Living Colour


Ein weißes HipHop-Trio im Vor- eine feine Sache – in der Praxis wurde Programm einer schwarzen daraus aber ein knallharter Schuß in den Rockband? Theoretisch ist das natürlich Ofen. Das lag jedoch gewiß nicht an den Stereo MCs, die mit Live-Drummer angetreten waren. Ganz im Gegenteil: Die Briten haben hochkarätiges Material und überdies einen Rapper namens Rob, der dieses Material anders als etliche schwarze Zunftgenossen nicht mit überflüssigen Mätzchen ruiniert. Doch es hilft alles nichts: Die Mauer aus geballtem Desinteresse und vereinzelten Mißfallenskundgebungen, die schon vom ersten Ton an im ausverkauften Docks von den bemerkenswert bornierten Fans von Living Colour errichtet wurde, blieb einfach unüberwindlich für die Stereo MC’s. Vermutlich fanden Vernon Reid und seine Kollegen dieses ignorante Verhalten ihres Publikums auch nicht sonderlich angenehm.

Mit Akzeptanz-Problemen mußte sich Living Colour während des knapp zwei Stunden langen Sets natürlich nicht rumschlagen. Und es liegt sicher nicht nur an der angespannten Wohnraumsituation in Hamburg, daß die Meute den Sänger Corey Glover fast arbeitslos machte, als er seinen „Open Letter To A Landlord“ diktierte. Die ins Publikum gerichteten Scheinwerfer der Konfektionsgröße „Stadion-Rock“ halfen der Spontaneität des Massenchors freilich ein wenig auf die Sprünge.

Mit Vehemenz und der gnadenlos zupackenden Schärfe von Raubtier-Fangzähnen verbissen sich die New Yorker Farb-Animateure in ihr Repertoire, in dem sich auch einige Cover-Versionen fanden: „Should I Stay Or Should I Go“ von The Clash paßte da ebenso gut hinein wie „Final Solution“ von Pere Ubu. Und immer wieder schoß Vernon Reid sein harmolodisches Sperrfeuer gegen eine Rhythmusabteilung ab, die beständig gegen ihre eigene Funktion anspielte.

Mit „Love Rears Its Ugly Head“ kam endlich ein Ruhepunkt. Obwohl das Stück mit seinen Wechseln aus solistischer Wah-Wah-Spielerei und strammer Akkord-Auflösung Hendrix pur ist, registrierte man dankbar die eher konventionelle Struktur. Auch ein Song wie „Type“ brach die typische Härte von Living Colour zugunsten melodischer Gradlinigkeit auf. In der Zugabe trug das Quartett schließlich noch Elvis Preslev zu Grabe, Und das war vielleicht der wahre Triumph dieses zuweilen anstrengenden Abends: Vier schwarze Musiker reklamieren ihre Roots beim Nutznießer Elvis, und ein weißes Publikum jubelt ihnen dabei zu.