coverdale in halbprofessionellen Bands wie den „Fabulosa Brothers“ oder den „Rivers International“ erste Erfahrungen gesammelt, doch die wirkliche Feuertaufe steht ihm noch bevor.

Immerhin war es Gillan gewesen, der auf DEEP PURPLE IN ROCK und in Songs wie etwa „Child In Time“ oder „Speed King“ hohe Maßstäbe gesetzt hatte, an denen sich der Neuling messen lassen mußte. Mit BURN und STORMBRINGER, beide von 1974, gelang Coverdale der überzeugende Einstand und zugleich der Beweis, daß sich seine stimmlichen Qualitäten auch in einer Supergroup behaupten konnten.

Doch schon bald gab es erste Anzeichen einer tiefen Krise. Ritchie Blackmore, die bis dahin dominierende Figur, spielte mit anderen Musikern die erste Rainbow-LP ein. Im Juni 1975 trennte sich der Gitarrist offiziell von der Band.

Noch gab man sich gelassen, überspielte souverän alle Spekulationen über ein vorzeitiges Aus und Ende der Band und präsentierte nur wenige Wochen nach Blackmores Ausstieg zuversichtlich einen neuen Kandidaten für den verwaisten Gitarren-Posten. Sein Name: Tommy Bolin, ein Kanadier, der sich zuvor mit Zephyr und der James Gang einen Namen machte.

Bolins Debüt auf dem im Oktober 1975 veröffentlichten Album COME TASTE THE BAND war jedoch kaum nach dem Geschmack der Fans. Zu bescheiden fiel sein Beitrag aus; sein Spiel, oft bieder und unentschlossen, stand bis auf wenige Ausnahmen ganz im Schatten des virtuosen Vorgängers: eigene Akzente fehlten. Auch bei den anderen vermißte man den Biß, die Ideen, mit denen man jahrelang die Spitze gehalten hatte. Mit einem Wort: Die Band war ausgebrannt.

Dazu kam, daß die persönlichen wie musikalischen Differenzen zwischen Hughes, Coverdale, Lord, Paice und Bolin nicht zu übersehen waren und sich nach der folgenden England- und US-Tour dramatisch zuspitzten. Im Juli 1976 hatte das Tauziehen um den künftigen Kurs ein Ende: Deep Purple, Englands Hardrock-Flaggschiff, war auf Grund gelaufen. Ein Schlußstrich, den Coverdale zurückblickend so kommentiert:

„Wir kamen an einen Punkt, wo fünf Egomanen ums Rampenlicht kämpften. Die Band war in soziale Lager gespalten. Es war wie eine Ehe. die zerbricht entweder man bleibt zusammen um der Kinder willen, oder man läßt sich scheiden. Ich zog das letztere vor.“

Enttäuscht über die „widerliche“ Art und Weise, die „bittere“ Atmosphäre, in der die Scheidung vollzogen wurde, zog sich Coverdale zurück und lebte für einige Zeit im Ausland, in der Nähe von München. Er begann, das Material auszuwerten, das sich noch zu Purple-Zeiten angesammelt hatte. Ohne Band zwar, dafür aber frei von hochgesteckten Erwartungen, frei auch vom Erfolgszwang.

Das Ergebnis war „Whitesnake“. so der Name des Albums und des Titelsongs, ein „cockrock-Song“, wie er heute schmunzelnd hinzufügt.

Unterstützt von namhaften Session-Musikern, darunter Simon Phillips, Tim Hinkley und der Ex-Juicy Luicy/Frankie Miller-Gitarrist Micky Moody, landete er 1977 seinen ersten Solo-Streich.

Ein Anlauf, dem bereits ein Jahr später, 1978, der zweite folgte. Auf NORTHWINDS. an der wiederum Micky Moody und der Purple-Bassist Roger Glover als Produzent beteiligt waren, klang vieles nachdenklich, melancholisch und zuversichtlich zugleich; besonders zwei Songs ließen aufhorchen. In „Only My Soul“, einer der eindringlichsten Balladen, die Coverdale je gesungen hat. vermischten sich in seinem Gesang Einsamkeit und Enttäuschungen mit optimistischen, vorwärtsweisenden Tönen.

