Kolumne

Capital Bra vs. Bushido, Fyre-Skandal, Foo-Fighters-Groll: Die Popwoche auf einen Blick


Linus Volkmann präsentiert in seiner Popkolumne die High- und Lowlights der Woche. Welche Künstler, welche Songs, welche Serien lohnen sich – und was war sonst noch so los? Hier Folge 4. Mit stumm geschalteten Künstlern, Die Heiterkeit, dem Winter – und einem verhassten Klassiker namens FOO FIGHTERS.

LOGBUCH 2019, KALENDERWOCHE 4

Meine Handschuhe haben alle Löcher, die Schals riechen nach Kneipe. Als ich einmal einen davon in die Waschmaschine warf, kam er als Miniatur wieder heraus. Also nicht bisschen eingegangen, sondern 1A-Puppenhaus-Style. Da kapituliert selbst mein von Rocko Schamoni adaptiertes Credo: „Klamotten alle immer eine Nummer zu klein kaufen – dann ist man perfekt angezogen“. Ach, warum musste man sich überhaupt diese Woche mit seiner hinfälligen Wintergarderobe auseinandersetzen? Na, ganz einfach: „Schnee-heehee fällt in Deine Welt“ – vom Blutmond ganz zu schweigen.

Kein Verständnis für Winter. Es ist nur lästig. Kälte ist Mist, Schnee Gift für den Nah- und Fernverkehr – und diese depressive Toleranz, die die Leute dazu bringt, sich immer mal wieder für diese absolut beschissene Jahreszeit auszusprechen, lasse ich nicht gelten. Alles außer Frühling und Sommer ist streng genommen Quatsch.

Blick aus dem Fenster des Autoren. Fahrradständer im Schnee.
Ebenda. Das urbane Winterwunderland. #Feinstaub #Lärmbelastung #plskillme

SONG DER WOCHE: Die Heiterkeit – „Wie finden wir uns“

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Es ist kalt im eigenen Schatten – beziehungsweise: was tun nach dem Epos? Ein Epos, dessen Titel allein schon theatralischer klingt als das Jahres-Abo fürs hiesige Schauspielhaus: „Pop & Tod I+II“, so der Name des bisher letzten Albums von Die Heiterkeit. Drei Jahre ist das bald her, in diesem Frühjahr geht’s nun weiter.

Stella Sommer und ihre gefühlt immer wieder neu gewürfelten Mitmusiker*innen haben die Konsequenz gezogen aus dem monolithischen Vorgängerwerk, das wie ein Hinkelstein im Schrebergarten die freie Sicht zu verstellen drohte. Zumindest macht der Vorab-Track „Wir finden uns“ glauben, dass auf der vierten Platte alles wieder eine Nummer kleiner, intimer werden dürfte. Kann ich nur begrüßen, denn diese scheinbar unausweichliche Verschiebung von Club zu Theater, die man immer wieder bei seinen Lieblingsbands der Post-Hamburger-Schule erlebt, möge bei Die Heiterkeit nicht jetzt schon einsetzen. Ein paar Jahre okaye Verkäufe und geile Konzerte in coolen Kellern stehen uns gemeinen Hörern einfach noch zu.

„Wie finden wir uns“ ist ein leichter Chanson mit süßlichem Keyboard. Zumindest so leicht wie die stockdunkle Ausnahmestimme von Sommer einen Song werden lassen kann. Was bei anderen Acts Tonnen wiegen würde, wirkt hier fast luftig. Passend dazu schickt das Stück eine Drohne zum Himmel. Das Album „Was passiert ist“ erscheint dann am 1. März 2019.

SCHNAPPATMUNG DER WOCHE: Capital Bra vs. Bushido vs. Ersguterjunge

„Neue Streiche“ von Capital Bra: Erst killt der aktuell erfolgreichste deutsche Rapper den Vertrag mit seinem (einstigen) Förderer Bushido, dem er Mit- und Zuarbeit für die Polizei vorwirft. Zwei Tage später erscheint sein neuer Clip als Joker Bra feat. Samra: „Fick 31er“. 31er ist Slang für den Verräter. Für denjenigen, der der Polizei Informationen gibt. Song und Video nähren natürlich wegen der Gleichzeitigkeit Zweifel, ob der gerade explodierte Beef mit Bushido wirklich eine Affekthandlung darstellt.

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PLATTENVERÖFFENTLICHUNGEN DIESER WOCHE: Die Türen, Blood Red Shoes, Dendemann …

Die Winterpause ist beendet. Sowohl Fußball als auch Plattenindustrie rollen wieder. Am Freitag den 25. Januar erscheinen unter anderem neue Platten von Die Türen (EXOTERIK), Pascow (JADE), Dendemann (DA NICH FÜR!), Blood Red Shoes (GET TRAGIC) und Balthazar (FEVER). Weitere Veröffentlichungstermine 2019 gibt es übrigens hier.

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MEME DER WOCHE (zur kleinen Beruhigung)

Quelle: Imgur

SPORT DER WOCHE: Handball

Bomber aus dem Rückraum steh mir bei: Habe diese Woche auch mal Handball geguckt – wie die anderen Loser immer. Handball, dieser massige Sport mit dem Turnhallen-Flair. Handball, dieser Sport, der so aussieht wie eine Umkleidekabine voller Pubertierender nach dem Zirkeltraining riecht.
Muss allerdings zugestehen, dass ich es gar nicht so scheiße fand wie erhofft. Im Gegenteil. Freitag Halbfinale Deutschland gegen Norwegen (live in der ARD um 20:30 Uhr)! Fiebere bereits mit! Bitte nicht weitersagen!

