Großer Freund fliegt nicht zu hoch


The Soundtrack Of Our Lives kommen von ganz unten, und vielleicht führt sie ihr Weg eines Tages auch wieder dorthin. Doch sie werden nicht daran zerbrechen .

The Soundtrack Of Our Lives sind in aller Munde. Ihr drittes Album behind the music (2001) bedeutete den Durchbruch für die sympathischen Schweden um den wuchtigen Kaftanträger Ebbot Lundberg. Die Band nannte man fortan in einem Atemzug mit Oasis und Guided By Voices. Und ein jeder Fan war selbstverständlich von Anfang an dabei gewesen.

Die Wahrheit sieht anders aus: TSOOL mussten für den Erfolg lange kämpfen, sich Stück für Stück emporarbeiten. Für Lundberg die einzige Möglichkeit, nicht vor die Hunde zu gehen: „Ich bin froh, dass wir ein paar harte und teils erfolglose Jahre als Undergroundband hinter uns haben“, sagt er mit sonorerStimme: „So hatten wir genug Zeit zu lernen, wie man damit umgeht, wenn einen plötzlich die Leute auf der Straße erkennen. Es gibt 1000 Beispiele dafür, dass Instant-Erfolg dich umbringen kann. Nirvana wurden schlicht überrollt und gingen daran zugrunde. Und ich bin sicher, dass niemand davor gefeit ist. Das hätte uns genauso passieren können. Wenn das Ego größer wird als man selbst, wird es sehr gefährlich.“

Wer innerhalb eines Jahres von einer Hinterhofband zum Hallenfüller aufsteigt, hat es Lundbergs Meinung nach schwer, den tiefen Fall abzuwenden. Erfolgsdruck, Selbstüberschätzung und Selbstzweifel wechseln sich ab und ergeben eine fatale Mischung: „Das Musikbusiness ist leider nicht halb so romantisch wie man sich das vorstellt. Und Erfolg ist nicht programmierbar. Dadurch, dass wir jahrelang daraufhinarbeiten mussten, sind wir sowohl charakterlich als auch musikalisch gefestigt genug, das alles ein bisschen skeptisch zusehen, anstatt sofort abzudrehen. Jetzt, da wir erfolgreich sind, haben wir eher das Gefühl, dass das alles passiert, weil zufällig die Weichen richtig standen. Es fühlt sich gut an, wenn die Leute unsere Musik lieben, weil wir sie auch lieben. Es fühlt sich richtig an. Aber wenn in ein paar Jahren zufällig niemand mehr Lust auf uns hat, wird uns das nicht das Genick brechen.“

Dass TSOOL in ein paar Jahren abgeschrieben sein könnten, ist jedoch unwahr Großer Freund fliegt nicht zu hoch wahrscheinlich, denn sie haben ein Geheimrezept: „Wir wollen keine Konzeptband sein „, erläutert Lundberg. „Die Hives, die ich sehr schätze und deren Erfolg ich ihnen von Herzen gönne, scheinen jetzt schon müde und ausgebrannt zu sein. Und sie sind wesentlich jünger als wir. Ihr Konzept ist stark, aber es ist ein Konzept. Und ich furchte, dass diese Art von Musik eine geringere Halbwertzeit hat, als man sich momentan eingestehen möchte. Die Menschen werden früher oder später überdrüssig sein und einen neuen Hypefinden.“ Im Gegensatz zu den Hives, die sich durch ein klar umrissenes Konzept und kurze Alben von momentaner Aktualität auszeichnen, veröffentlichen TSOOL mit origin VOLUME i eine Platte, die vor fünf Jahren ebenso gepasst hätte wie sie wohl auch noch 2001 viele Freunde finden würde.

Dass die Aufnahmen zu einem regelrechten Mammutprojekt ausuferten, war zwar nicht geplant, stört aber nicht. „Wir haben 45 Songs eingespielt, weil wir hundertprozentig sicher sein wollten, nur die besten davon auf dem Album zu versammeln „, sagt Lundberg mit einem Schmunzeln, „und dann hatten wir das Problem, dass wir sie tatsächlich alle gut fanden. Jetzt haben wir zwölf Titel ausgewählt, und wie der Name origin VOL. 1 schon verrät, wird ein zweites Album folgen. Eventuell stellen wir sogar noch ein drittes zusammen. Das Positive an unserer Art von Musik ist ja, dass sie in zwei Jahren hoffentlich genauso aktuell oder unaktuell sein wird wie jetzt. Zeitlosigkeit ist unser großes Ziel. Wir wollen etwas schaffen, das ewig währt. Ich persönlich glaube, dass uns das gelungen sein könnte.“

