Abacus


Musik Express erfuhr von Abacus, woran es in der deutschen Rockszene noch hapert.

Es grünt in deutschen Landen, nicht nur, weil der Frühling vor der Tür steht, sondern auch, weil unsere eigenen Rock-Bands wie verrückt aus dem Boden spriessen und in die Plattenstudios drängen. ABACUS aus Hamm (Westfalen) ist eine der wenigen heimischen Gruppen, die sich schon länger in der Musiklandschaft zwischen Alpen und Nordsee tummeln. Schon allein deshalb war es interessant, mit deren englischen Sänger Chris Williams und Bassisten Klaus Kohlhase ein Gespräch zu führen. ‚Everything You Need‘ ist der Titel ihrer dritten und neuesten LP, die auf dem neugeborenen ‚Zebra‘-Label erschien.

Spätestens seit dem 2. British Rock Meeting war es Abacus gelungen, sich nicht nur in Norddeutschland einen Namen zu machen. Man kann sie heute schon zur ersten Garnitur im Lande zählen, was durch den Erfolg der beiden ersten LP’s nur unterstrichen wird. Mit ‚Everything You Need‘ stellen sich die fünf Musiker erstmals als Gruppe vor, die keine Angst vorm Synthesizer hat und beweisen mit zwei unterschiedlichen Alburn-Seiten, dass sie produktiv mit einer Bläser-Section arbeiten können.

ME: Wie würdet ihr Eure Musik einordnen wollen?

Klaus: Wir werden immer als Soft-Rock-Gruppe eingeordnet – ob das wiederum stimmt …

ME: Chris. Du schreibst die Songtexte. Woher bekommst Du die Anregungen dazu?

Chris: I don’t know. Meistens sind das so kleine Alltagsgeschichten, manchmal dreht sich’s auch um Erfahrungen mit der Gruppe, fast immer hat es zu tun mit den Frustrationen, die man durchmacht, ‚Frusties‘, wie wir das nennen.

ME: Und wie kommen die Songs zustande?

Klaus: Wir gehen in unseren Übungsraum und spielen ein bisschen herum, jammen ein wenig, bis wir nach ein paar Tagen die passende Musik zum Text gefunden haben. Die zweite Seite unserer neuen LP sollte eigentlich eine Aufnahme mit einem Orchester werden, wir hatten sie extra dafür arrangiert. Kurz vor unserem Studiotermin mussten wir die Sache jedoch abblasen. Die Plattenfirma meinte, das Risiko sei zu gross, weil wir gerade unseren Schlagzeuger gewechselt hatten.

ME: Warum habt ihr den Schlagzeuger gewechselt?

Klaus: Nicht wegen persönlicher Differenzen. Er hat geheiratet, und es ist für einen deutschen Rock-Musiker immer noch schwierig, eine ganze Familie zu ernähren. Jetzt arbeitet er deshalb wieder in einem ‚bürgerlichen‘ Beruf und versucht nebenbei, das Abitur nachzumachen. Er hat zwar ein verlockendes Angebot von ‚Emergency‘ bekommen, aber er hat es abgeschlagen, denn es ist wie gesagt wirklich nicht einfach, sich hierzulande als Musiker über Wasser zu halten.

ME: Wie versteht ihr Euch untereinander in der Gruppe?

Klaus: Wir leben nicht zusammen und das ist vielleicht das Gute daran. Im Augenblick haben wir noch nicht vor zusammenzuziehen. Wir haben es noch nicht probiert zusammenzuleben. Manchen Gruppen gelingt es recht gut, vielleicht liegt es daran, dass ihre Musik dann noch geschlossener wirkt. Drei von uns leben im Moment noch bei ihren Eltern, dadurch haben sie weniger Unkosten und können natürlich mehr Geld in die Gruppe stecken. Wir sehen uns trotzdem jeden Tag. Dass der Schlagzeuger in Soest lebt, ist allerdings nicht so günstig.

ME: Wie oft übt ihr in der Wache?

Klaus: Wenn wir in acht Tagen dreimal spielen, üben wir vielleicht zweimal.

ME: Habt ihr schon Feinsehauftritte gehabt?

Klaus: Ja. Im letzten Jahr haben wir auf einem Festival in Bünde gespielt. Unter anderem war da auch Wolfgang Dauner mit seiner Band. Das Ganze ist gefilmt worden und wurde anschliessend in der TV-Sendung ‚jour Fix‘ ausgestrahlt. Ausserderm hat uns Michael Leckebusch angedeutet, dass er in seiner neuen Sendung ‚Musikladen‘ mehr deutsche Gruppen bringen will, als das in seinem ‚Beat-Club‘ der Fall war. Das Problem ist, dass im Moment deutsche Gruppen noch nicht so sehr beliebt sind beim Deutschen Fernsehen.

ME: Aber das wird sich doch sicher bald ändern ….

Klaus: Ja. Das Problem ist auch hier, dass die Gruppen immer schon so lange existieren. Manche Gruppen existieren schon drei Jahre und leben gerade so vor sich hin. Sie können so verhältnismässig recht und schlecht leben. Irgendwann einmal ist dann aber der Punkt wieder erreicht, wo der Bus nicht mehr in Ordnung ist und ein neuer angeschaut werden muss. Meistens ist dafür natürlich zuwenig Geld da – dann sträuben sich die ersten und sagen ‚So geht das nicht weiter‘. Wenn die Gruppe immer noch zusammenhält – was wir bis jetzt tun, kann es passieren, dass man schliesslich in ganz Deutschland bekanntgeworden ist und sich vielleicht doch noch irgendwann auflösen muss, weil plötzlich neue Probleme vor der Tür stehen.