David Bowie im Kino


Für eine verlockende Gage posierte David Bowie im Kreise altgedienter Filmrecken als Hauptdarsteller im teuersten deutschen Film der Nachkriegszeit: "Schöner Gigolo armer Gigolo." Wer Bowie in seiner zweiten Filmrolle unter die Lupe nehmen will, hat jetzt die Gelegenheit: Nach zweimonatiger Verspätung kam der Streifen im November endlich bundesweit in die Kinos.

Wie es sich für einen Bowie-Fan gehört, habe ich ungeduldig auf die Vorführung des Streifens „Schöner Gigolo – armer Gigolo“ gewartet. Und überhaupt, die Besetzung. Marlene Dietrich soll sogar nur zugesagt haben, weil sie von David Bowie so fasziniert war. Falls es da tatsächlich irgendweiche knisternden Vibrations im Studio gab, so hat man sie mit Sicherheit herausgeschnitten. Genau wie den größten Part von Evelyn Künnekes Auftritt. „Ich hatte in dem Film eine Rolle Tür 30000 Mark,“ verkündete sie vor den versammelten Filmkritikern sarkastisch. „Davon ist genau ein Satz übriggeblieben.“

Übriggeblieben ist für einige der namhaften Akteure nicht viel mehr als eine gutbezahlte Statistenrolle. Die Minuten, in denen Curd Jürgens als Prinz oder Erika Pluhar als Edelkokotte auf der Leinwand erscheinen, sind abzuzählen. Marlene schließlich muß sich als Befehlshaberin eines Heeres von Lohntänzern nicht einmal aus ihrem Sessel erheben. Nur einmal, ganz zum Schluß, schleicht sie zum Piano, um einige Zeilen des Evergreens „Just A Gigolo“ zu hauchen.

Laut Pressetext blieb ihr dabei immer noch genug Zeit, um allen im Studio zu zeigen, „daß ein Weltstar auch im hohen, Alter seinen Professionalismus nicht verliert.“ Und weiter: „Sie sang den Titelsong und spielte ihre Rolle so routiniert, als hätte sie erst gestern das letztemal vor der Kamera gestanden…. zum Schluß ihrer Szenen gab es im Studio spontanen Applaus.“ 14 Jahre lang hatte sie nicht mehr gefilmt! Und der deutsche Film hat sie nach 39 Jahren wieder – als Edelkomparsin!

Doch nun zu Bowie. Der spielte seine Rolle sparsam und unterkühlt mit einem Mindestmaß an action. Natürlich war dieser Paul von Pryzgodski, den er da verkörperte, einer von den Typen, die nur mit verschlucktem Lineal auf die Straße gehen: korrekt bis in die Fingerspitzen, weil sie in ihrer preußischen Erziehung nichts anderes gelernt haben, als Kriege zu führen. Aber obwohl er seiner Rolle dabei eigentlich nur gerecht wurde, hätte ich ihn manchmal in den Hintern treten können. Dieses introvertierte Gehabe eines wandelnden Eisblocks wird ihm nicht gerade die Begeisterung der Filmkritiker einbringen, die schon durch den Pressetext des Filmverleihs negativ auf den Hauptdarsteller eingestimmt werden.

Da wird vom „bisexuellen Rockstar mit strohblonder Pomaden-Mähne“ berichtet, „dem jedes Mittel recht war, um vom Slum-Buttje in London zum internationalen Rockstar aufzusteigen.“ Mit 14, so erfahren wir weiter, habe er den hübschen Knaben aus seiner Klasse nicht nur nachgeschaut. Soweit mit Schlagzeilen aus der Boulevardpresse gefüttert, fällt es natürlich nicht leicht, einen Rockstar auf der Leinwand für voll zu nehmen. Ganz davon abgesehen, daß Davids Filmdebut mit Nicolas Roegs „Der Mann, der vom Himmel fiel“ vor drei Jahren weitaus eindrucksvoller ausgefallen war. Diesmal hat er die Rolle offenbar zu wörtlich genommen: als „Gigolo“ den Job erfüllen und dann nach Hause… Die Frage, inwieweit sich David Bowie mit dem Film über seine Lieblingsstadt Berlin in ihrer dekadentesten Phase identifizieren konnte, blieb bisher unbeantwortet.

Die Story des Schönen Gigolo hört sich zunächst einmal gar nicht so fade an, wie sie letztendlich unter der Regie von David Hemmings (Blow up) umgesetzt wurde. Der größte und teuerste Film, der hier seit Kriegsende gedreht wurde, beschäftigt sich mit dem dekadenten Berlin zwischen den Weltkriegen. Leutnant Paul von Pryzgodski war zu spät an der Front erschienen, um noch Ruhm und Ehre zu ergattern. Als verarmter Adeliger versucht er nun, bis zur nächsten großen Chance, einem neuen Krieg, über die Runden zu kommen. In der Wohnung seiner Eltern treten sich jetzt Pensionsgäste gegenseitig auf die Füße. Seine Mutter (Maria Schell) arbeitet im türkischen Bad. Was seiner Freundin, dem Arbeiterkind Cilly (Sydne Rome), nicht gelingt, schafft schließlich Kim Novak als Generalswitwe: sie legt den kühlen Blonden gleich am Sarg ihres Verstorbenen um. Aber da ist auch noch Hermann, (ein graumelierter David Hemmings), der Paul in sein Aufgebot von blonden, blauäugigen und weiberfeindlichen Herrenmenschen einreihen will. Aber Paul läßt sich lieber in die maßgeschneiderte Uniform der Baroneß von Semering stecken, die ihre blasierten Gigolos an einsame Damen vermietet.

Cilly, die bei Pauls Heimkehr noch mit dünner Stimme Arbeiterlieder auf der Straße sang, avanciert zum Hollywoodstar; kehrt jedoch zurück, um den Prinzen (Curd Jürgens) zu heiraten. Dieses dekadente Fest, bei dem auch Hermann seine Braunhemden aufmarschieren läßt, gibt Paul den Rest. Er schleicht deprimiert durch die Straßen und kommt plötzlich doch noch zu seinem Heldentod: Kommunisten und Nazis liefern sich eine Schießerei. Paul stirbt durch einen Querschläger. Hermanns Leute beschlagnahmen die Leiche als „einen von ihnen“ und veranstalten ein Heldenbegräbnis.

Das alles ist nun ungeheuer dekorativ in Szene gesetzt. Wenn die Dialoge manchmal nicht so peinlich wären, könnte man sich mit dem „Schönen Gigolo“ ein paar schöne Kinostunden machen. Aber wenn jemand – wie der Spiegel treffend schreibt – dem „Cabaret“-Syndrom verfallen ist (wie hier die Drehbuchautoren Ennio de Concini und Joshua Sinclair), reicht es nicht, ein paar klangvolle Namen in die Besetzungsliste aufzunehmen. Das ist wie mit den berühmten Supergruppen …..