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Netflix-Doku über das „Fyre“-Festival: Via Instagram ins Chaos und in den Knast


Ein zwielichtiger Geschäftsmann wollte 2017 ein legendäres Festival auf einer Trauminsel organisieren. Die Gäste zahlten fünfstellige Summen für Karten, erlebten aber ein einmaliges Debakel.

Diese Dokumentation wäre schon sehenswert, wenn sie allein vom gescheiterten Fyre-Festival 2017 erzählen würde. Fyre, das sollte mal eine globale Marke werden, die für Exzess, Party, gute Laune und noch besseren Sex steht. Für den teuer erkauften, wohlverdienten Eskapismus, mit dem man im Idealfall in den sozialen Netzwerken angeben kann.

Doch daraus wurde nichts. Die Marke steht 2019 nicht für Luxus und Feiermagie, sondern für Schadenfreude und Betrug. Als der Unternehmer Billy McFarland und sein Geschäftspartner, der Rapper Ja Rule, 2017 eine einmalige Party auf den Bahamas starten wollten, endete das Fyre-Festival in einer kleinen Katastrophe, die weltweit Schlagzeilen machte.

„Hilfe, ich bin auf den Bahamas gestrandet“

Ja Rule (l.) und Billy McFarland.

Tausende Gäste wurden zwar aus Miami auf eine traumhafte Insel geflogen, bemerkten vor Ort aber: Es gibt keine trockenen Unterkünfte, kein Bier (!), keine Bands und kein Festival. Nur Billy McFarland, der seine Gäste mit halbseidenen Ausreden davon abhalten wollte, ihn auf der Stelle zu verklagen – das kam erst später. McFarland hat in seinem Leben noch nie ein Festival organisiert und die Dokumentation „Fyre“ legt nahe, dass er es auch niemals wirklich lernen wollte.

Die Rekonstruktion der Ereignisse auf der Insel gleicht einer Komödie, gelacht wird hier aus Schadenfreude. Allein schon, weil die Festival-Besucher so aussehen wie Corona schmeckt. Und weil die gestrandeten, teils eingesperrten Leute Social-Media-Posts abfeuerten, die eigentlich nach einer sofortigen Kapitulation der gesamten Ersten Welt schrien: „Hilfe: Ich bin auf den Bahamas und habe nur ein Sandwich mit Käse zum Lunch. Wo ist die Luxusküche?“

In der von Chris Smith gedrehten Dokumentation kommen etliche Zeugen zu Wort: Mitarbeiter von Fyre, Rechtsanwälte, in den Ruin getriebene Geschäftsleute und um das Gehalt geprellte Bauarbeiter, die im Vorfeld des Festivals täglich Überstunden machten, weil sie von Billy McFarland und seinen Partnern genauso verarscht wurden wie alle Festival-Gäste, Investoren und Offiziellen. Nach dem Festival-Crash stand übrigens tatsächlich der Finanzminister der Bahamas auf der Matte und hielt die Hand auf.

Dieser Tweet wurde 2017 berühmt: Statt Nobelküche gab es Stulle.

Die Chronologie des gescheiterten Festivals ist genauso amüsant anzuschauen wie es sich hier vielleicht liest. Aber „Fyre“ beleuchtet auch eine düstere Komponente, die der Geschichte von Billy McFarland eine globale Relevanz verleiht. Nämlich die Art und Weise, wie er die Gäste überhaupt auf die Insel locken und ihnen zum Teil fünfstellige Summen dafür aus der Tasche ziehen konnte – noch bevor die erste Band für das Festival bestätigt wurde.

Billy McFarland und Ja Rule flogen einige Monate vor dem geplanten Termin für das Event auf die Bahamas. Ebenfalls an Bord: ein Kamerateam und einige Supermodels, die Millionen Follower auf Instagram haben. Für viel Geld haben Bella Hadid und Hailey Baldwin für einige Tage mit den Fyre-„Masterminds“ gefeiert. Sie saßen im Bikini auf einer Yacht, mit Ja Rule auf dem Jetski, ließen bei Einbruch der Nacht die Brüste am Lagerfeuer wippen. Emily Ratajkowski war auch dabei, saß sexy in bester Influencer-Pose am Strand und verwies gegen noch mehr Geld auf das kommende Fyre-Festival.

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Heiße Frauen, die sich verführerisch auf Instagram präsentieren. Mehr brauchten Ja Rule und McFarland nicht, um einen – zumindest in den USA – gigantischen Hype um ihr mysteriöses Festival zu kreieren. Weil Klatschblätter die Instagram-Posts der Models zu Nachrichten erhoben und weil McFarland weiß, mit was man vielen Millennials das Geld aus den Taschen ziehen kann. Mit mutmaßlichen Traumwelten, die am Ende in den Feed gequetscht werden können, damit möglichst viele Follower neidisch werden.

Ein Manifest gegen Konsum und Kapitalismus

Schön, dass McFarland krachen ging. Und irgendwie ist es befriedigend, dass die Festival-Besucher am Ende Hilfeschreie statt „Take me back“-Fotos ins Netz stellten. „Fyre“ entlarvt ein Stück weit die Scheinwelten, auf die so viele Leute tagtäglich reinfallen, die zum Sehnsuchtsort vieler werden. Die Instagram-Storys, die so beiläufig aussehen, aber oftmals nur das Produkt von viel Geld und Gier sind. „Fyre“ fühlt sich zeitweise sogar wie ein Manifest gegen den Kapitalismus an. Seht her: Eure Konsumgeilheit und euer Wohlstand hat euch am Ende in eine Turnhalle gebracht, in der ihr stundenlang auf Wasser und Essen warten müsst.

Billy McFarland hat sich mit seiner als globalen Marke vermarkteten Party mit den Models übrigens selbst ins Gefängnis gebracht. Er wurde zu sechs Jahren verurteilt und kam ob der schieren Dimension seines Betruges noch glimpflich davon.

„Fyre: The Greatest Party That Never Happened“ ist seit dem 18. Januar 2019 auf Netflix verfügbar. 

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