Der zweite, „Breakdown“, ein entschlossener, ganz auf Sturm und Drang abgestellter Rocker, galt dagegen in erster Linie den letzten Tagen der großen Band: „Getting near the end/I knew the time was right/For a breakdown …“

Die Betonung lag nicht auf Rückblick, sondern auf Aufbruch und Neubeginn. Das nächste Kapitel konnte aufgeschlagen werden. Mit der Begründung: „Rock’n’Roll kann nicht im Wohnzimmer geschrieben werden“, formierte er sein eigenes Unternehmen, das sich am 26. Januar 1978 offiziell als „David Coverdales Whitesnake“ vorstellte. Eine Band, die von Beginn an unverkennbar Coverdales Handschrift trug.

Auch wenn Kritiker dahinter eher Eitelkeit vermuteten, und in der Band eine Backing-group für den Sänger sahen, so war dies Projekt doch weit mehr als ein getarnter Solo- oder gar Ego-Trip. Mit Micky Moody und Bernie Marsden an den Gitarren, Neil Murray am Baß. Dave Dowle am Schlagzeug und Pete Solley an den Keyboards standen ihm Musiker zur Seite, die sich kaum mit einer Statisten-Rolle abspeisen ließen.

Bereits im Februar ging die Live-Premiere in Nottinghams Sky Bird Club über die Bühne. Eine Reihe von kleineren Touren, u.a. als Vorgruppe von Police, schlössen sich an. Wer von der Band allerdings einen Senkrechtstart erwartet hatte, übersah, daß Whitesnakes Weg trotz klangvoller Namen nicht oben, sondern ganz unten begann.

„Stetiger Fortschritt lautete unsere Planung. Wir wollten ganz bewußt in kleinen Clubs und im Vorprogramm spielen“.

war Coverdales Devise, die zeigte, wie sehr man sich auf einen langfristigen Aufstieg eingestellt hatte.

Noch im gleichen Jahr erschien nach „Snakebite“. einer EP, die vor allem durch die Interpretation des Bobby Bland-Titels „Ain’t No Love In The Heart Of The City“ überraschte, das erste große Werk, die LP TROUBLE.

Von Trouble, von Problemen also, konnte nur bedingt die Rede sein, eher schon von Ungereimtheiten, die sich während der Aufnahmen eingeschlichen hatten. Selbst Jon Lord. Coverdales früherer und jetzt wieder zurückgekehrter Weggefährte, der alle Keyboard-Parts noch einmal neu eingespielt hatte, war nicht in der Lage, die vielen kleinen Brüche zu überbrücken.

So reihten sich Jazz-Splitter. Power-Blues-Einflüsse und Rock’n’Roll-Passagen aneinander, ohne ein durchgängiges Konzept erkennen zu lassen.

Der Kritiker Geoff Barton von der englischen „Sounds“ schrieb: „Ein ehrliches, unterhaltsames und wider Erwarten breitgefächertes, englisches Rock-Album, obgleich nichts wirklich herausragt, was einen in Entzücken versetzt …“

Auf LOVEHUNTER von 1979, die wie die vorige und die folgenden LPs von Martin Birch mit klarem Blick für Whitesnakes Stärken produziert wurde, waren die ersten Wunden schon verheilt. Es war vor allem Coverdales Verdienst, seine Ausstrahlung und Energie, noch so unterschiedliche Tonlagen innerhalb eines Songs auszuloten, an der sich die Band orientierte. Ein Bluesstück wie „Walking In The Shadow Of The Blues“, der spätere Klassiker, war nur ein Beispiel für die effektive Feinabstimmung von Gesang und Instrumenten.