Das Cover des Albums bringt laut Lundberg „auch den lustigen Aspekt dieser Idee zum Tragen „Das Booklet ist gespickt mit hervorragenden Mummenschanz-Fotos der Band. Ob sie nun als launige Hermaphroditen herumtanzen oder sich in „ursprünglichen“ bäuerlichen Situationen wiederfinden, eines beweisen The Soundtrack Of Our Lives gleich mehrfach: Sinn für Humor und Spaß an der Arbeit. Für das Artwork zeichnet Ebbot Lundberg selbst verantwortlich. Er schwärmt: „Ich liebe es, mir Gedanken über die Covergestaltung zu machen. Außerdem finde ich es wichtig, dass ein Album nicht einfach nur Musik auf einem Tonträger ist, sondern als Gesamtproduktwertigkeit und Seele beweist. Ich kann es verstehen, wenn Leute ihre Musik downloaden, wenn CDs nur noch mit einem billigen beidseitig bedruckten Blättchen daherkommen. Ich habe allerdings auch gut reden, denn unsere Fans sind so ziemlich die treusten, die man sich wünschen kann. Es ist wichtig, dass die Fans einen persönlichen Bezug zur Band haben. Dann kaufen sie auch die Alben – sofern sie gut sind.“

Bei soviel Enthusiasmus und einem derartigen Output ist es schwer zu glauben, dass der Sänger und Texter erst kürzlich unter einer bösen Schreibblockade litt, die die Arbeit an den neuen Songs verzögerte: „Die Songs waren alle da, aber mir wollten keine Texte dazu einfallen. Es war eine wirkliche Krise. Ich wollte etwas singen, das Sinn macht, und mir fielen nur Belanglosigkeiten ein. Es war zum Aus-der-Haut-Fahren. Die Plattenfirma war schon wütend auf uns, denn das Album hätte eigentlich schon im Februar veröffentlicht werden sollen, aber es gab einfach nichts, was mich zufrieden stimmen konnte.“ Inspiriert wurde Lundberg dann traurigerweise durch Schicksalsschläge in nächster Nähe, die verarbeitet werden wollten: „Drei Menschen in meinem direkten Umfeld starben plötzlich „, erzählt er. „Vor allem Rocco Cleins Tod hat mich sehr getroffen.Wir waren enge Bekannte. Zwei Wochen vorher hatte er uns noch im Studio besucht, und plötzlich war er weg.“ In dem im Februar verstorbenen Musikjournalisten sah Lundberg einen Visionär und Hoffnungsträger: „Sicherlich hat er kerngesundes Leben geführt, er war ständig auf der Überholspur und hat sich in gewisser Weise selbst zugrunde gerichtet. Aber er hat für die Musik gelebt, er hat gebrannt für die Dinge, an die er geglaubt hat. Es war fast wie ein O/^/er.“ Lundberg will dadurch nicht den selbstzerstörerischen Aspekt des Rock’n’Rolls anpreisen, es ist vielmehr die generelle Begeisterungsfähigkeit, die ihn fesselt und die erteilt: „Die Kunst ist einfach manchmal wichtiger als das eigene Leben. Man will andere Menschen dazu bringen, Dinge zu fühlen, die man selbst fühlt. Rocco hat das mit Haut und Haaren getan, und dafiir hat er meine größte Bewunderung. Und diese Gedanken, die man sich zwangsläufig macht, wenn etwas derart Schreckliches passiert, sind sehr befruchtend, so absurd das auf den ersten Blick scheinen mag. So schwingt in allem was geschieht noch immer etwas Hoffnung mit, was sehr beruhigend ist. Manchmal schafft man etwas, das größer ist als das eigene Leben. Das ist das Wundervollste, was einem passieren kann.“

Wenn er von diesen Visionen spricht, bekommt Lundberg feuchte Augen. Die Band ist seine Art, etwas Zeitloses, Wichtiges zu schaffen, das größer ist als er selbst und das ihn überdauern wird. Am beeindruckendsten ist jedoch seine Bescheidenheit, die leise in jedem Satz mitschwingt. „Ich bin Teil einer Band, und stolz darauf. Aber wenn sich die Dinge zu etwas Großem entwickeln, habe ich meist das Gefühl, dass es passiert, weil es einfach so sein soll. Ich bin dankbar, dabei sein zu dürfen, aber ich bilde mir nichts darauf ein.“