Kante – Zwischen den Orten

Jugend ist der Maßstab aller Dinge, das haben uns die 90er Jahre gelehrt. Authentisch, ausgeflippt und „fit for fun“ zu sein verordnet sich natürlich gerade und besonders der Musiklandschaft. Die Hamburger Schule als Gegenmodell zu stilisieren wäre sicherlich überzogen, vor allem, weil auch die Rocker von Tocotronic unter diesem unglücklichen Begriff eingeordnet werden. Doch Kante, dieses junge hanseatische Quartett, hat alle Anflüge juveniler Natur erfolgreich ausgebremst. Wie ein kammermusikalisches Gegenmodell zum altbekannten Drei-Akkord-Lebensschrei leisten Kante hier Detailarbeit, setzen bewußte Noten und richten den Blick nach innen. Der wohlgewählte Albumtitel ZWISCHEN DEN ORTEN wird dabei in vielerlei Hinsicht umgesetzt. In den Songtiteln durch jeweils zwei Alternativen. Sie schreiben wie mit verschwommenem Blick in den Himmel,doch was zu hören ist, ist Klarheit und Konzentration. Die langen, beinahe ambienten Stücke basieren allesamt auf Rhythmus und erinnern an getragen dahinpluckernde Elektronik. Dabei ist das einzig synthetische Klangelement ein sparsam eingesetztes Keyboard, das – ebenso wie Gitarre und Bass – meist nur Akzente setzt über dem durchlaufenden Metronom. Peter Thiessens deutsch-englischer Gesang ist von erschreckender „Echtheit“, unproduziert, untrainiert. Spätestens er macht diesen verhaltenen Gruß an Tortoise und Kreidler, diese wohlklingende Verneigung vor RyCooder, Talk Talk und Robert Wyatt zu etwas besonderem. Etwas besonderes, das zwischen den Genannten und dem Gespenst der Hamburger Schule steht – zwischen viel Schönheit und ein wenig Steifheit. Prätentiös im Unprätentiösen – und umgekehrt. Eben zwischen den Orten. Respekt.