Was damals niemand ahnte, war die Tatsache, daß hinter dem Vorhang des Erfolges erhebliche Meinungsverschiedenheiten in punkto Arbeitsmoral herrschten. David erinnert sich noch lebhaft: „Ich habe meine eigene Band verlassen, weil die Leute mehr an Fußball im Fernsehen als an der LP interessiert waren. Schließlich hatte ich viel Zeit auf die Songs verwendet, um sie straff und gradlinig zu machen, doch die Umsetzung durch die Band war schrecklich. Deshalb habe ich die Gruppe verlassen und sie damit geschockt. Prompt kamen wir wieder zusammen und haben READY ANWILLING eingespielt.“

Zuvor jedoch verstärkte man sich am Schlagzeug durch Ian Paice, einen weiteren Ex-Purple-Mann, der für Dave Dowle einstieg, ehe der Terminplan Ende 1979 Aufnahmen für die nächste LP vorsah.

Als READY AN’WILLING im Mai 1980 erschien, war der Eklat vergessen. Außer Charts-Notierungen für die LP wie auch für die vorab veröffentlichte EP „Pool For Your Loving“ war der Auftritt beim Reading-Festival als Headliner das Ereignis des Jahres.

Ein Kritiker stellte der Band gar das Zeugnis aus, „der produktivste Zweig des Deep Purple-Stammbaums“ zu sein. Nicht ganz ohne Grund, denn weder Ian Gillans Band noch Ritchie Blackmores Rainbow besaßen geeignete Mittel, um Whitesnakes unkomplizierten Elan ernsthaft gefährden zu können.

Warum selbst junge, unverbrauchte Bands aus dem Punkoder Heavy-Metal-Lager Mühe hatten, den rhythmischen Wechselbädern, den unerwarteten Stromstößen aus zwei Gitarren oder dem markanten Gesang etwas Gleichwertiges entgegenzusetzen, darauf gaben die nächsten Alben präzise Antworten.

Zunächst LIVE – IN THE HEART OF THE CITY aus demselben Jahr und – noch um einige Grade stärker – COME AN’GET IT von 1981, eine Studio-LP, die die ganze Fülle noch so verschiedener Stile. Anleihen und Vorbilder wie den Soul, Blues, Rock bis hin zum Hardrock, auf einen einprägsamen Nenner brachte.

Man lehnte es ab. Trendsetter zu sein oder zu jenen kurzweiligen Mode-Bands zu gehören, die mit Musikkonserven die Hitparaden bevölkern, um nach kurzer Zeit wieder in der Versenkung zu verschwinden. Whitesnake verstand sich vielmehr ausdrücklich als Band mit einem klar umrissenen Profil und einer Geschichte, die in ihren Wurzeln bis weit in die glorreichen Sixties zurückreichte. Coverdale: “ Wir sehen uns gern als eine progressive R n B-Band, die vielleicht die Yardbirds geworden wären, wenn es sie heute noch gäbe.“

Nimmt man sich die Zeit, den vielfältigen Hintergrund genauer zu beleuchten, wird man entdecken, warum Coverdale nichts vom Heavy-Metal („Ich hasse Heavy-Metal“) wissen will, warum sein Interesse dem Blues und schwarzen Größen wie Marvin Gaye. Aretha Franklin oder Tina Turner gilt.

In seiner Stimme liegt der Beweis: Statt orkanartiger Lautstärke setzt er auf Gefühle, geht es ihm um Stimmungen und Eindrücke, die er über alle Schwankungen hinweg nachzeichnet. “ Wenn ich Freddie King „Come over here woman. I ‚m a boogie-man“ singen höre, weiß ich, daß der Typ wirklich heiß ist. Ich glaube ihm. Und ich glaube ihm. wenn e, spielt.“

Ein Thema, das in seinen Songs und auf der Bühne eine wichtige, wenn auch umstrittene Rolle spielt, ist der Sex, sind obszöne Texte. Gesten und Bewegungen, die ihre Wirkung nur selten verfehlen.

„Ich bin nicht ständig der Pfau, der mit seinem Arsch auf der Bühne wackelt und mit dem Mikrofonständer herumhantiert.

