Lee Hazlewood: Der Mann mit dem goldenen Charme


In den Sechzigern hat Lee Hazlewood Nancy Sinatra „erfunden“. Jetzt verbeugen sich Bands wie Calexico und Lambchop auf einem Tributalbum vor einem der größten lebenden Songschreiber des zwanzigsten Jahrhunderts.

Baseballmützen. Irgendwann begehen sie sie es alle, dieses modische Verbrechen, das selbst dem Schillerndsten unter den Popstars den letzten Rest von Glamour raubt. Es ist nur eine Frage des Alters. Lee Hazlewood ist fast 73. Alt genug, um mit Baseballkappe, Sonnenbrille und Jogginganzug am Schreibtisch seiner auf Gefrierschrank-Temperatur herunterklimatisierten Hotelsuite herumzusitzen. Die Kanapees, die die Hoteldirektion so schön auf einem Tischchen hat drapieren lassen, bedenkt Hazlewood mit einem nicht zitierfähigen Adjektiv. „Ich liebe richtiges Essen. Da muss Fleisch dabei sein, Rindfleisch“, sagt er mit dieser Stimme, die Johnny Cash an den Leipziger Thomanerchor verweist. „Ich darf kein Salz essen, weil ich eine Salzallergie habe. Ich esse mehr Pfeffer, als du dir vorstellen kannst, aber kein Salz“, spricht’s und bestellt beim Zimmerservice einen Kübel Eis. „Du musst wissen, dass ich meine Cola mit sehr viel Eis trinke. Es scheint aber sehr schwierig zu sein, im Sommer in Deutschland Eis aufzutreiben.“

Hazlewoods kulinarische Ansprüche wären also erst mal geklärt, aber wie war das eigentlich damals in den Sechzigern mit Nancy Sinatra? „1966 habe ich nicht gearbeitet; ich habe es genossen, auf meiner Veranda zu sitzen und mir den ein oder anderen Drink zu genehmigen. Das war ein schönes Leben. Ich wollte Nancy erst gar nicht produzieren. Aber die Sinatras sind ein sehr überzeugungsfähiger Menschenschlag. Als ich Nancy zum ersten Mal besuchte, standen in ihrem Haus zufälligerweise überall Flaschen mit Chivas herum – meinem Lieblings-Scotch. Plötzlich tauchte Frank auf, schüttelte mir die Hand und sagte: ‚Das ist toll, dass ihr beiden Kids was zusammen machen wollt‘. Naja, und so habe ich zwei Singles mit ihr produziert, die sich nicht schlecht verkauft haben. Und dann kam These Boots Are Made For Walkin'“.

„Boots‘ war ursprünglich ein Partysong aus Hazlewoods frühem Repertoire voller Anspielungen und Chiffren, die auf das Publikum in Texas gemünzt waren. „Nancy war begeistert und wollte den Song aufnehmen. Ich sagte: ‚Nein, das geht nicht, kein Mensch in L.A. versteht den Text.’Dann wurde ‚Boots‘ ein Riesenerfolg, und sie entwickelte ihr Image daraus mit den Minikleidchen und den Stiefeln.“

Dass er Nancy privat ein bisschen näher gekommen ist als ihrem Vater damals lieb gewesen sein soll, ist nur ein „schreckliches Gerücht“. „Wir hätten gar nichts zusammen anfangen können, sie hatte ihre Freunde, ich hatte meine Freundinnen. Ich schwöre, da ist nichts dran an dem Gerücht. Mich würde interessieren, wer das aufgebracht hat. In dem Zusammenhang werde ich auch immer gefragt, ob mich Frank Sinatra eigentlich hat leiden können. Ich weiß es nicht, es spielt aber auch keine Rolle. Wenn du eine 22-jährige Tochter hast, und da kommt ein Typ in ihr Leben, der ihr dabei hilft, vier Jahre lang zwei bis drei Millionen Dollar zu verdienen, würdest du diesen Typen hassen?“

Dass jetzt neben einer Platte mit unveröffentlichten Hazlewood-Songs noch ein Tributalbum erscheint, auf dem zeitgenössische Bands wie Calexico, Lambchop, die Tindersticks und die Webb Brothers dem Songwriter ihre Reverenz erweisen, findet der so Geehrte „irgendwie komisch. Ich weiß, dass sich schon in den Neunzigern diese ganzen Sub-Pop-Bands auf meine Musik bezogen haben. Aber das mit dem Tributalbum erstaunt mich immer noch ein bisschen. Wenn ich so jung wie Calexico wäre, würde ich mich doch nicht für die Musik eines alten Mannes interessieren. Vor dreißig Jahren habe ich mich auch nicht für alte Leute interessiert. Nicht mal jetzt tue ich es. Aber die Alternative zum Alter ist schrecklich, das was danach kommt-uaaaaargh!“

Im Gegensatz zu Songschreiber-Ikonen wie Irving Berlin oder Johnny Mercer, die am Ende ihres Lebens auf einen Songkatalog zurückblicken konnten, der mehrere tausend Stück umfasste, gehen lediglich knapp dreihundert auf Hazlewoods Konto. „Das ist gar nicht so viel für jemanden, der seit vierzig Jahren Songs schreibt. Aber die Kohle, die ich mit den Verlagsrechten verdiene, ist ganz okay.“ Sogar so okay, dass Hazlewood in der Lage ist, sich immer mal wieder ein bescheidenes Häuschen kaufen zu können. Demnächst soll’s noch eins in Wyoming sein. Das ist einer der wenigen US-Bundesstaaten, in dem man keine zusätzliche staatliche Einkommensteuer zahlen muss. Denn: „Steuern zahlen – dazu habe ich keine Lust“.

www.leehazlewood.com