Gerry Rafferty – Sleepwalking

Was ist los mit Gerry Rafferty? Live spielt er bekanntlich sowieso nie, Interviews gibt er auch keine, und wenn er alle Jubeljahre mal ’ne Platte veröffentlicht, dann wird sie so dürftig wie der Vorgänger SNAKES AND LADDERS oder so mutlos wie jetzt SLEEPWALKING.

Einerseits, rein von der Verhältnismäßigkeit der Mittel her betrachtet, ist es natürlich begrüßenswert, wenn einer den 64-Kanal-Aufnahmen und den Legionen von Studiomusikern abschwört. Andererseits konnte kaum einer so gut mit derart gigantischen Apparaten umgehen wie Gerry. Er war dann am besten, wenn er am weitesten ausholen konnte, wenn er genug Soundmaterial hatte, um daraus nicht nur einen „Wall“, sondern eine ganze Burg zu bauen (etwa auf dem epochalen Album CITY TO CITY oder dem chronisch unterbewerteten NIGHTOWL.

Auf SLEEPWALKING versucht sich Gerry in Reduktion – nirgendwo ein ganzes Streicherensemble, höchstens mal ein paar elektronisch erzeugte Geigenklänge. Keine zehnfachen Overdubs mehr (höchstens noch beim Background-Gesang, den er wie immer meisterlich fast allein besorgt). Gelegentlich wird Gerry richtig karg: Etwa, wenn er sich nur von einem Klavier, ein wenig Orgel und einem Rhythmusgerät begleiten läßt. Das sind überraschenderweise seine stärksten Momente („Good Intentions“, „On The Way“, „As Wise As A Serpent“). Denn die restlichen Songs sind – bis auf das Sequenzer-gesteuerte „Cat And Mouse“ – fast durchgehend abgeschmackte Schmusemusik, plüschig und rüschig.

Zwar überrascht Gerry noch hier und da mit frappierend persönlichen Texten („I am a man who keeps his head down in the sand / but if the spirit doesn’t move you, what’s the use of makin ‚plans ?“), doch fehlt vor allem musikalisch der Pfeffer, der Pfiff. Wo ist Raphael Ravenscroft mit seinem Saxophon und seinem Lyricon? Und warum hält sich Hugh Burns an der Gitarre so zurück?

Kein Zweifel, Co-Produzent Gerry Rafferty wollte sein viertes Solo-Album wieder in eine Richtung bringen, die er mit seiner Band Stealers Wheel sehr erfolgreich eingeschlagen hatte. Doch dafür fehlen ihm der trockene Humor und die naßforsche Routine der damaligen Produzenten von Stealers Wheel – Jerry Leiber und Mike Stoller.

Vielleicht sollte er sich mal wieder an die beiden wenden …