Ich zeige meine Schwäche, mache deutlich, daß ich einsam, glücklich oder traurig bin. Ich weiß, daß ich kein Stück Fleisch bin, das man im Playboy ablichten kann.“

Den Verdacht, daß die Band Whitesnake angesichts dieser Ämterhäufung als Sänger. Sex-Objekt. Frontman und Bandleader an Gewicht verliere, weist er unmißverständlich zurück: „Es kommen oft Leute, die sagen: ,David, du bist Whitesnake‘. Das ist nett, doch ich weiß, ich brauche gute Musiker, um Whitesnake und Coverdale zu sein. Das ist keine Ein-Mann-Show.“

Trotz beachtlicher Erfolge und glänzender Resonanzen zog Coverdale auf dem Höhepunkt die Notbremse und trennte sich überraschend von der Band. In seinen Augen hatte sie mit Ausnahme von Jon Lord gegen eine goldene Regel verstoßen, sie hatten das „roots feeling“ verloren und waren nicht mehr hungrig, sich neuen Herausforderungen zu stellen.

Doch das war nicht der einzige Grund für seinen folgenschweren Schritt. Seit geraumer Zeit schon hatten private ProDleme und die wachsende Unzufriedenheit mit der eigenen Musik seine Karriere überschattet. Die Konsequenz war der radikale Bruch, schließlich auch mit seinem Manager Coletta. SAINTS ANSINNERS sollte das Abschiedswerk sein, das erforderlich war, um die vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen.

Zum letzten Mal spielten hier die Schlangen in der alten Formation, ohne auch nur im Ansatz an die Glanzzeiten erinnern zu können, als man nicht Berge sondern Bühnen versetzte. Einzig „Here I Go Again“ und „Crying In The Rain“, die allein von Coverdales flächigem Gesang lebten, übertrafen die ansonsten magere Ausbeute.

Es dauerte jedoch nicht lange – und schon standen wieder neue Namen auf Whitesnakes Gehaltsliste. Da waren der Ex-Trapeze Gitarrist Mel Galley, ein ausgesprochener Wunschkandidat, von dem er sich „frisches Blut“ versprach, und Drummer Cozy Powell, „The Rattler“, sowie Bassist Colin Hodgkinson, ehemaliges Back Door-Mitglied mit Jazzrock-Erfahrungen. Nur Jon Lord und Micky Moody, der nach der Trennung einen erneuten Versuch startete, blieben von der alten Band übrig.

Schon wenige Monate später aber stand man bereits auf der Siegertreppe, wie die „Monsters Of Rock‘-Konzerte hierzulande bewiesen.

Ab September dieses Jahres war man dann wieder im Studio und bereitete die kommende LP SLIDE IT IN vor. Allerdings ohne Micky Moody, den Lead- und Slide-Gitarristen der ersten Stunde, der aus „persönlichen Gründen“ seinen Hut genommen hat.

Abermals eine Häutung, die nach den letzten Triumphen zwar überraschend kommt, aus Davids Sicht aber nur konsequent ist: „Micky und ich waren so weit wie möglich gegangen. Micky ist nun mal kein wirklicher Rock n Roller, er hat ein vorzügliches Blues-Feeling, doch ihm fehlt das‘ Feeling eines Michael Schenker, Gary Moore oder John Sykes.“

Wer Moodys Platz einnimmt, ist noch unklar, denn Ex-Thin Lizzy-Gitarrist John Sykes hat sich nach einem kurzen Abstecher ins Münchner Whitesnake-Camp entschlossen, seinen Ex-Chef Phil Lynott auf dessen Solo-Tour zu begleiten und vielleicht schon demnächst eine eigene Band zu gründen. Die Zeit drängt, da schon ab Mitte Dezember der Tournee-Zug in England anrollt und bis dahin wieder alle vollzählig an Bord sein müssen.

Bei aller spürbaren Anspannung im Studio kann man sich wie gewohnt ganz auf die Dienste von Produzent Martin Birch verlassen. Nach den ersten „rough mix“-Eindrücken zu urteilen, haben Birchs unsichtbare Hände dem neuen Werk, vor allem Songs wie „Spit It Out“ oder „Give Me Just A Little More Time“, ein ungewöhnlich frisches Heavy-Kostüm verpaßt. Coverdale: „Wenn alles klappt, sollte dies die Gala-Vorstellung von Whitesnake werden.“