Wut auf Polizei, Monarchie und Korruption: Warum der spanische Rapper Valtonyc ins Gefängnis muss


Ein junger Künstler, ein Text, dreieinhalb Jahre Gefängnis – das ist die Geschichte des Rappers Valtonyc. Wie kann es sein, dass Spanien die Meinungsfreiheit derart einschränkt – und kaum einer nimmt davon Notiz?

Am 31. März 2016 trägt Jan Böhmermann im „Neo Maga­zin Royale“ seine „Schmäh­kritik“ über den türkischen Staatspräsidenten Erdoğan vor. Die Satire wird zur Staats­affäre und Sache der Justiz, am Ende siegt, wenn auch nicht ungeschoren, die Kunst­freiheit. In Spanien läuft so etwas, der Fall ist im Prinzip ähnlich, anders ab: Dort kann harsche Obrigkeitskritik zu dreieinhalb Jahren Gefängnis führen. So lautete das Urteil für den 24­-jährigen mal­lorquinischen Rapper Josep Miquel Arenas alias Valtonyc, der seine Wut auf Polizei, Monarchie und Korruption zum Ausdruck brachte.

Er hat dies der konservativen Regierung von Minister­präsident Mariano Rajoy zu verdanken, die vor drei Jahren das „Gesetz zum Schutz der Bürger“ verabschiedete sowie eine Reihe neuer Antiterror­-Gesetze, die die Meinungsfreiheit erheblich einschränken.

Araceli Mangas Martin, Profes­sorin für internationales Recht in Madrid, kam zu dem Schluss: „Ich glaube nicht, dass Spanien ein europäischer Rechtsstaat ist.“ Mit dem Fall des Musikers aus Mallorca hat diese Entwicklung einen neuen Höhepunkt erreicht. Enrique Rodrigues ­Moura, Professor für Hispanistik an der Universität Bamberg, sagt: „Valtonyc ist für viele der, der das Fass zum Überlaufen bringt.“

Er rappte gegen Polizei, Monarchie und Korruption –und wurde verurteilt für die „Verherrlichung von Terror“ und die „Verunglimpfung von Autoritäten“.

Vor seinem Prozess kannten nur wenige den jungen Rapper. Die HipHop­-Szene Spaniens ist klein, wie viele Jugendkulturen des Landes aber stark politi­siert. Valtonycs Raps sind nicht ohne, wäre er Deutscher, wür­den sich wohl auch hiesige Staatsanwälte oder Verfas­sungsschützer für sie interes­sieren. 2008 wurden drei Berli­ner Rapper für ihre Texte, in denen sie Polizei und einer Politikerin mit Gewalt gedroht hatten, zu Bewährungs- und Geldstrafen verurteilt.

Also was hat Valtonyc getan, um sich im Februar 2018 dreieinhalb Jahre Gefängnis einzuhandeln? Zum Verhängnis wurde ihm sein Song „La TuerKa Rap“ von 2012. Er rappt darin, übersetzt: „Wenn ich die ETA hochleben lasse, sperren sie mich ein, wenn du ein Hurensohn wie Urdangarin bist, nicht.“ Damit „verherrliche“ er, so der Vor­wurf, nicht nur die Terrororganisation ETA, sondern „verun­glimpfe Autoritäten“ – „die Krone“. Ein Strafbestand, der auch nicht dadurch gemildert wird, dass jenes Mitglied der Königsfamilie, Iñaki Urdanga­rin, wegen Korruption zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde.

Weil es für viele so wirkt, als sollten die Antiterror­-Gesetze hier dazu dienen, Kritiker mundtot zu machen, erfährt Valtonyc viel Solidarität: Stu­denten in Mallorca haben ein Konzert für ihn organisiert, eine große Facebook­ Gruppe sammelt Spenden. Pablo Iglesias Turrión, Chef der linkspo­pulistischen Podemos-­Partei, twitterte: „Die Korrupten gehen Ski fahren und Rapper ins Gefängnis: Spanien 2018“.

Für Valtonyc gibt es eine letzte Hoffnung

Wie Ministerpräsident Rajoy wiede­rum dazu steht, hat er schon 2016 deutlich gemacht: „Es ist ein Witz, zu sagen, dass es in Spanien ein Problem mit dem Recht auf freie Meinungsäuße­rung oder Demonstration gibt.“

In der Realität, so der Hispanist Rodrigues ­Moura, können schon eine unangemeldete Versammlung oder ein Spruch gegen Staatsinstitutionen zu hohen Strafen füh­ren. Auch der Rapper Pablo Hasél und das Trio La Insur­gencia kamen vor das Tribunal Supremo, vor dem sich sonst Terroristen, Drogenbosse und hochkorrupte Beamte oder Politiker wiederfinden.

Für Valtonyc gibt es eine letzte Hoffnung: der Europä­ische Gerichtshof für Men­schenrechte. Der hat im März die Haftstrafe für zwei Katala­nen aufgehoben, die ein Bild des spanischen Königspaares verbrannt hatten. Die Richter in Straßburg sahen in dem Urteil einen Verstoß gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung.

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