Für die Bananafishbones kein Widerspruch: Mord und Totschlag inmitten einer scheinbar intakten Alpenidylle


Thomas Mann schrieb hier „Tod in Venedig“. Und seit 1996 führt Ottfried Fischer seine geschätzt 150 Kilo Lebendgewicht auf Ganovenjagd allwöchentlich vor jeweils rund sechs Millionen Zuschauern in der historischen Marktstraße spazieren – wobei dem „Bullen von Tölz“ die Gewaltverbrecher in dem idyllischen Voralpen-Kurort mit seinen 16.400 Einwohnern erstaunlicherweise auch nach 36 Folgen noch nicht ausgegangen sind. Dabei wird im Zuständigkeitsbereich der örtlichen Polizeiinspektion in Wahrheit nur ein bis zwei Mal pro Jahr gekillt, „ganz normaler Durchschnitt“ sei das, heißt es.

Sebastian „Wastl“ Horn ist Tölzer aus Überzeugung, wollte noch nie in eine der Rock’n’Roll-Hauptstädte Berlin, Köln oder Hamburg übersiedeln, „weil ich ein absoluter Landmensch bin und es mir hier sehr gut gefällt“. Und hat es wie der Kommissar Berghammer aus den Sat.i-Krimis mit der Abgründigkeit, mit der „schönen Gesellschaft und dem, was drunter brodelt“: „In jeder Stadt auf dieser Welt gibt es das, was keiner wissen will, gibt es das Untergründige, gibt es den Mob, der vergewaltigt und mordet, gibt es diese Sieben.“

Deswegen verpasst der 31-jährige Bassist und Sänger der Bananafishbones deren Songs gern schmerzende inhaltliche Widerhaken – auch „A Town Called Seven“, das neue Album des Trios, wimmelt wieder davon. Nur ein Beispiel: „Stopping At The Drive-In“. „Das ist ne Mixtur aus ‚Jacobs Ladder‘, einem ganz harten Anti-Vietnam-Film, und einem romantischen Gedicht von Rimbaud. ‚Der Schläfer im Tal‘, wo beschrieben wird, wie im Ersten Weltkrieg einer im Gras liegt und stirbt. Das letzte Wort, das er über seine fieberblassen Lippen kriegt, ist ‚Mama‘. Das hat mich sehr bewegt, so der ehemalige Biologiestudent mit der sonoren Stimme beim Bandtreff in der Küche von Schlagzeuger Florian Rein (31).

Wie sein Gitarre spielender Bruder Peter (40] entstammt auch der Wastl einer Familie, „die komplett filmwahnsinnig ist“, und er weiß folglich., von jedem Lied genau, wie ich mir das Video dazu vorstellen könnte, nur gibt’s da zwei kleine Probleme: Zeit und Geld.“ Zwar reizt der Gedanke, ein komplettes Album mal filmisch umzusetzen, aber: „Du müsstest, wenn du dir so etwas vornimmst, jemanden damit beauftragen, denn von uns hat keiner die technische Kompetenz und das Know-how, so etwas an den Start zu bringen. „

Peter Spinnt den Faden weiter, liebäugelt mit dem Gedanken, „dass du nen Film zeigst, aber die Band gar nicht so in den Vordergrund tritt. Nur ist dieses Sich-Produzieren vor den Leuten ein wesentlicher Punkt unserer Ambition. Und wenn du jetzt gleichzeitig ’nen Film laufen lässt und die Band sehen willst, dann ist es so ’n Overload, was garantiert nicht funktioniert.“ In dieser Richtung experimentiert haben die Fishbones trotzdem: Auf ihrer letzten Live-Promo-Tour ließen sie ihr charmantes Quer-durch-den-Gemüsegarten-Gebräu, vergoren aus Rock, Country, Pop, Folk, Alternative und einem Schuss Jazz, von zwei Münchnern mit Dias unterlegen. Weil der Versuch gelang, soll es zur Herbsttour im Oktober eine Neuauflage geben.

Und auch die werden die Fishbones wieder zu dritt bestreiten, obwohl ihnen selbst das eigene Management laut Sebastian „immer mal wieder nahe legt“, einen vierten Mann in die Band zu holen. „Aber andererseits schätzen ganz viele Leute genau das, dass wir eben nur zu dritt sind und es auch ohne Somples und Einspielungen funktioniert. Live ist das für uns natürlich ’ne ganz schöne Rödelei, aber dafür ist halt alles ‚handgemacht‘.“ Florian, studierter Jazz-Drummer und Stillster im Fishbones-Dreigestirn, sieht genau darin zudem „eine Herausforderung, denn jede andere Band legt ihre MiniDisc ein und hat im Hintergrund irgendwelche Sequenzerspuren laufen. Wir suchen uns Live-Arrangements der jeweiligen Songs, und es kann dann schon sein, dass das mal ein bisschen anders klingt. “ Und zwischendrin eine angeschrägte Coverversion auftaucht wie etwa Abbas „Gimme! Gimme! Gimme!“, verewigt bereits auf der 96er-„Horsegone“-EP als Reminiszenz an die Zeiten, als die Fishbones noch eine Partyband waren, die auf Hochzeiten „unplugged“ oder auf Faschingssausen Nirvana– oder AC/DC-Songs spielte. „Das machte auch wahnsinnig Span, so voll auf die Kacke zu hauen“, erinnert sich Brillenträger Peter, der sich beim Komponieren eigenen Materials inzwischen ganz auf seinen Instinkt verlässt: „Wenn ich Songs schreibe, dann fängt das sehr schnell an, dass der Song mich in ’ne dunkle Höhle lockt, ich folge ihm, und schon bin ich gefangen. Denn der Song bestimmt, wie er letztlich aussieht. Und wir lieben nun mal die Vielfalt; für uns macht es keinen Sinn, nur auf einer Schiene zu fahren.“

Ahnlich facettenreich wie ihr Repertoire war denn auch das Line-Up beim ersten „Hillside Open Air“, das die Fishbones Ende August 2001 vor imposantem Bergpanorama und über 4000 Zuschauern auf dem Gelände eines ehemaligen Armeeflughafens veranstalteten – bei der von Musikexpress präsentierten Neuauflage werden am 10.8 außer den Fishbones u.a. auch Readymade, Die Sterne, The 45s, Slut, Tito & Tarantula und Jettison auftreten. Flo freut sich schon: „Da kann man zu Fuß zum Auftritt gehen, was wir letztes Jahr auch praktiziert haben. Sehr empfehlenswert!“

www.bananafishbones.de