Nine Inch Nails


Ein Mann, eine Band: Trent Reznor ist Nine Inch Nails. Und wenn er Musik macht, geht man ihm besser aus dem Weg

Eines eint so ziemlich alle neuen Rock-Helden: Der Hang zur Kontroverse. Ins Bild der prototypischen Chaoten von Kurt Cobain bis Eddie Vedder scheint sich Trent Reznor alias Nine Inch Nails nahtlos einzuordnen, kaufte er sich doch vor anderthalb Jahren ausgerechnet das Haus am Cielo Drive in Beverly Hills, in dem ein Jahrhundertverbrechen verübt wurde: Der Mord an Sharon Tate. Doch Reznor warnt vor Mißverständnissen. „Ich glorifiziere damit keinen Gewaltakt, wie es in den Medien oft dargestellt wird. Im Gegenteil, erst einen Tag vor dem Kauf bin ich zufällig auf die unselige Historie des Gebäudes gestoßen. Mir war vorher überhaupt nicht bewußt, wo die Tat geschah. Ich habe das Haus trotz allem gekauft, weil es isoliert genug gelegen ist, um darin laut zu üben, und weil man von dort aus einen wunderbaren Blick auf LA hat.“

Von tumbem Serial-Killer-Kult distanziert sich Reznor glaubwürdig. Was nicht heißt, daß bei ihm alles normal von sich geht. „Wenn ich eine Platte aufnehme, verschwinde ich vollkommen von der Bildfläche, ich rufe auch niemanden an. Verlasse ich das Studio wieder, stehe ich regelmäßig am Hand des Wahnsinns, da ich lange nicht unter Menschen war.“ Er ist ein Einsiedler, dieser Trent Reznor. Auch in musikalischer Hinsicht. Die Band ist er, das machte er schon auf dem Cover des NIN-Debuts „Pretty Hate Machine“ klar, und diese Konstellation hat Bestand.

„Anfangs war ich auf mich allein gestellt, weil es in meiner damaligen Heimat Cleveland nur Industriearbeiter, aber keine Musiker gab. Und später konnte ich leider auch keinen finden, der ausbaufähige Ideen in die Band einbringen konnte. Manchmal hätte ich tatsächlich gerne ein paar Leute um mich, die mir mit Rat und Tat zur Seite stehen.“

Daß unter isolierten Umständen Musik abseits von Mainstream-Mustern entsteht, ist keine Überraschung. Neben lauten Gitarrenriffs und versteckten Melodien übertönen meist schroffe Industrial-Elemente das Gesamtbild von NIN. Für Schubladen hat Einzelkämpfer Reznor natürlich gar nichts übrig: „Es ist maßlos übertrieben, wenn mich die Presse als Kopf einer neuen Industrial-Bewegung verkauft. Damit verdecken sie nur ihre Ratlosigkeit darüber, daß es jemand ohne ihre Hilfe geschafft hat, sich zu etablieren.“

Trotz dieses Einwandes: Genauso wie etwa Ministry setzen Nine Inch Nails auf elektronische Härte. Und das gewinnbringend, das zweite Werk von NIN. die EP „Broken“ stürmte letztes Jahr die Top Ten der US-Album-Charts. Dieses Kunststück wird die neue Silberscheibe „The Downward Spiral“ wohl mindestens wiederholen – der Schöpfer sieht das mit gemischten Gefühlen.

„Je älter ich werde, desto weniger Befriedigung vermittelt mir Musik. Früher konnte ich damit spielend meinen Frust verdrängen. Mittlerweile ist mir klar geworden, daß man als Musiker mit allen Verpflichtumdn kein normales Leben mit normalen Beziehungen führen kann. Das nervt.“ Wenn sich die Gemütsspirale auch manchmal hörbar bis in die Tiefen der Depression windet – Reznor macht erst einmal weiter. Schließlich zeigt die Erfolgskurve der Nine Inch Nails stramm nach oben. Sowas kann ja auch manche Wunde heilen, sollte man meinen…