Die Toten Hosen als DJ’s


Wenn Die Toten Hosen Hörfunk machen, kann dabei nur Punk-Radio rauskommen. Doch genau diese Lust am Chaos beschert dem Sender der Düsseldorfer neue Hörer. Maria Kajzer über das Äther-Abenteuer der Opel-Gang.

Er grinst sich schon eine ganze Weile durch eine ‚Exotic Beatles‚-CD. Dann kann sich Campino nur noch an den Kopf tippen. Aus bellenden Pudeln, auf den Schwanz getretenen Katzen und krähendem Geflügel hat igendein Verrückter „We Can Work It Out“ zusammengebastelt. Doch je schräger, desto Hosen. Wo Düsseldorfs ewige Fun-Rabauken senden, muß Punk-Radio rauskommen. „Man sollte als Hörer schon belastbar sein, wenn man uns eine volle Stunde lang durchhalten will“, warnt die Oberhose.

„Tausend Takte Tanzmusik“ – einst auf Radio DDR I ein Strauß bunter Melodien von Alla Pugatschowa bis James Last – läuft auf der ORB/SFB-Jugendwelle „Fritz“ mit dem Untertitel „Die Radio-Show der Toten Hosen“. „Das Ding kam zustande, als unser Manager den ‚Fritz‘-Chefredakteur Helmut Lehnert traf und mehr als Gag fragte, ob man nicht mal was zusammen machen könne. Immerhin kaufen in Amerika Bands ja ganze Sendezeiten bei Radiostationen“, erzählt Campino. Bei Lehnert fand die Hosen-Anfrage offene Ohren. Aber anders als in den USA gab’s bei „Fritz“ Sendezeit zum Nulltarif. Seit 30. April nun sind Die Toten Hosen mit ihrer Personality-Show regelmäßig im Äther vertreten. Beim Funk geht es dann meistens so zu wie heute.

Mit einem Vorrat von zehntausend Takten nur bedingt tanzbarer Musik unterm Arm drängeln sich die fünf Düsseldorfer unter die Kopfhörer. Vier hinterm engen Studiotresen, der Chef mitten in der Technik des hochmodernen Studios.

Erklärtes Objekt der heutigen Begierde sind die Beatles. Breiti hat bis eben Schnipsel aus Hosen-lnterviews mit Paul McCartney, Faith No More und anderen auf digitale MOD-Cassette sortiert. Wölli kramt nach einem „Cocktail der Woche“-Rezept. Für die Rubrik „Aus dem Probenraum“ sucht Kuddel auf der Gitarre die Griffe zu „Get Back“, worauf Campino einwirft: „Is doch zweite Stunde Gitarrenschule. Da brauchste glatt gar nichts können.“ Doch niemand bekommt den Text auf die Reihe. Man einigt sich schließlich auf die spätere Klampfe/Blockflöte/Handclapping-Session von „Let It Be“. Da der Tontechniker fragend zur Uhr schaut, läßt Campino ein „fangen wir doch einfach mal an“ in das gepflegte Durcheinander fallen. Andi grinst genüßlich: „Wie immer.“

Das Konzept heißt Chaos. „Der Song geht noch 15 Sekunden, wer will dann labern?“ „Nehmen wir doch McCartneys Statement, wie er seiner Tochter eigenhändig die Haare schneiden mußte, als sie Punk wurde.“ „Sollten wir aber übersetzen. Für die, die bloß Russisch verstehen.“ Musik zu Ende, der Techniker muß die Mikros aufmachen und rudert stumm mit seinen Armen herum — er wüßte nur allzu gern, welche CD danach laufen soll.

Ehe sie sonntags um 19 Uhr auf Sendung gehen, produzieren die Hosen einmal im Monat die nächsten drei, vier Sendungen vor. Weder beim Thema noch bei den Platten redet ihnen jemand rein. Die Band vermutet, „Fritz“-Chef Lehnert habe bestimmt schon einige Male Blut und Wasser geschwitzt. So früh liegen nicht mal „jugendgeschützte Hörer“ im Bett. „Passiert irgendwas, wozu der Sender nicht stehen kann, liegt die Verantwortung voll und ganz bei uns.“

Auch wenn man nicht mehr wie in den ersten Sendungen zu fünft durcheinanderquatscht oder Anrufer unbeholfen aus der Leitung wirft: Das Image öffentlich-rechtlicher Anstalten wird hier oft genug ramponiert. Inmitten grassierender Quotenangst kennt Campino jedoch „keinen anderen Sender, der dies gewagt hätte. Obwohl viele Leute die Schnauze voll haben von diesem genormten Format-Radio, das einem überall um die Ohren gehauen wird.“ Die Frage, ob „Tausend Takte Tanzmusik“ ein deutsches „Wayne’s World“ sei, möchte er dann aber doch nicht so im Raum stehen lassen: „Das sind ja saudumme Typen! Wir stehen mehr auf den Spinal-Tap-Humor.“

Vor allem ist „Tausend Takte Tanzmusik“ keine Dauerwerbesendung der Band. Wenn überhaupt Hosen-Songs laufen, so nur Coverversionen oder Demo-Raritäten. Nichts vom letzten Album, nichts vom nächsten, für das bereits 25 Songs stehen. 15 weitere sollen noch dazukommen, damit man auswählen kann. „Vielleicht dauern die Arbeiten noch bis zum kommenden Frühjahr. Aber nach ‚Love Peace Money‘ wird es auf jeden Fall wieder deutsches Material geben.“

Die Beatles-Show ist im Kasten. Die nächste Stunde dreht sich ums Thema „Peinlichste Lieblingslieder“. Jeder packt seine Geschmacks-Outings aus. Die meisten wären vor 13 Jahren mit Verbannung aus der Band auf Lebenszeit geahndet worden. Campino will mit Ace Of Base beginnen. Alle sind dagegen. Regler hoch: Ace Of Base „All That She Wants“. Demokratie ist manchmal relativ, und Breiti rastet hörbar ein: „Es gibt auch zwischen Mist und Mist noch Unterschiede!“ Kuddel boxt Mireille Matthieu durch und muß sich anhören, als er sich danach für Marilyn Monroe stark macht: „Du hast schon genug angerichtet!“ Den Super-GAU aber liefert Wölli. Mit einer Peking-Oper!

Fragt man eher beiläufig, was die kickerinteressierte Band beim Anstoß zur Fußball-Bundesliga treibt, gibt’s eine faustdicke Überraschung: Eishockey! Ein Benefizspiel der Hosen gegen die Erzfreunde von den Leningrad Cowboys, auf dem Eis der Düsseldorfer DEG. Der gute Zweck heiligt das Ergebnis: die Opel-Gang unterliegt den Finnen mit 10:11