Kritik

„Ozark“ Staffel 3 auf Netflix: Szenen einer Ehe im Kartellkrieg


Fast zwei Jahre mussten wir auf die Rückkehr der Netflix-Serie „Ozark“ warten. Die Geduld belohnt die dritte Staffel durch wildes Handlungsgemenge und den zwischenzeitlichen Verlust der eigentlich reizvollen Plot-Elemente leider nur bedingt. Aber das Ende macht Hoffnung. Eine spoilerfreie Begutachtung.

Die Wiederaufnahme einer Serie nach längerer Wartezeit kann mitunter eine erneuernde Wirkung aufs Storytelling haben – im Fall von „Ozark“ kostet sie die Zuschauer*innen aber zunächst einmal vor allem Mühe. Was ist noch gleich in den zwei vorangegangen Staffeln der Netflix-Serie passiert? Unfassbar viel. Es begann alles mit einem Deal, den der kriminelle Finanzberater Marty Byrde (Jason Bateman) vorschlägt, als ihm ein Drogenboss brutal die Leviten liest: Innerhalb von fünf Jahren will er für das mexikanische Drogenkartell 500 Millionen US-Dollar reinwaschen – fernab Verdacht schöpfender FBI-Ermittler. Und so verschlägt es Marty mitsamt Frau und Kindern von einem Chicagoer Vorort in den mittleren Westen ins Städtchen Osage Beach im US-Bundesstaat Missouri, durch die sich das titelgebende Ozark-Gebirge zieht.

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Dort begegneten ihnen im Verlauf der zwei Staffeln sehr viele, diesen Deal gefährdende Hürden: der Argwohn der einheimischen Klein- und Schwerkriminellen, ein soziopathischer FBI-Agent, ständige Drohungen aus Mexiko und Heimweh. Die Body-Count stieg alsbald ins Unermessliche, die Spannung aber gleichermaßen. Viele der Stilmittel von „Ozark“ wurden in dieser dritten Staffel beibehalten: die in kaltes, bläuliches Licht getauchte Tiefenschärfe, der minimalistische Vorspann, der die Handlung durch Icons vorausdeutete, und eben diese konstant sich verdichtende Handlung.

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Zunehmende Gefahr von außen, tiefe Risse im Inneren

 

In diese tauchen wir gleich zu Beginn mit einer ziemlich gewalttätigen Eröffnungsszene ein. In Mexiko wird ein brutaler Kartellkrieg zwischen den Navarros (Arbeitgeber der Byrdes) und den Lagunas geführt, dem immer mehr Zivilisten zum Opfer fallen. Kontrastiert wird das durch einen Werbeclip für das neu eröffnete Schiffscasino „Missouri Belle“, deren Betreiber Marty und seine Frau Wendy (Laura Linney) gequält herzlich in die Kamera grinsen. Damit kehren wir zum Setting vom Ende der vorangegangen Staffel zurück. Nachdem Marty alles daran gesetzt hatte, mit seiner Familie zu flüchten, sprach sich Wendy zum Bleiben aus, da dies angeblich sicherer sein.

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Nun erleben wir, wie Wendy aus den Vollen ihrer kriminellen Energie schöpft und ihrem Mann vorschlägt, den aktuellen Kartellkrieg für weitere Geschäfte zu nutzen. Die politische Beraterin früherer Tage weiß nämlich: „Man darf nie eine gute Krise verschwenden.“ Wendy, die in Karrierehinsicht lange zugunsten ihrer Kinder zurückgesteckt hat, entdeckt ihre Ambition wieder und möchte Kartellboss Omar Navarro (Felix Solis) scheinlegale Investitionsprojekte vorschlagen. Ein Alptraum für Marty, der zusätzliche Risiken und Wild Cards meiden will und grundsätzlich alles ablehnt, was er nicht selbst vollends unter Kontrolle hat. Seine Gattin folgt ihren Ideen im Alleingang weiter und verbündet sich mit Kartellanwältin Helen (Janet McTeer), was zu tiefen Rissen in der ohnehin belasteten Ehe der Byrdes führt. Nicht einmal die regelmäßigen Sitzungen bei ihrer entzückenden Paartherapeutin Sue (Marylouise Burke) scheinen das zunehmende Misstrauen zwischen den beiden bremsen zu können. So kommt es im Verlauf dieser Staffel nicht nur zu einer handfesten Ehekrise, sondern auch gegenseitigen Sabotageversuchen und Stellvertreterkriegen, die ihre Gegner bald für sich ausnutzen können.

