Wolf Maahn – Deserteure

Ich hab‘ ihn in München im Vorprogramm von Roxy Music gesehen und es hat mir imponiert, wie er mit der schwierigen Olympia-Halle fertiggeworden ist Seine Single „Sag mir, wo die Blumen sind“ hat mir nicht gefallen, weil ich das Lied noch nie mochte. Jetzt höre ich die LP DESERTEURE und bin stellenweise mehr als angenehm überrascht. Nicht, weil jetzt hier einer was Neues erfunden hätte, sondern weil eine gewisse Wärme und Originalität rüberkommt. »Der Königsdorf Tango“ über die Aufsteiger-Karriere ist sehr amüsant, .Herren“ eine intelligente Abrechnung mit dem Männlichkeitswahn, eine wirklich gelungene Nummer „Ich bin German“. Die ist authentisch, ehrlich, eine autobiographische Beschreibung der bundesrepublikanischen Nachkriegsgeschichte mit wenigen Sätzen. Aber auch die Verweigerungsstimmung von „Deserteure* ist keine dümmliche Parolen-Ideologie und persönlich zieht mich „In der Tat“ an. Das ist eine eher unauffällige Nummer, die aber so exakt die Kälte und Unzufriedenheit der Leute in diesem Land beschreibt, wie ich’s bisher kaum gehört habe. So ein Gefühl steigt hoch, wenn man nach einer Auslandsreise deutschen Boden betritt; ob man aus der Wärme oder Kälte kommt: hier ist es einfach noch kälter. Sehr einfühlsam dazu die leichte Andeutung von Disco-Musik, denn das ist die BRD: Eine saubere, moderne, gestylte, modische, aber kommunikations- und menschenfeindliche Disco. Oder geht das schon wieder zu weit? 4 Ingeborg Schober