Sumner of Sixty Nine: Modestrecke und Interview mit me.style-Coverstar Eliot Sumner


Eliot Sumner jettet zwischen Berlin und New York, beim Zwischenstopp in London warten ein Cover-Shooting und ein Interviewtermin für me.style. Wir sprechen über Musik, den berühmten Vater Sting und das Solo-Album Information.

Fotografie
Bryan Adams

Interview 
Jina Khayyer

Androgyner Look, androgyne Stimme: Eliot Sumner ist ein Kind von Sting, nannte sich früher I ­Blame Coco, hat ein neues Album namens ­Information rausgebracht und sich für uns von Bryan Adams fotografieren lassen. Wer Eliot Sumner nicht ist: jemand, der sich auf ein ­Geschlecht und eine bestimmte Sexuali­tät festnageln lässt. Das ist sehr zeitgemäß.

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Eliot Sumner trägt T-Shirt von Sunspel und Lederjacke von Contemporary Wardrobe

Die englische Sprache unterscheidet nicht zwischen „die“ und „der“. Wenn irgendwo das Wort „musician“ steht, weiß man im Grunde nicht, ob es sich um einen Musiker oder eine Musikerin handelt. Dass diese Sprache ohne geschlechtsspezifische Artikel auskommt und somit formal keinen Unterschied zwischen Mann und Frau macht, ist natürlich nicht neu. Doch noch nie wurde diese Tatsache so bewusst als Vorteil eingesetzt wie heute. Gender fluidity ist das große Thema, dem sich die Gesellschaft heute stellen muss. Die Grenzen zwischen den Geschlechtern haben sich verschoben, sind nahezu aufgelöst. Während in einigen Ländern zwar immer noch für die Gleichberechtigung von Mann und Frau gekämpft wird, wollen sich in der westlichen Welt vor allem junge Menschen, Millennials, also alle, die im digitalen Zeitalter geboren wurden, nicht mehr so schnell festlegen. Der Hintergrund: nicht Unsicherheit, sondern der Wunsch, das Schubladendenken und mithin stereotype Erwartungen abzuschaffen. Eliot Sumner, 25, musician und ein Kind von Sting, erklärt, wie es um die sexuelle Identität im 21. Jahrhundert steht.

Wie fühlt sich das Erwachsensein im Jahr 2016 an?
Ich bin ein sehr verantwortungsbewusster Mensch, was viele Ängste und Sorgen mit sich bringt. Ich kann mich aber nicht erinnern, ein ängstlicher Teenager gewesen zu sein. Ich hatte ja keinerlei Verantwortung.

Du bekennst dich öffentlich zu keinem Geschlecht und auch zu keiner Sexualität. Heutzutage brechen viele junge Menschen altbekannte Gender-Muster auf. Wie erklärst du dir diese Entwicklung?
Wir wollen alles sein dürfen, ohne dass man uns ein
Etikett verpasst. Das Problem ist nicht das Bekenntnis, das Problem ist, dass heutzutage alle, vor allem die Medien, immer noch jedem einen Stempel verpassen wollen. Sobald also irgendwo steht, Eliot sei dies oder das, kann ich nicht mehr kontrollieren, was die Menschen über mich sagen. Ich möchte aber, dass sie sagen: Eliot is a musician. Man muss nicht mehr dazuschreiben, ob jemand Frau oder Mann, hetero, homo oder bi ist. Ich finde das wirklich völlig uninteressant. Ich möchte in einer toleranten Welt leben. Das bedeutet, alles zuzulassen, ohne es zu verurteilen. Dafür müssen wir die Etiketten, Stempel und Schubladen aber erst einmal loswerden.

Du beschäftigst dich mit diesem Thema auch in deiner Musik.
Ja, im Song „Species“ geht es um eine neue menschliche Gattung. Eine Spezies, bei der alle gleich sind und auch anerkennen, dass sie derselben Spezies angehören. Ich möchte in einer Welt leben, in der wir uns alle als Einheit begreifen – unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe und Religion. Wir sind alle eine Spezies. Wir sind alle Menschen.

Du hast deine alte Identität namens I Blame Coco abgelegt und nun ein Album unter deinem richtigen Namen veröffentlicht. War das ein Befreiungsschlag?
Ich war sehr jung, als ich mit I Blame Coco Musik machte. Viele Leute um mich herum haben damals von mir erwartet, dass ich ein Popalbum mache, dass ich ein Popstar werde, weil sich das am besten verkauft. Aber ich bin kein Popstar. Ich habe diesen X-Faktor einfach nicht. Er interessiert mich auch nicht. Also habe ich meine Karriere systematisch sabotiert, sie bald zum Erliegen gebracht, um die Möglichkeit zu bekommen, das zu tun, was ich wirklich tun möchte. Ich musste erst lernen, ich selbst zu werden. Das war kein Kampf, aber doch ein langer Prozess. Mein neues Album ist das, was ich immer machen wollte, und deshalb bin ich auch stolz genug, um dafür mit meinem eigenen Namen einzustehen.

Du schreibst und komponierst deine Songs selbst.
Ich war vier Jahre alt, als mein Vater mir eine Gitarre schenkte. Da wusste ich sofort, dass ich einen neuen besten Freund habe und mir nie wieder langweilig werden würde. Außerdem habe ich festgestellt: Am stärksten, besten und überzeugendsten ist meine Arbeit, wenn ich weiß, wovon ich singe.

Das klingt sehr selbstbewusst.
Ich kann aber auch sehr stur sein. Manchmal weigere ich mich, die Wahrheit zu hören. Und ich werde sehr schnell und sehr leicht süchtig. Das habe ich erst kürzlich bemerkt.

Wie ist dir das aufgefallen?
Ich habe früher nie Süßigkeiten gegessen. Wir durften das zu Hause nicht. Mein Vater mag Schokolade, aber wir Kinder haben dafür nie einen Geschmack entwickelt, weil meine Mutter uns beigebracht hat, dass Zucker eine Droge ist. Aber letztens habe ich, wahrscheinlich aus Langeweile, zu Hause bei meinen Eltern einen Schokoriegel gefunden und ihn gegessen. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte ich einen solchen Heißhunger auf Schokolade – ich bin direkt zum Kiosk und habe mir welche gekauft. Jetzt bin ich süchtig.

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Bryan Adams
Bryan Adams
Bryan Adams
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