Zuschauermitarbeit weiterhin überstrapaziert

 

Wie Marty und Wendy dem Abgrund durch die Ehekrise immer näher kommen, ist spannend geschildert und verlangt vor allem Laura Linney eine intensive, emotional changierende Darbietung ab, der man gern zuschaut. Doch „Ozark“ hat nun einmal das Problem, dass viele interessante Gegenspieler und Nebenfiguren in den vergangenen zwei Staffeln – teilweise einfach aus erzählerischer Bequemlichkeit – verfrüht sterben mussten. Diese Lücken sollen nun aufgefüllt werden, was nur bedingt funktioniert. So tapst unter anderem Wendys Bruder Ben Davis (Tom Pelphrey) ins Geschehen, der neben einer großen Schwäche für Ruth (verlässlich großartig und inzwischen ein Shooting-Star: Julia Garner) eine schwere psychische Erkrankung im Gepäck hat. Ruth selbst managt bravourös die Geldwäsche übers Schiffscasino, hat dabei aber zunehmend mit Frank Cosgrove Junior (Joseph Sikora) zu kämpfen, dem grobschlächtigen Spross der Kansas-City-Mafia. Und dann erhalten Marty und Ruth auch noch regelmäßige Besuche vom FBI, womit wir wieder beim Hauptproblem von „Ozark“ wären.

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Denn zu den unbeabsichtigten Stilmitteln der Serie gehört eine im Verlauf jeder Staffel erfolgende Überstrapazierung dessen, was man „suspension of disbelief“ nennt. Dieser Begriff bezeichnet die Voraussetzung der Zuschauermitarbeit, wenn eine Erzählung etwa ins Spekulative und Fantastische abdriftet. Eine derartige Abschaltung von Skepsis sollte bei guten Krimi-Serien seltener gefragt sein, weshalb auch „Ozark“ niemals mit „Breaking Bad“ mithalten werden kann. Und so begegnen wir auch in dieser Season wieder reichlich Überzogenem und Überzeichnetem im Kleinen, und einer klaffenden Unwahrscheinlichkeit im Großen: Wie, um alles in der Welt, konnten die Byrdes noch nicht vom FBI gefasst werden? Natürlich sind die Ermittler in der Beweisschuld. Aber seit die Byrdes nach Osage Beach gezogen sind, türmen sich die Leichen und wir sollen weiterhin glauben, dass die (in anderen Serien weniger zimperlichen) Strafverfolgungsbehörden einfach wenig Handhabe haben. Stattdessen richtet das Autorenteam seinen Fokus eher darauf zu erklären, weshalb die Byrdes noch nicht vom Kartell umgelegt wurden. So werden uns ausufernde Vertrauensproben präsentiert, für die weder Kartellbosse (meine Vermutung), noch Zuschauer*innen die nötige Geduld haben.

Andeutung einer Rückbesinnung

Und so gestaltet sich die dritte Staffel von „Ozark“ leider etwas mühsam – trotz genial konstruierter Handlungsmomente und einem sich zum Ende hin wieder sehr spannend zuspitzenden, lebensbedrohlichen Interessenkonflikt. Dennoch sollte man die Serie nicht vorzeitig abschreiben, denn eine Rückbesinnung auf ihre eigentlichen Stärken ist in Sicht: die psychopathische Witwe und frisch gebackene Adoptivmutter Darlene Snell (Lisa Emery), eine der seit jeher interessantesten Figuren von „Ozark“, sucht im Verlauf dieser Staffel nach neuen Verbündeten und sieht sich dafür bei den nun auf Ruth und Wyatt (Charlie Tahan) dezimierten Langmores um. Vom Kampf gegen zugezogene Neukriminelle wie die Byrdes will sie mit dem Verweis auf Lokal- und Herkunftspatriotismus überzeugen.

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Womit wir wieder bei der Fish-out-of-Water-Ausgangssituation von „Ozark“ wären und der Frage, ob die Byrdes genügend Hingabe an ihr kriminelles Leben aufbringen können, um gegen den zu bedingungsloser Loyalität verpflichtenden Kodex von Traditionskriminellen im Mittleren Westen ankommen zu können. Eine Wiederaufnahme dieses Themas wäre in den kommenden Staffeln wünschens- und absolut sehenswert.

Die dritte Staffel von „Ozark“ ist ab dem 27. März 2020 auf Netflix verfügbar.

Courtesy of Netflix Courtesy of Netflix
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