Deutsche Lieder 2 – Franz Morak


Moralist ist er, Burg-Schauspieler und nun auch noch Songschreiber und exaltierter Rock'n'Roller. Wie das alles zusammenpaßt? Detlef Kinsler hat ihn gefragt.

Es irritiert, wenn Franz Morak sein Konzert als Liederabend ankündigt. So sehr wir Medienmenschen auch damit beschäftigt sind, einmal geschaffene Klischees immer aufs Neue in Umlauf zu bringen, d.h. in diesem Falle konkret: einen Bezug zwischen den Wiener Liedermachern (Heller, Danzer) zu Ambros und Morak herzustellen, so sehr scheut man sich doch, nach dem Erlebnis eines Morak-Auftrittes die gedankliche Verbindung zwischen einer antiquierten Liedform und Morak aufrecht zu halten.

Franz Morak, geborener Grazer und erst mit 21 nach Wien gekommen, sieht sich selbst in keiner Tradition. Der respektierte Schauspieler, Absolvent des Max-Reinhardt-Seminars mit Engagement an der Wiener Burg, kam erst vor gut zwei Jahren zur Musik. Mit den Beatles und Stones aufgewachsen, faszinieren den heute 36jährigen vor allem die Kinks („Lieder über Heuschnupfen zu machen, das ist das Höchste!“), Lou Reed und Devo („Mag ich irrsinnig gern!“).

Auch ohne das Wissen um Moraks Favoriten bieten seine Musik und Texte für jedermann genügend Reize für mögliche Kategorisierungen, die Morak allerdings umgehend ad absurdum zu führen versucht. Moraks Arbeit hat (so abgegriffen der Begriff auch klingen mag) etwas Eigenständiges. Die Langspielplatten MORAK und MORAK’N’ROLL wie auch seine Bühnenshow sind Ergebnisse einer egozentrischen Arbeitsweise: Kompromißbereitschaft, nein danke! „Das Theaterspielen erlaubt mir, die Musik ziemlich konzessionsfrei zu betreiben“, verweist Morak auf seine durch die Schauspielerei gesicherte Existenz.

Zur Zeit probt er für ‚Danton’s Tod‘ und er ist bei allem Optimismus über die möglichen Erfolge als Rock’n’Roller besonnen genug, Entscheidungen nicht über’s Knie zu brechen. Bevor er das Fach vollkommen zu wechseln bereit ist, möchte er schon sicher sein, daß er nicht auf’s falsche Pferd setzt. Die Erfolge in der österreichischen Heimat bestätigen zwar sein Konzept, doch läßt es sich von bislang 10.000 verkauften Alben noch lange nicht leben, auch wenn die Zahl – auf deutsche Verhältnisse übertragen – etwa den zehnfachen Umsatz ausmachen würde.

Doch vor dem Devisenfluß aus Deutschland haben die Gesetze der Branche das Überzeugen des hiesigen Publikums gesetzt. Morak hofft auf die Presse, auf die Schreiber, die ihn während seiner nur dreitägigen Stippvisite auf deutschem Boden gesehen haben. Schließlich hat das in Osterreich auch so funktioniert. Die Medienpräsenz Franz Moraks hat die Leute in die Konzerte gebracht. Eine Politik der kleinen Schritte, etwa das Heraufarbeiten von der Basis her, läßt der Aufwand eines Morak-Konzertes gar nicht erst zu. „Ich kann ’s mir aussuchen „, kommentiert Morak unbescheiden. „Wenn net, dann scheiß i drauf. Ganz einfach. Ich könnte auch Bücher schreiben!“

Wer Aufwand hört und Moraks Schauspieler-Background im Hinterkopf hat, der mag an kostspielige Multi-Media-Produktionen denken. Außer der drastischen (und besonders appetitlichen) Umsetzung des Songs ‚Summa Cum Laude‘, in dem es Morak besonders plastisch gelingt, sein Gefühl von Angst und Ausgeliefertsein mit dem Zerteilen eines echten Schweinskopfes mit einer Motorsäge in Szene zu setzen, seine Konzerten keine weiteren visuellen Interpretationen Morak 1 scher Lyrik.

„Ich bin selbst dem Schweinskopf gegenüber eher skeptisch“, betont Morak. „Ich hasse Requisiten, weil ich festgestellt habe, daß sie meist das falsche leisten, eher sogar die Inhalte zerstören denn transportieren helfen. Wenn Text und Musik nicht stark genug sind, sollte man vielleicht besser aufhören.“ Und weiter: „Die Umsetzung der Texte soll im Kopf geschehen, denn es gibt nichts Grauslicheres wie unsere Phantasie, unsere Vorstellungskraft. Erst dann, wenn wir immer wieder hören, woran wir kranken, suchen wir vielleicht nach einer Lösung, nicht so kaputtzugehen.“

Moraks Arbeit tragt durchaus didaktische (nicht aber schulmeisterliche) Züge. Der maroden und morbiden Realität eine heile Welt in Gestalt einer Schlager-Thvialität entgegenzustellen, überläßt er jenen, die es sich von Berufs wegen zur Aufgabe gemacht haben, alles durch die rosarote Brille zu sehen, einen Betrug an der Menschheit begehen, den Morak schlicht obszön findet: „Das ist Volksverblödung höchster Sorte“, entpuppt sich Morak als ein Moralist.

Morak glaubt die Schi-I zophrenie erkannt zu I haben, in der wir leben. Wir sind es, die eine Gleichschaltung des Menschen zulassen, unsere Individualität aufgeben obwohl wir ursprünglich nach ganz anderen Werten streben. “ Wir sind eben alle Kleinbürger in unserer Grundstimmung“, interpretiert er kleinbürgerlich als „die billige Hoffnung, zu glauben, es wird schon alles gut gehen.“

Obwohl: „Verstandesmäßig betrachtet ist die Zukunft wirklich irgendwann vorbei in nächster Zeit. Doch jeder glaubt, es wird schon irgendwie weitergehen. Denn: Es ist immer irgendwie weitergegangen. In Wirklichkeit haben wir gar keine Chance mehr, es sei denn, es ändert sich etwas radikal. Und daß sich nichts ändert, dafür haben wir die Sachverwalter dieses Untergangs – die Schmidts und Kreiskys. Das ist eine weltweite Verschwörung der Dummheit.“

Und angesichts dieser Situation fühlst du dich geradezu ertappt, wenn der Franz nach dem Gig auf dich zukommt und sagt:

„Ich hob dich zweimal lachen sehen…“