Backyard Babies: BACKYARD BABIES


Die Gralshüter des europäischen Rock'n'Roll leben in Schweden: MUSIKEXPRESS-Leser David Vorholt stellt das sechste Album der Backyard Babies vor. Es trägt den schlichten Titel: BACKYARD BABIES.

Einfach ROCK – wer dafür heute neben MGMT und TV On The Radio noch Zeit findet, sollte seinen Blick von Brooklyn mal quer über den Atlantik, genauer gesagt nach, ja mal wieder, Schweden schweifen lassen. Denn da man derzeit aus allen Kanälen die Kings Of Leon mit ihrem Album ONLY BY THE NIGHT ans anspruchsvolle, musikalische Herz gelegt bekommt, kommen die Gralshüter des europäischen Rock’n’Roll fast, und das ist schade, unbemerkt mit neuer Musik daher.Die Kings Of Leon orientieren sich an U2 und Pearl Jam; die Backyard Babies lieber an sich selber. War ihr 2006er Album PEOPLE LIKE PEOPLE LIKE PEOPLE LIKE US noch eher durchschnittlich, zeigt die Formkurve 2008 wieder deutlich nach oben, denn es wurde die Kreativität dieses mal wieder vermehrt in den akustischen Teil des Albums gelegt, statt in den namens- gebenden, und dass diese Selbstbetitelung kein Anzeichen für Senilität (man ist ja schon über die 40er Marke), sondern eher ein zu vernachlässigendes Detail ist, stellt erwähnter akustischer Teil des Albums, in diesem Fall 13 Tracks, klar. Die Zahl 13 hat im Backyard Babies-Kosmos eine sehr starke Bedeutung, womit man beim ewig leidigen Thema ankommt: Der Vergleich mit ihrem Werk aus frühen Zeiten TOTAL 13. Wir belassen es bewusst bei dieser einen Erwähnung dieser sicherlich grandiosen Platte; Schluss damit; und lassen lieber den Opener „Fuck Off And Die“ für sich sprechen. Gemäßigtes Tempo und Rifflastigkeit erinnern stark an „Minus Celcius“ von STOCKHOLM SYNDROME und bis zum starken Gitarrensolo schwebt der Song leider etwas in Orientierungslosigkeit, genau wie das folgende „Degenerated“, welches ebenfalls Rifflastigkeit und Backyard Babies-untypische Trägheit aufweißt.Aber die Backyard Babies wären nicht die Backyard Babies, würden sie ein ganzes Album mit Songs wie diesen pflastern und „Come Undone“ ist kein Robbie Williams-Cover, sondern wunderbarster flüssiger Dreck, von dem man dann gleich am liebsten literweise in sich hineinlaufen lassen würde. Die Gitarren rollen wie Hochgeschwindigkeitszüge durch Nikes Gesang und man muss sich zum hundertsten Mal vor Link Wray, dem Erfinder des Powerchords, verneigen. Backyard Babies Hymnen vom feinsten, garniert mit ordentlich Zwischenfeedback und Dregens unwiderstehlicher Leadgitarre: Was will man mehr?Zwischendurch gibt’s ein wenig Akustikgitarre in „Abandon“, welche aber nach der Hälfte des Songs verstummt und dem Song eine Art „Afterburnereffekt“ beschert, herrlich. Der Sound, der somit die Räumlichkeiten der Polar & Big Island Studios in Stockholm verlässt, macht einen durchweg homogenen Eindruck ohne abzuflachen, allerdings auch nicht mehr so herrlich ungestüm wie zu früheren Zeiten, die hier eigentlich ja nicht mehr erwähnt werden sollten, but nobody is perfect, so auch nicht das sechste Album von Nike, Dregen, Johan und Peder. Dennoch hebt es sich deutlich vom Vorgänger ab und festigt die Band, geplant oder nicht, anno 2008, dem Jahr, in dem ihre langen Weggefährten von den Hellacopters bedauerlicherweise sich und ihre Band an den Nagel hängen, als letzten Verfechter dieser herrlichen, ehrlichen, spektakulär weil simpel rockenden, von Dreck, Blut, Alkohol und dem Gefühl von Freiheit geschwängerten Rockmusik.Der Zug rollt weiter; die Hellacopters treten ab, die Backyard Babies treten wieder los und man kann hoffen, dass bald wieder mehr Besessene des Phänomens „Musik“ in die von großen Momenten und kleinen Gigs lebende Welt der, genau: Gralshüter einTRETEN. Der erste Schritt dazu ist ab sofort HÖRBAR.

David Vorholt – 29.10.2008