DOKU DER WOCHE: Fyre

Völlig zurecht waren die Netflix-Doku und ihre Folgen bereits Thema hier auf musikexpress.de. Doch haben wirklich alle diesen Must-See mitbekommen? Besser noch mal paar Sätze nachschicken. Es wäre einfach schade um jeden, der diesen Film verpasst:

Also, manch einer kann sich noch erinnern. Vor zwei Jahren brachte eine beispiellose Influencer-Kampagne über Instagram ein Luxus-Festival von Null auf Hundert auf den Plan. Fyre hieß es, steigen sollte es auf einer Insel der Bahamas. Millenials mit viel Taschengeld rasteten aus: hellblaues Meer, weißer Strand, Villen, Models und diese hinreißenden schwimmenden Schweinchen, die man zum Beispiel aus „Germany’s Next Topmodel“ kennt. Das Ende vom Lied: Nur weil man größenwahnsinnig ist und via viraler Power so ein Festival in kürzester Zeit behaupten und ausverkaufen  kann, heißt das nicht, dass man es tatsächlich aus dem Boden gestampft kriegt.

Netflix-Doku über das „Fyre“-Festival: Via Instagram ins Chaos und in den Knast

Die Doku zeichnet Aufstieg und Fall der Idee und ihrer Entrepreneure (unter anderem der Rapper Ja Rule) gnadenlos nach. Die Frage, die sich stellt, ist dabei: Ab wann wurde aus der genialen Schnapsidee einfach nur noch Betrug? So unterhaltsam das unweigerliche Scheitern ist, so bitter die Konsequenzen für alle die, die am Ende unbezahlt zurückblieben. Wahnsinn, was man mit Influencer-Marketing, erschlichenem Venture Capital und krimineller Energie im Kapitalismus 2.0 für ein spektakuläres Desaster anrichten kann.

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NEUERUNG DER WOCHE: Spotify lässt Künstler verstummen

Playlisten, was sind schon Playlisten? Wer so denkt, hat einiges verschlafen im Popgeschäft.
Playlisten – ob händisch zusammengefriemelt oder von superschlauen Algorithmen kuratiert – gelten als DER Multiplikator für neue Musik. Wer es in besonders hochfrequentierte Auswahlen schafft, kann sich die Finger und die eigene Marktwertkurve lecken.

So ist es nun auch ein kleines Politikum, wenn Spotify einführt, dass man nun aber selbst Künstler aus seinem eigenen Song-Pool streichen darf. „Muten“ heißt das, also jemanden auf stumm stellen. Sehr präsente Künstler, die immer wieder in Listen reingeprügelt oder reingekauft werden, könnte dies treffen. Ach, sagen wir doch wie es ist: Man hofft natürlich, dass es so sein wird.

Sehe zudem weiteres Potenzial: Und zwar möge am Ende des Jahres nicht nur die Liste mit den meistgestreamten Künstlern ausgepackt werden (gewinnt eh immer Drake mit einer abartigen Zahl, die demnächst vermutlich auch die der Weltbevölkerung übertrifft) – nein, freuen wir uns auf die Liste jener Artists, die am meisten stumm geschaltet wurden.

https://www.facebook.com/MusikexpressMagazin/photos/a.143276759051759/2102654526447296/?type=3&theater

 

DER VERHASSTE KLASSIKER: Foo Fighters

Foo Fighters –„Foo Fighters“
(Capitol Records / 04.07.1995)

Es war nur ein paar Jahre vor dem Debüt der Foo Fighters: Weltmeister Franz Beckenbauer tritt als Teamchef der Nationalmannschaft zurück – und der Posten geht an… Berti Vogts. So ähnlich lief es im Rockzirkus, als Dave Grohl 1995 die Stelle von Kurt Cobain einnahm.

Nun, man muss natürlich die historischen Hintergründe der 90er kennen: Wir hatten ja nichts mehr! Cobain war tot, als Alternative boten uns die großen Plattenfirmen so Schaben wie die Stone Temple Pilots oder gar Bush an. Grundgütiger! Kein Wunder, dass man fälschlicherweise das freundliche Nagetier Grohl kurz mal für eine Art Genie hielt.

Immerhin hatte er unter Cobain gedient. Bestimmt war davon etwas hängengeblieben, auch wenn das in dem mediokren Songwriting seiner Band Foo Fighters nicht wirklich zu entdecken war.

Von genial bis egal: So klingen Foo Fighters' Platten in der Retrospektive

Aber kein Vorwurf. Lächerliche Stellvertreter-Hits waren irgendwie das Ding dieses Jahrzehnts. Ich kann mich selbst nicht ausnehmen, hatte ich in dieser Zeit und auf einer Party in Freiburg ja sogar mal mit jemandem geknutscht, der kurz zuvor mit einer (angeblichen) Ex-Freundin von Dirk von Lowtzow knutschte. Dieser Toco-Zungenkuss in der dritten Schwundstufe galt halt noch als Highlight – bevor endlich das Internet erfunden wurde.

Zurück zum Debüt „Foo Fighters“ von den Foo Fighters. Die Mentos-Travestie im Clip zu „Big Me“ beweist, dass die Band nicht nur aus mittelmäßigen Rockern bestand, sondern sie auch das Zeug zu mittelmäßigen Comedians besaßen. Ein bisschen wie tapsige blink-182 mit der Coolness von bierseligen Lehramtsstudenten. Man müsste den Foo Fighters dabei auch gar nicht so grollen – hätten sie nicht aus ihrem Pausenfüllertalent eine hundertjährige, Bühnen verstopfende Weltkarriere rausgepresst!!! Wie das überhaupt von Musikhörern und Behörden zugelassen werden konnte, ist mir bis heute völlig schleierhaft.

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Was zuvor geschah:

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