The Blood Arm – Lie Lover Lie :: Stilsichere Angeber

Gar nicht mal so, hust, blutarm:

Ein selbstbewusstes Quartett aus Los Angeles spuckt große Töne zu angewavtem Piano-Rock und pianorockendem Angeber- Wave. Gelegentlich fast super.

Neues Jahr – neues Glück. Damit 2007 zu einem glorreicheren Musikjahr wird, bedarf es drastischer Reformen, die gleich ab dem Jahreswechsel in die Tat umzusetzten sind. Dazu zählen: Zwangsauflösung aller Ringelpullibands, Komprimierung von Coldplay, Keane und Snow Patrol zu einer Superkuschelgroup, die höchstens noch alle fünf Jahre ein Album veröffentlichen darf, sofortige Einstellung aller weiteren 8oer-orientierten Retroaktivitäten, das gezielte Zuparken des Nightliners der Killers sowie die Zucht von mindestens 24 neuen Innovationskapellen, denen selbst beim siebenundvierzigsten Doppelalbum nicht die Ideen ausgehen. Vorher dürfen aber schnell noch The Blood Arm ihr Album lie lover lie unters Volk bringen.

Hört man das offizielle Debütalbum des Quartetts aus Los Angeles, fragt man sich schon: Braucht die Welt in diesen schwierigen Zeiten wirklich noch so eine achtzigerverknallte lackettträgerband? Zudem eine, die unter der Fuchtel eines selbstverliebten Adam-Green- und Ju-Han-Casablancas-lmpersonators zu musizierten scheint und sich zu Wiedererkennungszwecken ein Piano als zentrales Instrument auserkoren hat? Und dann auch noch ohne Bass? Ist es wirklich das, was uns noch gefehlt hat??? Wie auch immer man diese Fragen beantworten mag – ungefähr so klingen The Blood Arm aus Los Angeles, auch wenn das vielleicht gar nicht ihre Absicht war. Und das Gute ist: Solange man sie nicht sonderlich ernst nimmt, macht ihr Klaviergepolter mit Maulaffengesang stellenweise argen Spaß, und der verwegene Rums der Band versetzt manch jugendlichen Tanzmuskel sicher tüchtig ins Zucken.

Zunächst die historischen Fakten: Auch wenn The Blood Arm aus den USA stammen, nahmen auch sie – wie viele andere vor ihnen – den Hype-Umweg über Großbritannien. Losgetreten wurde der Wahn um die Band von keinen Geringeren als Franz Ferdinand, den Altvorderen des Frühachtziger-Getutes. Die waren, nachdem sie die Band in den USA live bestaunt hatten, derart baff, dass sie ihnen einen Job als Vorband und reichlich Platz in einer von ihnen frei gestalteten NME-Ausgabe gaben. Der Rest verlief wie sonst auch: diverse „Singles des Monats“, Vorgruppenauftritte für alle und jeden und MySpace.

Das Herrliche an The Blood Arm ist, dass wir es hier mit einer angenehm unernsthaften Unterhaltungsband mit ordentlich Hybris unterm Helm zu tun haben. Vor allem Sänger Nathaniel Fregoso drückt in Sachen Größenwahn ordentlich auf die Tube — im aktuellen Video schaut er aus wie der Diego Maradona of lndierock. Noch so ein Typ also, der seine Band für die größte aller Zeiten hielt, noch bevor er sie überhaupt gegründet hatte. Aber er hat die tunes dazu, meis-tens jedenfalls…

Gleich der Opener von lie lover lie rückt allen anderen Angeber-Bands dieser Tage die Horchsessel in Habacht-Stellung: „1 lay down somefuclcing hits „, proklamiert Nathaniel Fregoso gernegroß, und ein stumpfes Piano-Riff und eine Standtrommel staksen los. Nicht schlecht, besser jedenfalls als The Killers, aber wer ist das nicht? „Accidental Soul“, der zweite Song, ist dann wirklich der erste Hit des Albums: klingt wie die Strokes an dem Tag, als Nikolai Fraiture den Proberaum nicht gefunden und an seiner Stelle Ben Folds vorbeigeschaut hat. Noch doller treiben es die drei Buben und ihre Pianistin Dyan in „Suspicious Character“, das bei Drucklegung vermutlich schon die Röhrenhosenclubs der Nation rocken wird und im Wesentlichen aus der Zeile „like all the girls and all thegirls like ine“ besteht. Der Song ist ein bisschen symptomatisch für die gesamte Band: Gebraucht wird so etwas nun wirklich nicht, aber für die Länge eines Getränks kann so ein Liedlein durchaus Freude machen. Mehr jedenfalls als die Killers, um die es hier aber nicht weiter gehen soll. The Blood Arm sind stilsicherer Mumpitz und wissen vielleicht nicht in jedem Moment, was sie wirklich wollen. Das macht aber herzlich wenig, denn sie besitzen dabei das entscheidende Merkmal einer jeden guten Band: Sie wissen genau, was sie NICHT wollen. Und sie haben einige brauchbare Songs im Köcher: „Angela“, ein alberner Para-Reggae, klingt wie Adam Green beim selbstparodistischen Quatschmachen in der Pianobar… „miss you like a nuclear bomb“. verkündet Fregoso; die Zeile sitzt. Auch der wavige Punkpop von „The Chasers“ und der jauchzende Highschool-Pop von „Do I Have Your Attenrion“ können gefallen. Wie bei vielen Bands dieser Tage werden die Songs mit zunehmender Albumdauer nicht eben besser. Im hinteren Drittel der angenehm kurzen Platte beginnen sich die Ideen zu wiederholen. Beim abschließenden „Dolores Delivers A Glorious Death“ versuchen sich die vier Haudraufsimplizisten noch an so etwas wie Dramatik. Klappt sogar fast. Nochmal: Die große Stärke dieser Band liegt im ungestümen Nachvornepoltern, und der Einsatz des Pianos als zentralem Instrument täuscht immerhin ein wenig Eigenheit vor. Wer sich mehr von einer aufstrebenden Band erhofft, der möge sich bitte im Gestrüpp von Brandon Flowers Schnurrbart auf die Suche begeben. VÖ: 10.11 (Download) 19.1 (CD) Eric Pfeil>» www.thebloodarm.com